Читать книгу Schatten auf meiner Seele - Bine Thunder - Страница 9
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ОглавлениеDie neue Zeitrechnung für uns „Ossi´s“ hatte nun begonnen, unserer Vereinigungs-Kanzler Helmut Kohl hatte ja mächtig auf die kapitalistische Buschtrommel geklopft und uns „blühende Landschaften“ versprochen, ohne sich Gedanken zu machen, wie viele Millionen oder auch Milliarden für den Aufbau Ost benötigt würden. Unsere glorreiche Republik war abgewirtschaftet, das Gold verschwunden und die Devisen waren in dunkle Kanäle versickert, die verbliebenen Mäuse weinten sich in der Brotschublade die Augen aus. Hier war wirklich alles marode und unrentabel geworden. Die Produktion brach sofort ein, der „Trabi“ war eigenartiger Weise sofort zu bekommen, aber die Bürger, die Westgeld hatten, schielten auf die begehrten Westautos, da half auch nicht das Trabi-Sondermodell mit Vierzylinder „Polomotor“ von Volkswagen.
Die Arbeitslosigkeit war von nun an kein Fremdwort mehr, sondern traurige Wirklichkeit, ein Zustand, den es in der DDR-Republik nicht gab. Die Betriebe mussten dicht machen oder hofften auf die Glücksritter aus dem kapitalistischen Westen, die ihre maroden Firmen und Fabriken, “ für ne`n Apel und ne`n Ei“, aufkauften. Die Rechtsunsicherheit in den Besitzerfragen bei den Immobilien-Verkäufen lies so manchen Deal platzen und so blieb in der Regel nur die Auflösung oder der nicht abwendbare Konkurs.
Viele junge Menschen wanderten in den Westen ab und viele wurden zu Pendlern zwischen Ost und West, eigentlich kehrten sie am Wochenende nur noch zum Schlafen in ihre alten Wohnorte zurück, denn das abverlangte Arbeitstempo, brachte viele an ihre Leistungsgrenze.
In den Standorten der ehemaligen DDR-Autofabriken machten sich schnell die etablierten westdeutschen Autofabrikanten breit. Sie wussten um die qualifizierten Arbeitskräfte, war es in Berlin, Eisenach, Zwickau und Leipzig.
Aber es war doch alles sehr desaströs, wie überall, die Arbeitsplätze verschwanden und der neue Vater Staat war auf einmal der größte Arbeitgeber, obwohl dies mit Arbeit in keinster Weise etwas zu tun hatte. Damals gab es noch Arbeitslosengeld I und II und das war recht ansehnlich, die älteren Arbeitnehmer, ab fünfundfünfzig Jahren aufwärts, wurden sofort in den Vorruhestand verabschiedet und durften am Aufbau des neuen wiedervereinten Deutschland nicht mehr mitarbeiten. Sie zählten auch nicht mehr als Arbeitslos, denn da hatte unsere Bundesrepublik mit den sogenannten „Neuen Bundesländern“ über vier Millionen Arbeitslose und mindestens ein bis zwei Millionen in den Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen.
Im Schön-Reden und Verschleiern konnten wir „Ossi`s“, hier sicher noch etwas dazu lernen.
Nun kam auch für mich das „Aus“, mein Betrieb musste nun auch wirtschaftlich rentabel arbeiten und so kam jeder Arbeitsplatz auf den Prüfstand und die Mitarbeiter, die als Letzte eingestellt wurden, flogen folgerichtig als Erste raus, da kam es nicht auf die Leistung oder Arbeitsqualität an, nein hier zählte Vitamin „Beziehung“ oder, wie schon erwähnt die Betriebszugehörigkeit.
Ich meldete mich nun auch beim größten „Arbeitgeber“ der Bundesrepublik an und der Papierkram für uns „Ossi`s“ war doch etwas ganz Neues. Er nahm einen großen Zeitraum in unserem neuen Leben ein und zeigte uns ganz deutlich, was westdeutsche Bürokratie war, nämlich ganz was Feines mit Abmahnungen und Strafen.
In unserem schön verträumten Land, die ehemalige DDR, wurde nun alles neu geordnet und durchorganisiert. Jeder der alten Parteigenossen versuchte auf legale oder weniger ehrliche Weise seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, bzw. einen rentenberechtigten Job zu erhalten. Jahrzehnte danach wurden noch „verdiente“ Stasi-Mitarbeiter in Führungspositionen bei Vater Staat oder in der Industrie überführt. Gebaut wurde auf „Teufel komm raus“, Büro- und Verwaltungsgebäude wuchsen wie Pilze aus dem Boden, man konnte meinen die gesamte westliche BRD wolle in den ehemaligen Osten übersiedeln? Wie sich danach heraus stellte, bestand überhaupt kein Bedarf und der Leerstand trieb viele „Glücksritter“ in den Konkurs.
Der traurige Leerstand, noch Jahre danach, zeugt noch heute vom westlichen Investionsüberschuss. Das Autobahnnetz wurde erneuert und ausgebaut, Leitplanken, etwas Unnützes zu Trabi-Zeiten, waren ein Muss. Die Leipziger Messe wurde eine der modernsten Messen Europas …
… und Westdeutschland schielte beleidigt auf die Neuen Bundesländer.
***
Nur die Arbeitslosenzahlen gingen nicht runter, es fehlte die neu anzusiedelnde Industrie und nur von Dienstleistungen konnte sich hier nichts ändern. Bei den Westdeutschen galt die überhebliche Feststellung, dass mit ein paar Sonderschichten die Neuen Bundesländer über Wasser gehalten werden konnten.
Diese Arroganz führte nicht gerade zu einem Miteinander, es war eher ein Instrument der erneuten Teilung und Missstimmung.
Der breiten Bevölkerung ging es bescheiden, es war nichts geworden mit den „blühenden Landschaften“ die Kanzler Kohl versprochen hatte, zu DDR-Zeiten gab es keine Luxuswaren fürs Volk und nun hatte das Volk kein Geld für die Luxuswaren in den Schaufenster und Geschäften.
Das Einzige was richtig lief, war der Gebraucht-Wagenhandel, in Westdeutschland oder in den Alten Bundesländern wurden alle Gebrauchten zu Wucherpreisen aufgekauft und mit noch grösseren Gewinnen den ahnungslosen Interessenten im Osten schmackhaft gemacht. Die Gebrauchtwagenlager waren im Westen leer gekauft!
Möbel wurden in riesigen Zelten, auf der grünen Wiese verhökert und für die „Klinkenputzer“ der Versicherungen, Bausparkassen und Staubsauger-Vertreter, Zeitungs-Abo`s und sonstiger Sparten tat sich ein Eldorado unvergleichbaren Ausmaßes auf, es war schon wie beim Goldrausch am Yukon-River, im damaligen Wilden Westen.
Besonders lukrative Sparten waren die Buch- und Zeitschriftenabo`s, einen großen Run erlebten die Pauschal- und Billigreisen, es war nichts mehr mit der Ostsee, Erzgebirge, Ungarn oder Bulgarien, zu den Letzteren konnten eigentlich auch nur Parteibonzen hinreisen.
Nun stand uns, falls das nötige Kleingeld vorhanden war, die gesamte Reisewelt offen.
Mir wurde in diesen Monaten erst so richtig bewusst, wie unser beschissenes Regime, uns die Jahre der Kinder- und Jugendzeit gestohlen und vorenthalten hatte. Ich war nun schon Anfang der Dreißig und alleinerziehend mit meiner pubertierenden Tochter, die noch einige Schuljahre vor sich hatte und in dieser Zeit den Wunsch hegte, mehr Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen. Ihr Erzeuger hatte seit der Einschulung, den Kontakt abgebrochen bzw. er war auf Tauchstation gegangen und hatte sich nicht einmal während meiner lebensbedrohenden Krankheit um Nena bemüht. Heute will dieser Rabenvater von seiner Zeit „des Vergessens“ nichts mehr wahr haben.
Meine Tochter war ihm bei seiner neuen Familie nur lästig, einmal versuchte das neu verliebte Pärchen mit allen Mitteln, mir meine Tochter, über die vorhandenen Ämter, zu entreißen. Wie ich später erfahren hatte, war hier eine Fehlgeburt seiner „Neuen“ ausschlaggebend, nach dem geläufigen Motto:“wenn wir schon keine eigenen Kinder zustande bekommen, dann werden wir meiner „Ex“ das Leben zur Hölle machen“, aber irgendwie hatte mein hirnamputierter „Ex“ wohl vergessen, dass ich das alleinige Sorgerecht richterlich erhalten hatte und somit hatte ich erst einmal eine kleine Verschnaufpause in deren jämmerlichen Intrigenspiel. Ich lernte nun alle Tricks und Raffinessen dieses hinterhältigen Paares kennen. Sie ließen keine Möglichkeit offen, mir Schlechtigkeiten anzuhängen, mit Hilfe des Jugendamtes, der Klassenlehrerin, Nachfragen auf meiner Arbeitsstelle und durch öftere Wohnungskontrollen, versuchte dieses Pärchen die Obhut für meine Tochter sich zu ergaunern.
Trotz meiner Gesundheitsschwäche und der Alleinerziehung, hatte es meiner Tochter an keinem Luxus gefehlt, der von ihren Freunden in der Schule als Standard angesehen wurde. Es mussten Markenklamotten, Addidas-Turnschuhe und viele dieser Qualitätsartikel sein, damit man „Dazu“ gehörte. Irgendwie war ich auch etwas stolz auf mich selber, dies alles meiner Tochter zukommen zu lassen. Wir fuhren gemeinsam in den Urlaub und gönnten uns von meinem schwer verdienten Geld, viele schöne lebenswerte Dinge und Annehmlichkeiten.
Nach der Wende verlor ich, wie der Großteil meiner Leidensgenossen ohne Ansehen der wirtschaftlichen Privatlage, leider meinen Arbeitsplatz. Da jedoch nicht alle Arbeitssuchende gleich Arbeitslose sein sollten, wegen der unglücklichen Statistik, so sollte ich eine Umschulung zum Koch absolvieren, obwohl ich gelernter Koch mit Facharbeiterzeugnis war.
Verstehen musste ich diesen Umstand nicht und Fragen stellen hatten wir in unserer Republik nie gelernt, dazu gab es monatlich pünktlich zum Ultimo, das benötigte Geld auf mein Konto.
Es begann eine wunderbare Zeit, das Westdeutsche Fortbildungssystem der Bundesanstalt für Arbeit kennen zu lernen. Bei dieser Schulungs-Maßnahme lernte ich später meine Freundin Brigit kennen. Brigit war circa fünf Jahre jünger und hatte damals schon zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen, war nicht aus der Gastronomie und wollte oder sollte auch zur Köchin ausgebildet werden. Sie war damals schon ein kesser „Feger“, locker, flockig und stets gut drauf, ließ nichts anbrennen, hatte lange, nie enden wollende Beine, blonde Haare, sah gut aus, feierte gerne und verdrehte schnell den Männern den Kopf.
Wir hatten uns sehr schnell angefreundet und trafen uns öfters auch Privat, unsere beiden Töchter verstanden sich auch prächtig, obwohl meine Tochter acht Jahre älter war, es war wie bei zwei Geschwistern.
Ich profitierte im Unterricht von der raschen und schnellen Auffassung meiner Freundin, die in meinen Augen ein Lerngenie war, nur mit dem Aussteigen am richtigen Bahnhof, viele Jahre später, sollte es noch erhebliche Schwierigkeiten geben.
Die berufliche Umschulung war in meinen Augen nicht das Gelbe vom Ei, ich wollte mich wieder einer sinnvolleren Aufgabe stellen und suchte dem entsprechend eine neue Herausforderung. Nach zwei Monaten Umschulung oder wie auch immer diese Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme genannt wurde, bekam ich eine Anstellung in einem Tagescafé mit kleiner Restaurantküche.
Der Chef war nicht gerade das Nonplusultra, zu dem man aufschauen konnte, da Menschenführung nicht eine seiner Stärken war. Hier lernte ich meine Kollegin Caroline kennen, die in diesem Café den Eisverkauf und die Kassen-Tätigkeit inne hatte. Altersmäßig waren wir etwa gleich, Caroline hatte einen Sohn, auch einige Jahre jünger als meine Tochter und wohnte nicht weit von meiner Wohnung entfernt, es sollte eine wunderbare Freundschaft werden.
Die Arbeit bereitete mir viel Freude, in Caroline hatte ich eine prima Kollegin, der Chef war zum Kotzen. Der Verdienst und das Trinkgeld war OK und bis zur nächsten Traumanstellung konnte und musste ich das Übel „Chef“ schon aushalten.
Caroline hatte auch eine geschiedene Vergangenheit hinter sich, jedoch alles einen Zacken verschärfter. Sie war mit einem jähzornigen, brutalen Mann verheiratet, obwohl sie seit einigen Jahren geschieden waren, kam dieser Unhold in ihre Wohnung, trat die Wohnungstür ein, zertrümmerte die halbe Einrichtung, riss den Deckenleuchter herunter und verprügelte die Frau, die ihm nicht mehr angetraut war.
Carolines Sohn hatte mich nach diesem Überfall hilfesuchend aufgesucht und ich bin sofort zu Caroline in die Wohnung geeilt und traf die junge Frau verstört und Grün und Blau geschlagen vor.
Dank meiner eindringlichen Anmahnungen konnte ich sie überreden nun endlich Einhalt zu gebieten und ihren Ex bei der Polizei anzuzeigen. Ich fuhr sie mit meinem Auto hin und lieferte sie bei der Dienststelle ab. Tage später erfuhr ich dann von ihr, dass sie die Anzeige auf Bitten ihres Ex`s wieder zurück genommen hatte und er ihr Besserung gelobte, meine Freundin war so doof, diese Versprechungen als bare Münze hinzunehmen.
Aber so war Caroline, irgendwie immer neben der Spur. Diese ganzen Vorkommnisse gingen nicht spurlos an meiner Freundin vorüber, sie suchte des Öfteren Vergessen und Trost im Alkohol, nicht während des Dienstes, aber nach Feierabend oder an den freien Wochenenden.
Frauen scheinen auf Beteuerungen der brutalen Männer besonders abzufahren, wie dieser Anlass mir bei meiner Freundin ganz klar zeigte, „sie hätte ihre Anzeige knallhart durchziehen müssen“, war mein abschließender Gedanke.
Zu Brigit hatte ich auch noch einen sehr guten Kontakt und wurde mehrfach eingeladen und lernte so, ihre doch sehr zweifelhaften Kumpels kennen, bei Brigit war meistens Party, die Kinder schliefen nebenan und im Wohnzimmer wurde gefetet „auf Teufel komm raus“. Im Eingangs-Bereich stapelten sich die Leergutsträger und die Partyüberreste, es war schon ein bisschen asozial, nicht unbedingt mein Fall.
Carolin wurde von mir über diese Partys bei Brigit unterrichtet und die Neugierde stieg, so nahm ich an einem Wochenende Caroline einfach mit. Die aufkommende Chemie war jedoch nur sehr einseitig, Brigit fand Caroline super, umgekehrt war das Empfinden wegen der vorherrschenden Unordnung und der verkommenden Typen eher sehr unterkühlt. Der Lebensstil mit den Kindern, der Feten, die Unordnung und die Getränkekisten im Flur waren nicht der Aufhänger einer großen Freundschaft zwischen den Beiden.
Ich spürte, dass eine weitere Zusammenführung nicht die beste Idee war, zumindest aus der Sicht von Caroline. Ich konnte und wollte diese beide Freundschaften auch gut getrennt aufrecht erhalten.
Brigit schloss ihre Umschulungs-Maßnahme mit Bravour ab, alles andere wäre für mich auch eine Enttäuschung gewesen.
Bei meiner beruflichen Tätigkeit verdiente ich schon sehr gut und jeder Groschen des Trinkgeldes wurde auf die Seite gelegt und angespart, es sammelte sich ein staatliches Sümmchen an, das ich zur Erlangung der Fahrerlaubnis verwenden wollte, heute sagt man wohl im Westen „Führerschein“. Gute Freunde mit Auto halfen mir auf einsamen Feldwegen, die feinfühlige Fahrpraxis und das Gefühl für das Einparken zu vermitteln und so konnte ich mit doch verhältnismäßig wenig Fahrstunden bald meinen Führerschein in Empfang nehmen.
Ich war nun unabhängig von den öffentlichen Verkehrsmitteln, denn mein erstes Auto hatte ich optimistischer Weise schon vor der Fahrprüfung erworben und wartete nun auf die Inbetriebnahme. Meine Tochter war sichtlich stolz darauf, dass ihre Mutti nun ein eigenes Auto besaß und nun konnte an den dienstfreien Wochenenden mit den Ausflügen in das Umland begonnen werden, oft ging es nur zu Oma und Opa oder zu Andre, aber sehr gerne auch zu Jens, meinen Bruder, aufs Land.
Jens hatte seine Anna geheiratet und zum Leidwesen meines Vaters den Familienname seiner Frau angenommen, den wahren Grund hatte ich bis heute nicht hinterfragt, es aber mit der Unzufriedenheit seiner Kinder- und Jugendzeit abgetan. Mein kleinerer Bruder war stets ein „Sensibelchen“ und nahm sich schnell alles sehr zu Herzen und wir Kinder mussten uns viele Hänseleien wegen der Trunksucht meines Vaters von den Mitschülern und Nachbarskinder gefallen lassen, heute wäre dies Mobbing.
Unser Vater hat bis heute nicht verstanden, was er mit seiner Krankheit uns allen angetan hatte. Wegen einer Krankheit kann sicher kein Mensch verantwortlich sein, nur wenn bei einer Sucht-Erkrankung keine Einsicht und keine Gegen- und Heilmaßnahme ergriffen wird, dann ist diese Handlungsweise mehr als verantwortungslos.
Unser Vater legt hier jedoch noch einen drauf und tut so unschuldig, als wäre nie etwas vorgefallen, im Gegenteil wenn das Thema zur Sprache kommt, dann legt dieser Herr, mein Vater, die sprichwörtlichen Scheuklappen an und spielt unser aller Leiden herunter und gibt sich egoistisch Lammfromm.
Warum meine Mutter dies alles geduldig ertragen hatte, ist mir heute noch sehr schleierhaft, da in der damaligen DDR ein Abstieg für alleinerziehende Mütter, sicherlich nicht so schwer war, als heute in Gesamtdeutschland, es wird ihr Geheimnis bleiben?
Nena war nun ein richtiger Teenager, vierzehn Jahre jung und ihre Jugendweihe stand an. Wir feierten dieses Fest im Familien- und Freundeskreis in einer nahegelegenen Gaststätte, sogar ihr Vater mit Gefolge war erschienen. Meine Tochter war sehr selbständig von mir erzogen worden und mit den einschlägigen Arbeiten im Haushalt schon sehr vertraut. In den letzten Jahren hatte sie ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater entwickelt und sich auch mit ihrer „Stiefmutter“ angefreundet, eine große Hilfe dabei war sicherlich der in die Ehe mit eingebrachte Sohn, zu dem Nena sich sehr hingezogen fühlte. Mit der Sauberkeit, so schien es mir, hatte es diese Frau jedoch nicht so genau genommen. Meine Tochter wollte einmal dort ein Wannenbad nehmen, was sie jedoch aus Gründen einer unsauberen Wanne dankend ablehnte. Sicher habe ich durch meinen Beruf eine andere Auffassung von Sauberkeit und Hygiene, die ich gewohnter Weise auf meine Tochter übertragen hatte.
An solche Begebenheiten werde ich öfters erinnert, wenn ich mein Leben, vor dem inneren Auge, Revue passieren lasse.
Die Feierlichkeit neigte sich nach der Kaffeetafel dem Ende zu und meine Geschwister und Freunde wollten noch nicht den Tag ausklingen lassen, da kam die glorreiche Idee auf, wir fahren zu meinen kleineren Bruder aufs Land.
Drei geräumige Fahrzeuge standen uns zur Verfügung und im Nu waren die besten Plätze vergeben, die vorgegebene Idee wurde somit schnell in die Tat umgesetzt, Carolin hatte sich vorher schon nach Hause verabschiedet. Brigit war jedoch dabei, was meinen kleineren Bruder doch sehr gefiel. Jens war zwar streng verheiratet, so lies er keine Möglichkeit eines Flirts aus, auch wenn die Frau mit am Tisch saß und ihre saure Mine zur Schau stellte. Der Alkohol hatte die Stimmung schon sehr aufgeheitert und die Oberhand gewonnen. Mein Bruder bearbeitete, mehr als Anne lieb war, meine Freundin Brigit und Jens fanden an ihrem freizügigen Trägerkleid größten Gefallen. Dieses Spielchen mit Träger rauf und Träger runter fand keinen allzu guten Anklang und spät Abends ging es für alle Beteiligten nach Hause, bei einigen hing der Haussegen wegen so mancher Ausschweifung schief, aber Tage später, war der einhellige Tenor, dass es ein sehr schönes Fest war.
Der übermäßige Alkoholgenuss war in unserer „geliebten“ DDR gang und gebe, manche konnten damals nicht ihre Grenze und heute noch weniger …
Der Schulabschluss von meiner Tochter war eine klare Formsache und ich musste mir wegen der Zeugnisnoten keine Sorgen auferlegen, da Nena stets eine gute bis sehr gute Schülerin war. Meine Tochter konnte ihren Traumberuf „… irgend etwas mit Tieren“, leider nicht in die Tat umsetzen, denn es herrschte der absolute Lehrstellenmangel vor.
Trauriger Weise musste mein Kind mit dem Beruf der Fleischfach-Verkäuferin vorlieb nehmen, ironischer Weise auch etwas mit Tieren …
Meine Tochter hatte gleich am Anfang ihrer Ausbildung, mit vielen hausgemachten, innerbetrieblichen und sich ergebenden Schwierigkeiten zu kämpfen, zum Teil war es Schikane, dass sie spät Abends das ein oder andere Mal den letzten Zug nicht erreichte oder Putzarbeiten zu diktiert bekam, die mit der Ausbildung nicht das Entfernteste zu tun hatte. Es hatte sich auch in den „Neuen Bundesländern“ diesbezüglich viel verändert, Dinge die vor der Wende niemals einen Grund zum Aufregen gaben, man hörte oft „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Mehrfach musste ich hier einschreiten, zum Teil mit Androhung des Arbeitsgerichtes, nach dem ich mich vorher bei meinem Betriebsrat erkundigt hatte.
Die berufsbildende Schule fand im Norden von Berlin statt und es war ein Blockunterricht mit Internatsbetreuung, wo die Auszubildenden von Auswärts übernachteten und wohnten.
Durch diese doch regelmäßige Selbständigkeit mit noch betreuten Wohnen und der vielleicht lockeren Lebensweise im Bezug auf das männliche Geschlecht, fand meine Tochter gefallen daran, nach Ihrer Ausbildung und Lehrzeit sich eine eigene Wohnung anzuschaffen.
***
Mit Brigit hatte ich weiterhin gute Kontakte unterhalten und bin mit ihr des Öfteren zu den Festen gegangen, die für Brigit eine wöchentliche Pflichtübung waren. Die Umschulung hatte meine Freundin beendet und mit einem sehr guten Abschluss gekrönt, mobil war sie auch geworden, sie kaufte oder verdiente sich einen alten Wartburg, damals noch ein gehobener DDR-“Nobelhobel“, meilenweit besser als der Leukoplast-Bomber „Trabi“. Eines Tages beobachtete ich wie ein gutaussehender Mann an ihrem Scheibenwischer herumfingerte um eine Nachricht festzuklemmen. In meiner selbstbewussten kessen Art stellte ich den Mann zur Rede und erfuhr dabei, dass dieser Herr der Prüfer von Brigit war und das er eine Anstellung für sie hätte, ich nahm die Nachricht mit und versprach die Weitergabe an meine Freundin.
Brigit hatte eine tolle, zufrieden stellende Anstellung, dank ihres guten Abschlusses bereits gefunden und wollte dieses Angebot nicht annehmen.
Bei unserem Gespräch über diesen Prüfer, kam uns Beiden der Gedanke, dass diese Stelle doch für mich geeignet wäre. Brigit telefonierte mit ihrem ehemaligen Prüfer und wir vereinbarten einen Vorstellungstermin.
Die Chancen standen nicht schlecht, dass ich diesen Job in der Lehrausbildung für lernschwache Jugendliche bekommen würde. Die erforderlichen Bewerbungsunterlagen, schrieb mir fehlerfrei meine Freundin und ich steuerte meine Zeugnisse und Beurteilungen meiner ehemaligen Arbeitgeber bei.
Später erfuhr ich, dass diese Stellenzuteilung auf Grund meiner Ausbildung und der Tatsache der Alleinerziehung mit einem Kind an mich erfolgte. Ich war stolz eine Anstellung in einer staatlich geförderten Einrichtung erhalten zu haben und war nicht mehr den launenhaften Schwankungen auf dem freien Arbeitsmarkt unterworfen, so lange ich mir nichts gravierendes zu Schulden kommen ließ. Ich war also unkündbar und wer konnte, außer den Beamten, dies von sich behaupten? Für mich als alten „Berufspessimisten“ sollte dieser Zustand mehr als beruhigend sein.
Mein neuer Arbeitsplatz war im Süden von Berlin, einige Kilometer von meinem Heimatort entfernt und als Jugendheim deklariert, dieses Heim bildete lernschwache, gestrandete und lernunwillige Jugendliche in einer Anzahl von Lehrberufen aus und diese Jugendlichen waren in dem angegliederten Heim untergebracht. Wir bildeten einen Teil dieser jungen Leute im Kochberuf aus.
Es sollte in den folgenden Jahren hindurch ein ewiges Auf und Ab in der Handhabung mit den Jugendlichen werden, Anfangs war es noch einfacher an die Jugendlichen heran zu kommen, im Laufe der Jahre wurde es jedoch immer schwieriger, der negative Einfluss, die allgemeine wirtschaftliche Lage und das angestrebte Lotterleben ohne Arbeit waren die Ursachen für ihren Frust.
Ob Mädchen oder Jungen, viele hatten keine Perspektiven, keinen inneren Antrieb, die Null-Bock-Generation war auch bei uns auf dem Vormarsch. Mit diesen widerwilligen, zum Teil schon am Morgen angetrunkenen oder zugekifften Jugendlichen mussten wir unsere Tagesaufgaben lösen und pünktlich zu den Essenszeiten, die bestellten Gerichte bereit halten.
Unserer Einrichtung war ein Altenheim angegliedert und diese Insassen sollten mit all den erforderlichen Mahlzeiten von Morgens bis Abends von uns versorgt werden, es war ein Vollzeitjob, dazu die Ausbildung der uns anvertrauten Lehrlinge.
Mit meinen vorgesetzten Kollegen, dem Prüfer meiner Freundin, hatte ich eine sehr angenehme Zusammenarbeit, dann kam noch ein männlicher Kollege in unser Team und dieser hatte eine besondere Art im Bezug auf Hygiene und Sauberkeit, was mir total gegen den Strich ging, seine Körperpflege ließ auch sehr zu wünschen übrig, dieser doch etwas korpulente Mann war schlicht gesagt ein Schwein, obwohl ich damit den Schweinen sicherlich Unrecht zu sprach.
Sauberkeit und Körperpflege waren mehr als zwei Fremdwörter für diesen Mann und wir Beide sollten diesbezüglich noch öfters, in den nächsten Jahren, aneinander geraten. Für mich stand seit meiner Ausbildung die Sauberkeit und Hygiene an oberster Stelle, entweder man ist von Natur aus sauber und gepflegt oder man hat ein irreparables Verhalten und wenn man dann noch einen Beruf ausübt, der mit Lebensmittelumgang zu tun hat, dann sollte eine hygienische Sauberkeit, mehr als eine Selbstverständlichkeit sein.
Mit diesem Kollegen wollte und konnte ich nicht zusammen arbeiten, schon in seiner Nähe drehte sich mein Magen um, wenn ich seine schweißgetränkte Körperausdünstung vernahm.
Der Heimleiter, der mich einstellte, wurde aus Altersgründen, feierlich in den verdienten Ruhestand verabschiedet und wir bekamen einen neuen „Besen“ vorgesetzt.
Dieser neue Vorgesetzte wollte verständlicher Weise hoch hinaus und so stellte er bestehende gut funktionierende Abläufe auf den Prüfstand und in den meisten Fällen in Frage, obwohl er von den inneren Abläufen nicht die leiseste Ahnung hatte.
Es sollte alles nach seinen Vorstellungen verbessert, aber auf alle Fälle geändert werden, denn dieser euphorische Chef wollte ja auch seine Existenzberechtigung …
Für unseren Bereich kamen Kürzungen im Haushaltsetat dazu, was es uns immer schwieriger machte, eine gute abwechslungsreiche Verpflegung sicher zu stellen, ausscheidende Mitarbeiter wurden nicht mehr ersetzt, wir mussten immer mehr Arbeiten übernehmen, denn auch unsere Auszubildenden hatten immer weniger Interesse tatkräftig mit zu arbeiten. Die vom Westen verstärkt rein geschwappte, negative Lebenseinstellung tat sein Übriges dazu.
Ich war immer wieder erfreut, wenn ich eine kleine Auszeit infolge Urlaub nehmen konnte, anderes „Elend“ sah und genügend Zeit zum Regenerieren fand.
Ich besuchte teils allein, mal mit meinen Eltern oder mit meiner Tochter die attraktivsten Urlaubsländer in Europa oder dann auch die Türkei mit den schönsten Stränden am Mittelmeer, glasklares, warmes Wasser und stets gutes Wetter ließen die knappe Freizeit meist viel zu schnell vergehen.
Bei einem dieser Türkei-Urlaube lernte ich Walter kennen, er bewohnte das selbe Hotel und hielt sich allabendlich im Barbereich auf, er war mit Freunden da und so kamen wir ins Gespräch und es sollte sich daraus eine Freundschaft auf viele Jahre entwickeln.
Walter, mein Dicker, war nicht der Typ Mann zum Heiraten, dazu hatte er zu viele Defizite, er war aber unkompliziert, verreiste gern in der bei uns kälteren Jahreszeit und ich konnte mit ihm gut plaudern und er hatte seine angenehmen Seiten in Sachen Sex. Mit meinem Dienst ließ sich diese Liaison auch gut verknüpfen, denn zeitlich blieb uns nur das Wochenende um die Bekanntschaft zu vertiefen. Meine Familie und meine Tochter, aber auch meine Freundinnen hatten meinen Freund überhaupt nicht oder höchstens einmal kennen gelernt, da war ich sehr eitel und zurück haltend.
Wir verbrachten sehr oft die Tage zwischen Weihnachten und dem Neujahrsfest in Thailand, ein Land voller Gastfreundschaft, Liebreiz, anderer Kultur und viel, viel Hektik, die sich im alltäglichen Straßenverkehr, jeden Tag aufs Neue zeigte. Dieses Land war buchstäblich für mich geschaffen, hohe Temperaturen, warmes Wasser, leckere Speisen und Gewürze, auf die hohe Luftfeuchtigkeit hätte ich verzichten können. Das leckere, gute Essen hatte es mir angetan, aber bitte ohne Chili, dazu die Sehenswürdigkeiten, das nie erlöschende Nachtleben von Pattaya, die Millionenstadt Bangkok und ich stelle beim Schreiben fest, dass ich schon lange nicht in meinem Traumland war. Dieses wunderbare, schöne Land steht weiter auf meiner Reiseliste ganz oben.
Auf meiner Arbeitsstelle hatte ich mir abgewöhnt, von meinen Urlauben zu erzählen, nach dem mein „Superchef“ mir diesbezüglich einen Rüffel verpasst hatte, neidische Kollegen hatten ihm von meinem Urlaub erzählt und er meinte ich soll nicht damit vor den Kollegen prahlen, mein Gedanke dazu … „Kunden schickt das Arbeitsamt“.
Irgendwie fehlten mir zu dieser Vorhaltung doch entsprechenden Worte, dieser Mann war mir in seinem Verhalten zu primitiv und ich wollte zukünftig nur noch meine dienstliche Arbeit verrichten, Neid und Missgunst hatten nun auch im Osten, Pardon in den Neuen Bundesländern, ihren Einzug gehalten, eines der neuen Attribute, auf die der neue Chef großen Wert gelegt hatte, denn nur so konnte er viele Mitarbeiter ausspionieren und auch wieder überwachen, hatten wir dies nicht schon alles einmal hautnah erlebt?
Anstatt ausgebildete Mitarbeiter mit dem Händchen für gute Menschenführung hier in den Neuen Bundesländern einzusetzen, so bekamen wir die Sklaventreiber, die im Westen auch nur zweite Wahl waren, der Mensch baut sich immer wieder seine eigenen Mauern, ohne sie selbst wahr zu nehmen.
Für unsere Privat-Fahrzeuge wurden uns Firmenparkplätze zugewiesen und hier bahnte sich für mich der nächste Ärger an, als mein Auto eines Abends zur Heimfahrt eine Beschädigung aufwies. Die Nachbarfahrzeuge auf diesem Parkplatz kamen nicht als Verursacher in Betracht, es schien eine Beschädigung durch mutwillige Ausführung herbei geführt zu sein. Jedenfalls konnte der Schuldige nicht ausfindig gemacht werden und der alles von sich abweisende Heimleiter sah keine kulante Regelung in seinem Machtbereich und schon zweimal nicht in meiner Person.
Wir hatten nun schon so ein echtes, arbeitsförderndes „Liebesverhältnis“. Ich suchte meinen Anwalt auf und dieser sollte mir nachhaltig zu meinem Recht verhelfen, ich wusste aber auch, dass würde meiner „Beliebtheit“ beim Chef nicht gerade für eine Beliebtheitskorrektur sorgen? Ich hatte die Beschädigung nicht verursacht und es geschah auf dem haftpflichtversicherten Firmengelände.
Einige Schreiben wechselten die Adressaten und dann erfolgte die Firmenzusage, dass ich mein Fahrzeug zur Reparatur geben konnte. Dies hätte der arrogante Heimleiter auch etwas kostengünstiger haben können!
Diese Angelegenheit konnte für mich als positiv abgeschlossen zu den Akten gelegt werden und ich durfte geduldig auf die nächsten Repressalien, dieses „nicht nachtragenden“ Chefs warten, schön nach dem Motto … „Holzauge sei wachsam …“
***
Privat war fast alles im grünen Bereich, meine Wochenend-Beziehung mit dem „Dicken“ war okay und stresste nicht.
Etwas Kummer bereitete mir meine Tochter, die gerade ihre Sturm- und Drangphase durchzusetzen versuchte und in dieser Beziehung verstand ich überhaupt keinen Spaß und wie Töchter dann in der Regel sind, so holte sich meine Tochter die Rückendeckung bei ihren Vater.
Dieser nette Erzeuger unterstützte, ganz ohne „Eigennutz“, die Interessen meiner Tochter und gab ihr Rückendeckung, einen Machtkampf gegen mich auszufechten.
Naiv wie meine Tochter damals noch immer war und ohne den Ansatz zur vernünftigen Einsicht ließ sie sich als Werkzeug ihres Erzeugers benutzen, ohne den Durchblick zu haben.
Meine Tochter hatte wieder einmal einen Freund und wie schon gewohnt, nicht das glückliche Händchen bei ihrer Auswahl bewiesen, Liebe macht bekanntlich stark und lässt in vielen Fällen auch die Logik und den Verstand vermissen und so sollte es auch bei meiner Tochter eintreffen.
Nena zog an ihrem achtzehnten Geburtstag mit dem Traummann ihres Herzens zusammen und hoffte nun, ich würde dieses Liebesleben unterstützen.
Ihr neuer Freund hielt von einer ehrlichen Arbeit nicht allzu viel und warum sollte er sich auch mit dem unnötigen Ballast „Arbeit“ den lieben Tag versauen, wenn es auch anders geht?
Meine Tochter verklagte mich auf Zahlung von Unterhalt, da sie ja noch nicht ausgelernt hatte und nur ihre Ausbildungs-Vergütung erhielt.
Im Vorfeld hatte ich mich bereit erklärt, das Kindergeld und einen kleinen Obolus oben darauf, für ihren Lebensbedarf beizusteuern.
Wenn sie weiter zu Hause gewohnt hätte so wären diese Kosten auch irgendwo entstanden. Aber ein kleiner Nimmersatt wie meine Tochter nun war, stets mit Unterstützung ihres Erzeugers und nun auch noch von ihrem Traumprinzen, so wollte „Madame“ noch eine Idee höher fliegen. Sie reichte Klage beim Familiengericht ein.
Über diesen Affront war ich mehr als enttäuscht und doch sehr wütend, meine Tochter zerrte mich vor das Gericht, als ob ich Rockefeller persönlich wäre?
Meine Tochter hatte doch die Unverschämtheit besessen, den Menschen, der ihr alles Bisherige in ihrem Leben ermöglichte, der für sie sorgte, sie Gesund pflegte und immer für sie da war und diese unverschämte Tochter zitierte nun ihre Mutter auf die Anklagebank.
Mit Schrecken sah ich nun dieser Verhandlung entgegen und hoffte, dass diese schamlose Person, meine Tochter, doch noch zur Einsicht kommen würde und ihre Klage zurück nimmt?
Die Nächte davor waren durch Unruhe und Schlaflosigkeit gekennzeichnet, ich hoffte, dass dieser Albtraum nur ein böser Traum war …
Aber, nichts dergleichen, der Verhandlungs-Termin stand an, meine Tochter vermochte mich nicht aufrecht anzusehen, war sie eventuell über ihr Vorgehen selbst enttäuscht oder war sie zwischenzeitlich so abgebrüht und niederträchtig geworden? Fragen über Fragen, die sich in meinem Inneren auf taten, Fragen die dann der Richter beantwortete …
Die Hoffnung meiner Tochter, ihre Mutter noch einmal so richtig zur Ader zu lassen, erfüllte sich nicht. Der besonnene Familienrichter setzte den Unterhalt, der durch mich zu zahlen gewesen war, auf einen niedrigeren Stand, als ich bereit war zu zahlen.
Dieser Schuss ging volle Kanne nach hinten los und die gut gemeinten Ratschläge ihres Erzeugers und ihres Traumprinzen, zerplatzen wie Seifenblasen durch das Urteil.
„Eine Berufung wurde nicht zugelassen.“
Nach dem Urteil stieß mir der Gedanke an den noch bezahlten Führerschein vor ein paar Monate besonders sauer auf.
So war und ist meine Tochter, mir blieb die Frage, „was hatte ich bei meiner Tochter falsch gemacht, war ich mit meinem kleinen Einkommen zu großzügig gewesen, hatte ich ihr zu Liebe auf zu viel verzichtet?“
Wichtig war, dass dieser Albtraum nun vorbei war und wieder Ruhe in mein Leben einkehren konnte.
Später erfuhr ich von meinen Eltern, dass mein „geliebter Ex“ behauptete, er hätte unserer Tochter den Führerschein bezahlt.
Heute bin ich der festen Überzeugung, dass Kinder aus geschiedenen Ehen stets der Spielball zwischen ihren Eltern sind, nur bei uns sollte es ja anders sein. Ich hatte das alleinige Sorgerecht, weil der Erzeuger, ihr Vater, nichts von ihr wissen wollte, heute heuchelt er ihr seine Vaterliebe vor und meine Tochter fährt voll auf das Gesülze ab und nimmt es als bare Münze.
Oft fragte ich mich ob ich mit dem berühmten Klammerbeutel gepudert wurde und es mein Trauma war, als leibliche Mutter, immer wieder verzeihen zu müssen?
Ich konnte und wollte es nicht wahr haben, vom eigenen Kind stets so gedemütigt und bloßgestellt zu werden. Waren es wirklich nur die Einflüsse von außen oder hatte ich als Mutter versagt?
Ich beschloss ab diesen Zeitpunkt wieder vermehrt mein Leben in den Vordergrund zu stellen, sollten doch die Versager mit ihrem Umstand selber klar kommen, ich würde mich aus all dem Müll nun heraushalten.
Zwischen meiner Tochter und mir herrschte erst einmal die herein gebrochene Eiszeit.
Zur Auffrischung meiner neugewonnenen Lebensfreude beschloss ich, mal wieder so richtig auf die „Kacke“ zu klopfen, schon allein, wegen meinem arroganten Heimleiter. Mein angelegter, eiserner Sparstrumpf war voll, ich genehmigte mir ein gut gebrauchtes, feuerrotes Cabrio, damals noch mit Stoffverdeck und vielen Extras.
Ich wollte bewusst meinen kleinen Reichtum sichtbar nach außen kehren, wollte all den Neidern zeigen, dass auch eine zielstrebig, fleißig arbeitende Köchin und dazu noch als alleinerziehende Mutter, in der Lage war, sich ein kleines Paradies zu schaffen.
Diese Ansage ging in erster Linie, in die Richtung meiner undankbaren Tochter, ihrem neidvollen Vater und natürlich an einen Teil meiner neidvollen Arbeitskollegen.
Es waren jedoch nicht alle so gesonnen, da würde ich einigen sicher Unrecht zusprechen, da waren einige Küchenhelferinnen und auch der Küchenchef, der in der Prüfungskommission tätig war.
Mir wurde öfters die Frage gestellt, “ …wie kann sich eine alleinerziehende Mutter und Köchin ein Cabrio und Urlaube in Thailand leisten …?“
Manche Kollegen und auch die Vorgesetzten hätten viel dafür gegeben, hier die vermutete, nicht ganz „astreine“ Antwort zu erhalten.
Aber es gab keinen weiteren Nebenverdienst, sondern ein sparsames, zielgerichtetes Leben mit meinem Wunsch, sehr viel Positives von unserer neuen, so sehnlichst herbei gewünschten Freiheit zu erleben.
Sichtbarer Reichtum erzeugte nun also auch in den Neuen Bundesländern Neid und es ließ nicht lange auf sich warten bis mein Auto, mein ganzer Stolz, helle Farbspritzer aufwies. Sollte diese Prozedur mit Rechtsanwalt und ewigen Schriftkram nun wieder von vorne beginnen? War dies schon wieder ein inszenierter, gemeiner Anschlag gegen mich?
Ich wusste nicht wie mir geschah, ich hatte gelinde gesagt „die Schnauze mehr als gestrichen voll“ …
Ich beschloss zukünftig mein geliebtes Auto nicht mehr auf dem Firmenparkplatz abzustellen, da ich eventuellen, weiteren Sabotage-Anschlägen vorbeugen wollte.
Eine liebgewonnene Arbeitskollegin aus der Küchen-Mannschaft, der ich heute noch sehr verbunden bin, ermöglichte mir die Einstellung meines Autos auf ihrem Privatgrundstück, in der Nähe unseres Betriebes.
Nun war für das Erste das Problem des Parkens behoben, jedoch noch nicht die Schuldfrage der Beschädigung. Der gesamte Anwaltskram begann von Vorne und ging zu Gericht, da wieder einmal der Geschäftsführer, aus dem glorreichen Westen, uneinsichtig war.
Da jedoch die Frage des Beschädigungortes nicht einwandfrei geklärt werden konnte, so urteilte der Richter auf einen Vergleich, das hieß jeder trägt seine Anwaltskosten allein und die Reparaturkosten werden geteilt, ich hatte eine zu verlässliche Werkstatt und eine Rechtschutzversicherung und so kam ich mit einem „blauen Auge davon. Recht haben und Recht bekommen so war meine Erkenntnis, sind immer noch zwei paar Schuhe? Justizia sollte vielleicht einmal öfters die Augenbinde abnehmen.
Über eines war ich mir im Klaren, dass mein neuer Parkplatz, außerhalb des Firmengeländes, der Geschäftsleitung nicht besonders gefiel und dies betrachtete ich schon als meinen Sieg.
Die mir aufgetragenen Arbeiten wurden weiterhin verantwortungsbewusst, mit größter Sorgfalt erledigt, ich ließ keine Fehler zu, damit auch kein erneuter Anlass an mich heran getragen wurde. Kleinen Sticheleien ging ich geschickt aus dem Weg, was natürlich den Nachgeschmack beigemengt bekam, dass das Betriebsklima sehr frostig wurde. Es war von allen Seiten ein Abtasten, Ausreizen und ein übervorsichtiges Handtieren. Ich hatte das Gefühl, dass jeder Kollege am Feierabend oder am Wochenende, froh war, wenn er die Firmenpforte hinter sich lassen konnte. Es gab bestimmt bessere Orte als diesen Arbeitsplatz und alles hatte nur dieser verhasste Heimleiter zu verantworten.
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Mit meiner Tochter hatte ich seit unserem familiären Rechtsstreit vor Gericht, keinen Kontakt mehr, hatte aber auch kein Interesse an einem Gespräch und es störte mich dieses Mal sehr wenig, dass meine Tochter bockte und sie sich in ihr Schneckenhaus zurück gezogen hatte. Das, was mich mehr verwunderte, war die Tatsache, das meine Tochter an ihre noch so junge Zukunft, so naiv und unbeholfen heran ging und stets glaubte, es würde immer Jemanden geben, der sie aus irgendeiner misslichen Lage heraus holen würde. Ihr Erzeuger war stets nur ein schlechter Ratgeber, wahrscheinlich immer nur mit dem inneren Gefühl, mir eins „Überzubraten“? Meine Tochter hing an seinen Lippen, stets wie ein Dürstender in der Wüste.
Ich wollte nach meiner Scheidung keinen Kleinkrieg mit dem einstigen Albtraum meiner schlaflosen Nächte, aber die Bosheiten, die auf seinen Mist gewachsen waren, zwangen mich wachsam zu bleiben.
Bei mir war also große Aufbruchstimmung angesagt, ich hatte wieder neue Freiräume, weniger Verantwortung, die Tochter war außer Haus, war enttäuschter als je zuvor und zwei gute Freundinen, die es galt nicht unbedingt zusammen zu führen …
Brigit, die Wilde aus der Umschulung, hatte sich wieder einmal ein Kind anhängen lassen und dieses auch noch ausgetragen. Es war ein Junge und dieser kleine Knabe wuchs als Nachzügler sehr verwöhnt auf. Das Feiern und Feten, hatte Brigit auch als erneute Mutter nicht verlernt und sie schaffte diese Übung locker leicht zu verbinden, wie einst ihre Umschulung mit Bravour. Wann würde diese Frau es lernen, mehr Verantwortung für sich und ihre Kinder zu übernehmen? Ihr größter Sohn hatte schon von Anfang an Probleme mit den Mitschülern, Brigit erhielt laufend „Einladungen“ von den Klassenlehrern ihres Sohnes, dazu meldete sich das Jugendamt und zu guter Letzt auch noch die Polizei, da auch hier schon einige Anzeigen vorlagen. Kleine Diebstähle in Läden und Kaufhäusern, Prügeleien mit Gleichaltrigen, Kiffen und Alkohol, versprachen keine glorreiche Zukunft.
Caroline hatte einige Bekanntschaften hinter sich, es war jedoch nichts langlebiges dabei und es schien, dass auch nichts vernünftiges in absehbarer Zeit dazu kommen würde. Ihr Sohn war, neben dem doch sehr zugeneigten Alkoholgenuss, der größte Lebensinhalt.
Wir unternahmen am Wochenende sehr oft gemeinsame Ausflüge, ohne Alkoholgenuss und kamen so, ganz gut über den verlängerten Sommer, der sicherlich nicht die erhoffte Erfüllung für alle Beteiligten war. Als junges Mädchen und nun als vierzig Jährige hatte ich mir eigentlich ein schöneres Leben gewünscht und erhofft.
Ich war zwar selbständig, hatte meine Tochter großgezogen, sie hatte das Nest verlassen, aber es fehlte die berühmte Harmonie und auch die breite Schulter zum Anlehnen.
Warum lief in meinem Leben so vieles aus dem Ruder, warum klebte an so vielen Dingen die ich anfasste, das Pech oder warum gingen so viele Hoffnungen, sang und klanglos unter? Fragen, die ich zu diesem Zeitpunkt von meiner Seite aus nicht beantworten konnte.
Es war zu minderst meine innere Hoffnung, das es nur noch wesentlich besser werden konnte, sollte ich optimistischer meinen weiteren Lebensweg beschreiten, ich war bereit mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und dieses Leben schnellstmöglich zu verändern …