Читать книгу Kurschattenwalzer - Birgid Windisch - Страница 5
D R E I
ОглавлениеDas Geschöpf saß am Küchentisch, wo es sein stilles Mahl verzehrte. Akkurat zerteilte es eine Fleischtomate in acht gleichgroße Stücke. Das Messer glitt durch die Tomate wie durch Butter und es freute sich daran, wie mühelos das Schneiden ging. „Es liegt wirklich wunderbar in der Hand“, brummte es dabei leise und betrachtete den schwarzen, Kunststoffgriff schmunzelnd. Dabei fielen ihm verschiedene Möglichkeiten ein, wie es die Tauglichkeit an anderen Materialien testen konnte. Lebenden Materialien, dachte es, in sich hineingrinsend.
„Wen nehmen wir denn als nächstes dran?“ Es drehte sich zu dem leeren Vogelkäfig, in dem eine Wellensittichattrappe hing, die es in einsamen Stunden gebastelt hatte. Es runzelte die Stirn und dachte unwillkürlich: Es wird Zeit, dass ich mir wieder ein Tier zulege!
Dann schüttelte es entschlossen den Kopf. Nein, ein Tier machte zu viel Arbeit und Umstände. Es musste unabhängig sein und bleiben. Seine Aufgabe war zu wichtig, es konnte sie nicht gefährden, indem es sich ein Lebewesen aufhalste. Außerdem waren hier schon genug, die es brauchten und für die es sich verantwortlich fühlte. Nein, seine Berufung war die Jagd, die Jagd auf schlechte Menschen, die es nicht verdient hatten, zu leben!
Dann nahm es ein altes, zerfleddertes Heft in die Hand und schlug es ungeduldig auf. Es schürzte nachdenklich die Lippen und betrachtete die dick unterstrichene Überschrift: Verdorbene Kurschatten-Subjekte
Es nahm einen dicken, schwarzen Filzstift und strich das Bild des gutaussehenden Mannes auf der ersten Seite fröhlich durch. Nicht zu glauben, dass der alte Kauz einmal so gut ausgesehen hatte. Das Leben ging nicht immer gut mit den Menschen um. Zum Glück musste er es nun nicht mehr ertragen! Es lachte verächtlich, dann blätterte es langsam um und ließ die Augen auf einem blonden, zierlichen Jüngling in legerer Freizeitkleidung ruhen, während es gleichzeitig vorsichtig mit dem Zeigefinger der linken Hand über die scharfe Klinge des Messers in seiner Rechten strich.