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E I N S
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Kurschattenwalzer
Mümlingtalkrimi, Band Nr.4
Birgid Windisch
Kurschattenwalzer
Ein Mümlingtal-Krimi
Für alle Bad König- und Mümlingtalfans
Die Frau des Frühstücks-Cafè-Besitzers zog verschlafen ihre Joggingklamotten an. Ein prüfender Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass es noch leicht dämmrig draußen war und die Luft diesig-grau. Sie zuckte die Achseln. Seit sie ihr regelmäßiges Laufpensum aufgenommen hatte, machte ihr schlechtes Wetter nichts mehr aus.
Eigentlich gab es sowieso kein schlechtes Wetter, fand sie, sondern nur unpassende Kleidung. Bei ihrem Zwiebellook, konnte sie nichts falsch machen. Sollte sie schwitzen, band sie einfach eine Jacke um die Hüften und schon war das Problem gelöst. Sie stopfte ihre langen, dunkelbraunen Haare unter ihre leichte Baumwollmütze, dann band sie die Bauchtasche um, steckte das Handy hinein und lief los. Wie immer startete sie am Bäckerladen und lief geradeaus, an der Therme vorbei, über die Straße, die den Übergang von der Elisabethenstraße in die Schwimmbadstraße markierte und folgte der Schwimmbadstraße bis zur Mündung zu >am Bahndamm<, wo sie sich nach der Einmündung zur Werkstraße, links hielt. Sie betrachtete das imposante Gebäude, das in diesem Jahr, neben einer Gärtnerei entstanden und genau gegenüber dem Eingang zum Minigolfplatz, an den Seen, gelegen war. Ein neues, großes Kurhaus, mit allen Schikanen, eine orthopädische Reha-Klinik für Menschen, die ein neues Knie bekommen hatten, oder sonstigen Gelenkersatz. Gleich daneben, anscheinend vom gleichen Träger, befand sich ein runder Flachbau, ein Seniorendomizil, da konnten sie gleich die, denen in der Gelenkklinik nicht mehr zu helfen war, aufnehmen und schön weiter abkassieren. Kopfschüttelnd dachte sie, dass es kaum zu glauben war, wie schnell der große Bau ausgelastet war. Dadurch, dass die Menschen immer älter wurden, verschliss ihr Körper natürlich auch mehr und der Markt für künstliche Gelenke, meist Knie, oder Hüfte, boomte. Dankbar glitt ihr Blick zu ihren eigenen Knien, die noch brav und treu, fast ohne zu mucken, ihren Dienst versahen. Demnächst, oder besser, irgendwann, wollte sie auf Nordic Walking umsteigen und sich einer Frauengruppe anschließen, die täglich im Park beim gemeinsamen Walken, etwas für ihre Gesundheit tat. Aber noch fühlte sie sich zu jung, um das Joggen ganz einzustellen. Sie war durch ihre Arbeit auch nicht so flexibel und wenn sie den Park verließ, begannen normalerweise die Damen erst mit ihrer Walkingrunde. Sicher konnte sie ihren Knien noch eine Weile zumuten, sie beim Laufen um die Seen zu tragen. Die erste Runde führte sie zu dem kleinen See, wo morgens die Vögel schon um diese Zeit ihr Frühkonzert anstimmten, das sie so liebte. In gleichmäßigem Trab umrundete sie den kleineren See und bog in den Weg zum großen See ein, wobei sie den Blick nicht vom Boden nahm, damit sie nicht in Enten- und Gänsekacke trat. Heute war der Weg zwar relativ sauber, weil die Brutzeit vorbei war und die Wasservögel meist am kleinen See brüteten, aber sie wollte kein Risiko eingehen, dafür waren ihre Turnschuhe einfach zu teuer gewesen. Als sie an einer der zahlreichen, weißen Bänke vorbeikam, geriet ein Fuß in ihr Blickfeld. Als sie, ohne sich etwas dabei zu denken, schon fast daran vorbeigerannt war, registrierte sie unbewusst, dass etwas daran seltsam war. Mit einem Ruck blieb sie stehen und hob den Blick. Ungläubig sah sie, dass der Fuß zu einem älteren Mann gehörte, der auffällig gut gekleidet war, mit einem dunklen Anzug und schwarz-weißen Tanzschuhen. Er saß zurückgelehnt da und hielt ein weißes Schild in Din-a-4-Größe in den weißen Händen. Automatisch entzifferte die Frau die großen Druckbuchstaben:
„ICH BIN EIN GIGOLO-SCHWEIN UND VÖGLE VERHEIRATETE FRAUEN!“
Dann erst bemerkte sie den Schnitt über der Kehle, mit den bereits getrockneten Blutflüssen, die sich ihren Weg am faltigen Hals entlang gesucht hatten und im Kragen des weißen Hemdes versickert waren - sah die bunten Blumen aus dem Hals ragen, als würden sie direkt dort herauswachsen und den entsetzten Gesichtsausdruck, die aufgerissenen, blicklosen Augen des Mannes. Als ihr lauter, panischer Schrei die Morgenluft zerriss, sorgte er dafür, dass die Enten und Gänse, die auf der Wiese mit den Köpfen unter den Flügeln geschlafen hatten, erschrocken aufflogen und ihrerseits laut aufschreiend gegen diese Ruhestörung protestierten.