Читать книгу Kurschattenwalzer - Birgid Windisch - Страница 6

V I E R

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Magda betrat schwungvoll das Höchster Polizeirevier, Fränzchen knapp hinter sich. „Hoppla!“, rief Helmut, der uniformierte Kollege, mit dem sie um ein Haar zusammengestoßen wäre. „Heute wieder voller Elan, Magda?“ „Aber immer, Helmut, das weißt du doch“, lachte sie ihn freundlich an. „Ich hab euch eine Tüte Zuckerweck geholt“, meinte Helmut, ihr verschwörerisch zublinzelnd. „Wenn ihr so einen frischen Mordfall habt, braucht ihr doch Nervennahrung, wie ich euch kenne, oder?“ Magda lächelte ihm dankbar zu. „Du bist halt der Beste!“ Er grinste geschmeichelt und Magda betrat den Besprechungsraum, wo die Ermittlungstafel, noch jungfräulich weiß, in der Sonne leuchtete.

Sie nahm den schwarzen Stift und schrieb schwungvoll die Überschrift: Gigolo-Mord

Dann trat sie einen Schritt zurück. Namen, Alter, Wohnort – hoffentlich wussten die anderen bereits etwas darüber! Sie runzelte die Stirn und drehte sich zum Tisch, wo sie mit leerem Blick, gedankenabwesend die bereitstehenden, noch leeren Teller, für die Stückchen, musterte. Dann betrat sie das Labor, in dem Anne und Eddie ihres Amtes walteten, wenn sie denn da waren und legte die sauber beschrifteten Fundstück-Tüten mitten auf den Schreibtisch.

Gut, dass ich alles vorher fotografiert habe, dachte sie dabei. Manchmal konnte man aus dem Fundort wichtige Rückschlüsse ziehen.

„Hallihallo!“, schallte Annes Stimme über den Flur und schon flog die Tür auf. Wenn Magda sie nicht festgehalten hätte, wäre sie glatt an die Wand geknallt. „Na, na, na!“ Magda sah die jüngere Kollegin missbilligend an. „Immer langsam mit den jungen Pferden!“ Anne grinste frech und warf ihre langen, braunen Haare zurück. „Mir kann man wenigstens niemand nachsagen, dass meine Schuhe beim Laufen besohlt werden könnten!“ „Mir aber auch nicht!“, wehrte sich Magda empört. Anne stutzte, als sie Magdas Beweismitteltüten auf dem Tisch liegen sah. „Wo kommen denn die her, sind die etwa von dir?“ Magda lächelte stolz.

„Von wem denn sonst?“ Anne drehte sie vorsichtig in der Hand. „Ein Taschentuch!“, entfuhr es ihr andächtig.“ „Ein Taschentuch“, bestätigte Magda leise. „Und diesmal hab ich es nicht gefunden“, meinte Anne enttäuscht. „Macht doch nichts“, tröstete sie Magda. „Schau es dir lieber an. Es lag genau neben dem Geldstück in der anderen Tüte.“ Anne rief laut: „Der wollte sicher das Taschentuch herausziehen und dabei ist ihm das Geldstück heruntergefallen!“ „Dachte ich mir auch!“ Sie klatschten ihre Hände zusammen. „Ich nehme gleich die Abdrücke und lasse sie durchs System und dann schick ich eine DNA-Probe zu Susi!“ Eifrig machte sich Anne ans Werk und Magda tätschelte ihr liebevoll die Schulter. „Fleißiges Mädchen! Ich gehe schon mal rüber.“ Aber Anne grunzte nur „Jaja“, zur Antwort und war in ihrer eigenen Welt vollkommen versunken.

Kopfschüttelnd begab sich Magda ins Besprechungszimmer und sah sich um. Eddie und Ben waren eben dabei, Zuckerweck auf die Teller zu verteilen und den Tisch zu decken. Sie benutzten wie immer die Kaffeehumpen, dann sparten sie die Unterteller, die sie stattdessen für die Zuckerweck benutzten. „Wo bleibt der Kaffee?“, wollte Eddie lächelnd wissen. „Bin ich euer Kaffeeautomat?“, sah ihn Magda gespielt böse an.

Wie auf Kommando öffnete sich die Tür und der gute Helmut trat ein, zwei große Kaffeekannen schwenkend. „Ich hab mal lieber gleich zwei gemacht, eine langt sowieso nicht bei euch Kaffee-oholiks!“ Er lachte übermütig und stellte sie auf die beiden Tischenden.

„Danke Helmut“, beteuerte Magda lächelnd, „das ist sehr lieb von dir!“ „Dabei heiß ich nicht einmal so“, meinte Helmut grinsend, mit vielsagendem Blick auf seinen Kollegen, und verließ schleunigst den Raum, bevor ihm ein Schlappen von Ben hinterherflog.

„Weiß jemand, wie der Tote heißt?“ Magda sah die Anderen fragend an. Ben räusperte sich und nahm den Notizblock vom Tisch.

„Also der Tote heißt Adalbert Vogt, allgemein Bertie Vogts genannt, wegen der Namensähnlichkeit und der kleinen Statur!“ Magda nickte bestätigend - „verständlich!“ „Wie alt?“ Ben sah in sein Heft. „Seit gestern genau 63 Jahre alt.“ „Mir kam er viel älter vor“, murmelte Eddie leise und Magda stimmte ihm nickend zu. „Woher weißt du das eigentlich?“ Ben sah auf. „Susi fand seinen Geldbeutel unter ihm, als sie ihn zur Seite drehte. Sein Ausweis war drin.“ Magda nickte nachdenklich. „Mit Bild?“ „Mit Bild und Ähnlichkeit“, bestätigte Ben nickend und schrieb Namen, Alter und Wohnort des Opfers auf. „Bad König?“ „Ich hab die Adresse eingegeben“, sagte Eddie eifrig, „es ist nicht direkt Bad König, sondern Nieder Kinzig, gehört aber dazu.“ Magda nickte gedankenabwesend und setzte sich an den Tisch, um sich Kaffee einzuschenken. „Irgendetwas kommt mir bekannt vor an der Sache. Entweder dieser Name Bertie, oder die Vorgehensweise.“ „Du meinst, das Kehle aufschlitzen?“ Seufzend schüttelte Magda den Kopf. „Das ist es ja. Ich glaube, es ist etwas anderes, aber ich komme einfach nicht drauf.“ „Macht nichts“, murmelte Ben leise. „Es fällt dir schon noch ein.“

Die Tür flog auf und Ben fing sie automatisch auf. Anne strahlte in die Runde. „Ich habe einen Fingerabdruck auf der Münze gefunden!“ „Aha“, meinte Eddie trocken. „Und, wem gehört er?“ „Weiß ich doch nicht!“, erwiderte Anne empört. „Entweder dem Täter, dem Opfer, oder einem Spaziergänger!“ Magda meinte sachlich: „Das glaube ich nicht. Das Taschentuch war noch relativ trocken. Wäre es ein Spaziergänger vom Tag vorher gewesen, wäre es feuchter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand unseren Toten übersehen hätte.“ Die anderen nickten beklommen. „Bleibt die Frage, ob Tuch und Münze vom Täter, oder vom Opfer stammen!“ Eddie zog eine Tüte aus der Hosentasche. „Wie gut, dass ich die Abdrücke des Toten schon genommen habe!“ Anne sah ihn gespielt finster an. „Du wolltest ja nur noch ein wenig länger bei deiner Susi bleiben!“ Sie streckte ihm frech die Zunge heraus. „Na und?“ Eddie lächelte sie freundlich an. „Nur kein Neid!“ Anne nickte gutmütig. Sie mochte all ihre Kollegen sehr und mit Eddie arbeitete sie seit Jahren eng und erfolgreich zusammen. Sie wusste, dass er sich lange nach einer Seelenverwandten gesehnt hatte und ausgerechnet beim Polka tanzen, wozu er, wie auch die anderen Kollegen von Magda beim letzten Fall verdonnert worden waren, hatte es gefunkt und seitdem waren Susi und er ein Paar - ein Herz und eine Seele - wie man so schön sagt. Auf diese beiden trifft der Spruch wirklich zu, dachte Anne ein wenig traurig, weil ihr bisher noch dieses Glück verwehrt geblieben war. Zwar hatte sie in Ben einen treuen Verehrer an ihrer Seite, aber wie es so schön heißt – man will immer das, was man nicht haben kann. Das war schon immer so. Sie knuffte ihn liebevoll in die Seite und er schubste sie vorsichtig zurück.

„Also her mit deinem Abdruck. Wir lassen ihn mit meinen zum Abgleich durchlaufen, dann wissen wir vielleicht mehr. Wenn er nicht passen sollte, wissen wir zumindest, dass er nicht vom Opfer stammt.“ Eddie nickte beipflichtend und die beiden begaben sich, leise miteinander schimpfend und sich kabbelnd, nach nebenan ins Labor.

Magda und Ben sahen sich lächelnd an und zuckten die Schultern. Gleich darauf hörten sie laute Schritte und Herbert und Freddy traten ein. „Grüßt euch!“, rief Freddy und Herbert nickte allen freundlich zu, bevor er zu Magda trat und sie zart auf die Lippen küsste. Als alle saßen, begann Magda noch einmal.

„Der Tote heißt Adalbert Vogt, genannt Bertie Vogts, wegen Statur und ähnlichem Namen wie der bekannte Fußballspieler.“ „Echt jetzt?“, rutschte es Herbert heraus. „Echt jetzt“, bestätigte Magda. „Wohnhaft in Nieder Kinzig.“ „Kenne ich nicht,“ steuert Freddy ungefragt bei. „Und ich kenne einige aus Nieder Kinzig.“ „Ich denke mal, vom Alter und Aussehen her, ist Bertie wohl weniger dein Beuteschema“, sagte Magda trocken. „Wohl weniger, trifft es gut“, grinste Freddy herüber. „Nachdem das nun geklärt ist“ – Magda sah reihum, „möchte ich von euch wissen, ob ihr noch etwas beisteuern könnt.“

„Das kann ich tatsächlich“, bestätigte Freddy sachlich. „Als ich Herbert die Fotos zeigte, fiel uns beiden auf, dass das Opfer zwar dieses Schild in den Händen hielt, zu dem brutalen Schnitt in den Hals, aber dass die Blumen ganz sorgsam hineingesteckt worden sind und keineswegs hineingerammt wurden.“ „Sehr geschmackvoll übrigens,“ bestätigte Herbert freundlich. „Man könnte fast sagen, liebevoll.“ Magda horchte auf. „Das ist ja seltsam.“ „Finde ich auch“, stimmten Freddy und Herbert wie aus einem Munde zu. „Vielleicht hat er es genossen, so wie man etwas genießt, das man sich lange im Voraus ausgemalt hat?“, dachte Magda laut. „Klingt nach Serientäter“, murmelte Herbert neben ihr. „Hoffentlich nicht“, meinte Magda düster.

„Kann mir jemand etwas zu der Kleidung sagen?“ Eddie, der eben mit Anne eintrat, fing die Frage auf. „Es handelt sich um einen Anzug, der früher mit Vorliebe zum Tanzen getragen wurde.“ „Ebenso wie die Schuhe“, fiel Anne eifrig ein. „Das ist mir auch gleich aufgefallen“, meinte Magda nachdenklich. „Aber dieser Anzug, von der Beinlänge her und dem Schnitt – also mir kam es so vor, als sei es sein eigener Anzug von der Passform her.“ „Finde ich auch“, bestätigte Anne. „Ich denke, es handelt sich um einen ehemaligen Tänzer, Laie oder Profi, der in der Zeit, schätzungsweise vor ungefähr dreißig Jahren aktiv war.“

„Wahrscheinlich, hat er den Anzug nicht zufällig an.“ Anne sah das Bild an, das Freddy ausgedruckt und eben aufgehängt hatte. „Das denk ich auch nicht“, sagte Magda langsam. „Der Mörder hat ihn vielleicht gezwungen ihn anzuziehen, oder unter einem Vorwand darum gebeten und in den Park gelockt.“ „Ich denke letzteres“, schaltete sich Herbert ein. „Ist einfacher, ich würde es jedenfalls so machen.“ Freddy und Eddie nickten beide einvernehmlich. „Okay“, sagte Magda zusammenfassend. „Es hat etwas mit Tanzen zu tun – und mit Gigolos.“ „Was ist denn ein Gigolo?“ Eddie sah sich verständnislos um. „Ein Gigolo ist ein Mann, der Frauen umgarnt und verliebt in sich macht. Sie finanziell ausnutzt zum Beispiel, oder im besten Fall einfach verführt.“ Anne lachte ihn an. „Zu unsittlichen Handlungen beispielsweise?“ Eddie grinste sie frech an. „Unter anderem“, schaltete sich Magda mit ernster Stimme ein. „Oho, so sah der aber gar nicht aus!“ Eddie wirkte betroffen. „So etwas sieht man einem Menschen ja auch nicht an. Er hatte wahrscheinlich andere Qualitäten“, erklärte ihm Magda und Eddie johlte beifällig auf. „Genutzt hat es ihm allerdings nicht viel.“ Schlagartig wurde er still. „Tut mir leid, der Tod ist nie lustig.“

Anne hob das Bild mit Eddies Gipsabdruck. „Es sind Schuhabdrücke des Opfers“, meinte sie enttäuscht.

„Ist trotzdem gut, das zu wissen! Gut gemacht, Anne.“ Magda klopfte ihrer jüngeren Kollegin anerkennend auf die Schulter. Anne sah entmutigt auf. „Was machen wir denn jetzt? Wir haben doch kaum etwas!“ „Sag das nicht“, lächelte Magda. „Wenn wir jetzt noch das mögliche Motiv des Täters ergründen könnten, wären wir einen großen Schritt weiter. Aber es wäre verfrüht. Wir müssen erst noch ein wenig in der Vergangenheit des Opfers forschen. Anne und Eddie, ihr fahrt in seine Wohnung und durchsucht sie nach Anhaltspunkten.“ „Jawoll Chefin!“, rief Eddie salutierend, während Anne nachdenklich nickte. „Der Fingerabdruck auf der Münze stammt nicht vom Opfer“, erklärte sie entmutigt. „OK!“, Magda sah sie aufmunternd an. „Vielleicht ist gerade dieser Fingerabdruck bald unser Durchbruch!“

Anne drehte sich achselzuckend um – „wer´s glaubt!“ Dann fiel die Tür hinter den beiden ins Schloss.











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