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KLAUS Ich und die Christenmenschen

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Ich war nicht sensibel wie die anderen; trotzdem wunderte ich mich über das Grün: die Grün-Töne.

Erdbraune Steige liefen über den Hang hinter dem Stall, die Kühe gingen immer die ausgetretenen Pfade.

Ähnlichkeiten fielen mir auf, die Äste zum Beispiel, die wie Blattnerven verzweigten, die Blätter, die die Silhouette der Bäume wiederholten, die Felsen am Rand der Weide, die den zerklüfteten Gipfel nachzeichneten.

Die Augen der Schwestern und Brüder, wie sie mich an die Augen notorischer Sinnsucher erinnerten.

Ich könnte Gras über mich wachsen lassen oder losziehen, da wäre nur kleines Bedauern, und ein Ritual, selbstverständlich ein Ritual, darauf bestünden die Brüder und Schwestern (im Kreis bewegten sie sich und jeder legte eine Blume an den Platz vorm Haus, an dem ich gerne stand).

Vielleicht war es die Ähnlichkeit, die stach wie Hafer, die Brüder und Schwestern breiteten zwickzwack Gedankenspielchen aus am Tisch vor dem Haus, die das Heilige auf den Plan riefen und zugleich den lieben Christengott abmontierten.

Ich schwieg, wenn die Brüder und Schwestern so lebhaft an der Sinnkonstruktion feilten, warf höchstens ein, dass sie den lieben Gott einfach sein lassen könnten, den die wehrhaften Christenmenschen drei Kilometer entfernt ehrten.

Die Brüder und Schwestern legten die Hand an Baumstämme, hielten inne vor der Wiese, sahen elendslang in den Himmel und erzählten von ihren Gefühlen (die jenen von Bekehrten ähnelten; zugegeben, von Bekehrten, wie ich sie mir vorstellte).

Ich hatte den Ginthof als Wohnsitz gemeldet und bekam reichlich Post, vom Anwalt, vom Gericht und den geschädigten Darlehensgebern.

Ich ging mit Maja oft die ausgeschwemmte Straße zum Briefkasten hoch; manchmal legte sie ihre Hand in meine, was mich seltsam erschütterte, sonst nahm alles Maß am Scheitern: meine Arbeit, mein Nichtstun, meine Gedanken.

Die Eindringlichkeit, mit der der Herr im Ornat vorne sprach, wurde rot wie die Eindringlichkeit meiner Gedanken, ich dichtete den heiligen Frauen am Altar vorn Vulvas an, ich stellte einen Zusammenhang zwischen FACE und VULVA her.

Der Herr im Ornat war an Zahlen interessiert, besonders an der Zahl Sieben, die in der Verbindung von Geistigem und Materiellem auf die Vollendung verweise (was Wunder, sagte der Herr im Ornat, dass es sieben Erzengel, sieben Siegel, sieben Wochentage gibt).

Während der Herr im Ornat von Vollendung sprach, dachte ich an die sieben Jahre, in denen mein Einkommen abgeschöpft würde.

Der Herr im Ornat liebte Fragen, auf die er selbst Antwort gab, was aufgrund des Mangels an Logik doch einigen Aufwands bedurfte.

Die Menschen in den Kirchenbänken schienen sich im Unverstand spüren zu wollen; als ich das dachte, stieg es heiß in mir auf, weil ich ja Ähnliches getan hatte.

Die Christenmenschen schauten auf zu einem Vater-Gott, der sich im Spagat zwischen Allmacht und Allgüte dauernd verrenken musste, etwas, das meinem Vater nie passieren würde, weil Güte keine Kategorie für ihn ist.

Ich hatte die Bezeichnung Consulter verwendet, weil Anglizismen meinen Vater ärgerten.

Das Leiden auf den Bildern schien im Verhältnis zur Erlösung interessant, sonst gab es kein Argument für die Pfeile im Fleisch, den Körper am Kreuz, die abgezogene Haut als sadomasochistische Lust.

Allen außer mir schien klar, dass der Leib Christi genutzt werden musste; aber was tat ich zu meiner Erlösung?

Der Herr im Ornat verstand viel von Verkaufsmarketing – als hätte er bei mir ein Training absolviert.

Der Privatkonkurs meines Freundes spießte sich in den Gedächtniskanälen – ich kann es nicht ungeschehen machen, Max, auch nicht, dass Emma dich verlassen hat, ich kann mich nur umbringen, Max.

Ich werde wohl mittellos bleiben: auch wenn die Herren, die mich betrogen haben, verurteilt würden, müsste ich mein Investment zivilrechtlich einklagen, was ohne Kohle illusorisch ist.

Wir scharrten im Schweigen: die, die ich geschädigt hatte, die, die mich geschädigt hatten, eine unheimliche Stille nach dem Gezwitscher, als wir gut Freund waren und nach dem Gezerre, als der Flop sich abzuzeichnen begann.

Vielleicht blühte das Leben anders in Maja, weil es um seine kurze Spanne wusste, gerne hätte ich mein Leben für ihres gegeben.

Vielleicht ging ich nicht ungern zum Gottesdienst, weil ich geglaubt hatte wie diese eingefleischten Christenmenschen; die Inbrunst hatte Flügel und Bilder wachsen lassen: ich hatte sehen können, woran ich glaubte.

Wie kommt ein Gott, wie kommt die Gier ins Fleisch?

Wenn die Projekte scheitern, Max, dann deswegen, weil wir zu wenig glauben, weil DU zu wenig glaubst, Max, mit irrationalen Argumenten hatte ich ihn bei der Stange gehalten.

Über Max’ Argumente hatte ich eine Folie gezogen, sie erreichten mich nicht, selbst wenn er mit mir schrie, du lässt dich mit fadenscheinigen Typen ein, Klaus, und faselst von Vertrauen; du hast Betrügern mein Geld hingetragen.

Im Gotteshaus stellte ich mich neben die Frau mit schütterem Haar, der man die Tassen aus dem Schrank genommen hatte (vielleicht auch waren von Haus aus wenige drin oder sie hatte sie selber herausgeräumt), die Frau war versunken, irgendwie hingegeben.

Der Frau gebührte, wenn man denn metaphysisch grasen will, der Ornat – was schon bedeuteten die aufgemotzten Mythen neben der Stille, die sie umgab.

Ich hätte weinen können über die Anstrengung, mit der die Christenmenschen ihrem Gott zu dienen suchten, weil meine Anstrengung der ihren nicht unähnlich war, nur meine Gier erbärmlicher.

Die abgearbeiteten Männerhände, die sich störrisch gegen das Gefaltet-Werden krümmten, taten meiner Seele gut, ohne dass ich hätte sagen können, warum.

Ich hatte mir das Glauben abgewöhnt, ich hielt mich an Vorgaben, die besagten, dass ich den pfändbaren Teil meines Einkommens abzutreten und vom Existenzminimum zu leben hatte.

Ich ahnte, dass die akkurat betenden Frauen das Potential zu Gespielinnen hätten, sie brauchten nur einen Rahmen, der ähnlich Sicherheit böte wie dieses Kirchenschiff.

Ich freute mich auf den Augenblick, als der Herr im Ornat seinem Gott das Blut des Sohnes darzubringen begann, damit er gnädig sei und Nachsicht walten lasse mit den Sündern und den Sünderinnen, die in den Bänken knieten, die mythische Abreibung tat einfach gut.

Die Frauen würden den Männern die Praktiken schmackhaft machen, die sie mit mir entwickelten, eine diskrete Form der Missionierung.

Herr, ich bin dein Eigentum, dein ist ja mein Leben, sangen die Menschen und wurden von mächtigen Orgeltönen geführt.

Vielleicht ist es der Christen-Gott eines Tages leid, sich permanent Sadismus nachsagen zu lassen und lässt die Altäre verschwinden, zerspringen, was auch immer, hübscher neuer Mythos.

Auf dem Seitenaltar standen Pflanzen mit gezackten Blättern: Unterseite rot.

Nicht nur die Brüder und Schwestern auf dem Ginthof, auch die Christenmenschen brandeten ihre Strategien mit dem Wort heilig, marketingtechnisch keine schlechte Idee.

Glaubt man am Unsinn und an den Widersprüchen vorbei, oder sind Unsinn und Widersprüche die Bedingung fürs Glauben?

AB, nur eine Silbe trennt schöpfen von abschöpfen und steigen von absteigen.

Es geilte ein wenig auf: die drallen Wangen, die auf dralle Pobacken schließen ließen; die Wirtin wäre keine schlechte Gespielin.

Gnade war ein anderes Wort für Willkür, du bist drauß’ und du bist drauß’, und Gnade schütt ich heute über den links außen aus und über Klaus, so ähnlich schien es zu laufen.

Keine der Figuren auf den Altären und keine der Frauen in den Bänken hatte sinnliche Lippen, bis auf die Brünette aus der zweiten Reihe, die mit einem Körbchen von Bank zu Bank ging, das Opfergeld abzusammeln.

Ob man Erlösung bei den Ahnen oder in den Gräschen, im Nichts oder beim lieben Christengott sucht, alles ist weniger durch den Wind als Erlösung im Profit zu suchen.

Anfangs begriff ich nicht, dass die Christenmenschen die Reihen dichtmachten, weil ich Wörter hineintrug, die mehr zu wissen vorgaben als ihre Wörter.

Ich begann zu streunen, ging morgens weg und kehrte abends zurück, ohne mit Sinn-Erzählungen aufwarten zu können wie die Brüder und Schwestern; hätte ich sagen sollen, ich suche die Frauen?

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