Читать книгу Die vergessenen Siedler - Birgit Scheele - Страница 7
Das Ritual
ОглавлениеDie kleine Holzhütte ächzte bedrohlich bei jeder Sturmböe. Alles in Eske schrie danach, nach Hause zugehen. Sie müsste eigentlich in der Siedlung anwesend sein, um zu bestimmen, wer welche Aufgaben zu erledigen hatte. Dafür war es nun eh zu spät. Sie hatte alles unterschätzt. Leider hatte sie auch sich überschätzt. Mittlerweile hämmerten die Schmerzen in ihre Schläfe, ähnlich wie ein Schmied, der auf sein Metall einschlug. Es blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste hier an diesem unheimlichen Ort abwarten, bis Thunar weitergezogen war und die Schmerzen nachließen.
Diese elende Hütte klapperte im Sturm, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, komisch nur, das der alte Einsiedler ganz gelassen blieb. Mit einem leisen Grummeln entzündete er das Feuer erneut.
>>Wieso bist du ausgerechnet heute, zu so einer späten Stunde, in das Moor gegangen?<<, hakte er skeptisch nach, wobei er wie die Ruhe selbst wirkte.
Gelassen schlürfte er zu einem Regal auf dem verschiedene Gefäße mit getrockneten und gemahlenen Kräutern standen. Langsam nahm er sich einige Zutaten und wackelte zu einem kleinen unscheinbaren Holztisch. Er bereitete ihr gerade einen Trank zu.
Eske schaute ihm misstrauisch dabei zu. Aber sie hatte es ja so gewollt. Seine ausgeglichene Art übertrug sich auf sie. Ihre Furcht vor ihm und dem Gewitter legte sich. Ja, sie fühlte sich mittlerweile richtig geborgen. Trotzdem war es ihr unangenehm, ihm von ihren Schmerzen zu erzählen. Diese Anfälle brachten ihr immer nur Ärger und Spott ein, wieso sollte er darauf anders reagieren? Eske seufzte und sah nach draußen in das finstere Moor.
>>Manchmal schleiche ich mich alleine in das Moor, um eine bestimmte Pflanze zu sammeln. Ich brauche Huflattich, sie wirkt gut gegen meine… Beschwerden, die ich ab und an habe. Das ein Gewitter aufzieht…? Ja, natürlich habe ich das gehört und ich hatte gehofft, es lässt sich noch ein bisschen Zeit<< ,erklärte Eske ehrlich und mit leiser, ruhiger Stimme, >>mein Mann ritt mit seinem Sohn zur alten Festung Fabiranum. Ich bin gerne ab und an alleine hier und genieße diese Ruhe. Arnodd, mein Mann, sieht es nicht gerne, wenn ich alleine die Fallward verlasse. Ich nutze für solche Ausflüge immer die Zeiten, wenn er fort ist.<<
Eine unheimliche Stille breitete sich in der Kate aus, der Donner verebbte und der Regen ließ endlich nach. Gebannt starrte sie in das finstere Moor hinein. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Es war ruhig. Er war zu ruhig. Sie wandte ihren Blick von dem grausigen Moor ab, da stand er plötzlich direkt vor ihr. Erschrocken sprang sie auf und stolperte rücklings über ihren Hocker. Gerade noch rechtzeitig fing sie den Sturz ab und krallte sich an einen Holzbalken fest.
Ausdruckslos sah er sie an und ging langsam auf sie zu. Sein Blick schien sie förmlich aufzuspießen. Seine Arme hatte er hinter seinen Rücken verschränkt.
>>Vielleicht macht sich Arnodd ja zu Recht Sorgen.<<
Unsicher wich Eske einen Schritt zurück. Hatte sie sich so stark getäuscht? Das schöne geborgene Gefühl war schlagartig verschwunden. Alles um sie herum wirkte finster und bedrohlich und schien sie förmlich zu erdrücken. Langsam wich sie vor ihm zurück.
Er folgte ihr und hielt ihr plötzlich einen Becher mit einem duftenden Kräutertee unter die Nase.
>>Hier dein Trank!<<
Er lachte amüsiert und drückte ihr den Becher in ihre Hände.
Eske wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Peinlich berührt nahm sie ihren Heiltrank entgegen.
>>Danke<<, bemerkte sie verlegen. Er klopfte ihr auf die Schulter, während er amüsiert an ihr vorbei schlich.
>>Komm, ich zeige dir meinen kleinen Ritualplatz.<<
Er entzündete eine Fackel an seiner Feuerstelle und winkte sie zu sich, damit sie ihm nach draußen folgte.
Noch nie war Eske zu so einer späten Stunde in den Mooren unterwegs gewesen. Noch nie war sie so weit hineingegangen. Die Birkenbäume wirkten auf sie wie unheimliche Wesen, die jederzeit bereit waren, Menschen zu packen, um sie in den Sumpf zu ziehen. Knöcheltief versanken ihre Füße in den kalten moorigen Boden. Eine widerliche Kälte, die in jeden Knochen zog und sie zittern ließ, machte sich in ihr breit. Eine Art unsichtbares Band legte sich um ihren Hals und schnürte ihr Luft ab.
In Gedanken rief sie sich zur Vernunft. Er kannte die Wege und auch ihr war das Moor nicht fremd. Allerdings trug er nichts zum Schutz gegen die Moorgeister. Eske kräuselte die Stirn. Hatte er so ein Vertrauen in seine Schutzgeister oder machte er mit den Moorgeistern doch gemeinsame Sache?
Eske legte ihre Arme um den Bauch, um sich zu beruhigen. Achtsam konzentrierte sie sich auf ihre Umgebung. Sie fühlte die kühle Nachtluft auf ihrer Haut und aus den Bäumen hörte sie einige Krähen rufen. Der Sturm hatte sich gelegt und ein kühler Wind wehte ihr durch das Haar. Die letzten Regenwolken verzogen sich, während der Mond langsam im Osten aufging und sein kaltes Licht auf die Moorpfade warf. Zu zweit war es im Moor gar nicht mehr so unheimlich.
Wie hatte es der Alte all die Jahre geschafft, hier ganz alleine zu überleben? Bestimmt nicht nur, indem er seine Ton- und Holzarbeiten gegen Nahrung eintauschte. Sie hatte bisher von niemanden gehört, dass auch nur ein Chauke mit dem alten Kauz gehandelt hatte. Gut, möglicherweise wollte das auch keiner offen zugeben. Anderseits ging sie das alles auch nichts an. Es war sein Leben und sie hatte ihre eigenen Sorgen und Probleme, um die sie sich kümmern musste.
Eske fröstelte und nippte vorsichtig an dem dampfenden Kräutertee. Viele Jahre lebte er hier in der Marsch und viele Gerüchte gab es um den Fremden. War er wirklich der alte Gaius, dessen Hütte vor zwanzig Jahren abgebrannt war oder war er nur ein Fremder, der sich hier breit machte? Eske nahm ihren Mut zusammen und atmete auf.
>>Du sagtest, du besitzt viele Namen. Wer bist du wirklich<<
Er blieb sofort stehen und drehte sich zu ihr um. Der Feuerschein seiner Fackel leuchtete ihr direkt in die Augen und ließ sie blinzeln.
>>Warum möchtest du das wissen? Damit ihr wieder neue Gerüchte über mich verbreiten könnt?!<<
Er schnaubte vor Wut und funkelte sie an.
Eske sah ihn sofort aufgebracht an und hob beschwichtigend ihre Hände.
>>Daran war ich nie beteiligt. Es war Beeke, die diese Geschichten verbreitete und erfand. Das macht sie gerne, wenn sie jemanden nicht leiden kann. Dummerweise ist sie die Schwester von Arnodd und er ist da ein wenig schwerhörig. Nach außen ist sie stets freundlich und höflich und hinterm Rücken wird dann getratscht!<<, erklärte sie eifrig und fuhr fort, >>ich habe immer ein gutes Wort für dich eingelegt. Nie habe ich dich und deine Heilkunst in Verbindung mit Schadzauber gebracht! Arnodd gibt auf diese Geschichten nicht viel. Er hat andere Sorgen und er hält das für Weiberkram. Er hat dich nur fortgeschickt, weil es die anderen so Siedler wollten.<<
Er seufzte tief und ging mit ihr zu seinem Ritualplatz.
>>Was denkst du denn, wer oder...was..ich wirklich bin?<<
>>hm?<<
Eske atmete tief durch und fuhr sich nachdenklich mit ihrem Finger durch ihre nassen Haare.
>>Ich denke, wie die meisten Siedler, dass du irgendetwas mit dem römischen Reich zu tun hast. Du hast dort vielleicht als Söldner gedient und bist nach deiner Dienstzeit wiedergekommen. Nur erinnert sich keiner mehr an dich, da deine Sippe bereits verstorben ist. Ich vermutete, du bist ein Heilkundiger und hast nichts mit Schadzauberei zu tun. Oder...<<
Sie fasste sich an den Kopf und grinste.
>>Oder…du hast uns alle getäuscht. Du bist in Wahrheit ein Moorgeist, ein Alb oder sogar einer der Götter, die ab und an unter uns Menschen wandeln, um uns zu prüfen.<<
Er runzelte die Stirn und drehte sich kopfschüttelnd um.
>>Ihr Chauken habt alle eine blühende Fantasie<<, stellte er amüsiert fest, >>komm, es ist nicht mehr weit.<<
>>Ist doch normal, dass die Leute reden, wenn du nichts über dich erzählst!<<, protestierte Eske beinahe trotzig.
>>Ach weißt du, ich…<<, begann er genervt, >>ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass es besser ist, wenn andere Menschen nicht viel über einen Wissen. Du machst dich angreifbar, je mehr die Anderen über dich erfahren.<<
Er trat, zwischen zwei Birken hindurch, zu einer trockenen Stelle im Moor. Hier steckte er die Fackel vorsichtig in den weichen Boden und sofort erhellte der warme Fackelschein seinen kleinen Ritualplatz. Eske war sprachlos und bewunderte seine kleine Götterecke.
Hier hatte er lebensgroße Holzfiguren in einem Halbkreis vor großen und kräftigen Birkenbäumen aufgestellt. Die größte und zugleich detailreichste Figur von ihnen war Tiwaz mit einem langen Schwert, welches er fest in seiner Hand hielt und vor sich auf den Boden stützte. Tiwaz, Schutzgott der Thingversammlungen, der Gott des Krieges und des Rechts. Mahnend sah er Eske an, die bei seinem Anblick eine Gänsehaut bekam.
Ihm zur Seite stand der einäugige Woden mit seinem magischen Speer Gungnir in der Hand. Niemals verfehlte der Speer sein Ziel. Woden war der weiseste aller Götter und ein Gott der Wanderer, des Krieges und der Magie.
An Wodens Seite stand seine Gemahlin Frija, die eine Spindel in ihren Händen hielt. Die Spindel des Schicksals. Die Spindel, mit der sie den großen Schicksalsfaden spann. Frija, die große Göttin des Himmels, der Ehe und der Mutterschaft. Eske umfasste ihr Schutzamulett. Ihre Schmuckstück war dieser Göttin geweiht.
Neben Frija stand das Zwillingspaar Frey und Freyja. Zwei sanfte Gottheiten der Liebe und der Fruchtbarkeit, deren Vater Njörd schützte die Fischer und die Küstenbewohner vor dem Zorn der Meeresgötter. Die Meeresgötter waren sehr launische und furchterregende Gottheiten. Schon oft haben sie ganze Siedlung verschlugen und Schiffe zu sich auf den Meeresgrund gezogen.
>>Wunderschön. Deine Figuren wirken so echt. An unserem Ritualplatz steht nur ein einfacher Pfahlgötze. Einer, der für alle Götter steht. Du hast sogar Göttinnen hier stehen<<, staunte Eske begeistert.
Langsam ging sie auf die Figuren zu, um sie sich näher anzusehen und sofort fiel ihr auf, dass ein wichtiger Gott fehlte.
>>Thunar fehlt. Ausgerechnet Thunar, unser Wetter- und Fruchtbarkeitsgott!<<, merkte sie amüsiert an.
>>Stimmt…. Aber der ist schon in Arbeit<<, schmunzelte er ertappt und räusperte sich, >>freut mich, dass sie dir gefallen.<<
Er trat neben sie und legte vorsichtig seine Hand auf ihre Schulter.
>>Warum möchtest du noch ein Kind? Und warum ausgerechnet eine Tochter?<<, hackte er behutsam nach. >>Sie wird deine Kleine nicht ersetzen können.<<
Eske seufzte und setzte sich erschöpft auf den Boden. Sie war eh nass und hatte so ein merkwürdiges ekeliges Gefühl im Bauch. Ihr war übel. Der Tee hatte ihren Magen zwar ein bisschen beruhigen können, aber nun kam die Übelkeit zurück, stärker als zuvor. Vorsichtig stellte sie ihren Becher auf den Boden neben sich ab.
Was sollte sie darauf erwidern? Ehrlich sein und sagen, dass sie nie den Tod ihrer Kleinen verarbeitet hatte? Es war ihr bewusst, dass sie nicht zurückkommen konnte und doch fühlte sich das Haus so leer an, ohne sie. In ihr erwachten schrecklichen Erinnerungen von den Tag, an dem sie ihre Kleine verlor. Sie fühlte, wie sich ihr Bauch stärker verkrampfte, wie sich ein starker Kloß im Hals formte. Die Aufregung verstärkte ihre Schmerzen in der Schläfe. Plötzlich wurde ihr Arm taub. Sie zitterte vor Panik und gleichzeitig hasste sie sich dafür. Ständig streikte ihr Körper.
>>Das geht dich nichts an!<<
Im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, die Schmerzen vor den anderen Siedlern zu verbergen. Immer schob sie eine andere Unpässlichkeit vor. Sie konnte einfach keine dummen Sprüche über ihre Anfälle mehr ertragen. Eske sah zu der Göttin Frija auf und glaubte, dass diese sie mitfühlend ansah. Dieser Anfall war heftiger als die bisherigen. Es war ihr unangenehm, dass er sie in so einem elenden Zustand sah.
>>Fühlst du dich nicht wohl?<<
Er setzte sich zu ihr und nahm vorsichtig ihre Hand.
>>Du siehst blass aus<< , merkte er besorgt an.
>>Es… ist alles in Ordnung…<<, log sie schnell und zog ihre Hand weg.
Er kratzte sich kurz am Kopf.
>>hmm, wenn du meinst...<<, erwiderte er gleichgültig, >>dir ist klar, dass die Götter einen hohen Preis verlangen, wenn sie Leben geben sollen. Ist dir das wirklich wert? Denkst du, ein kleines Mädchen kann dich trösten und alte Wunden heilen lassen?<<
Eske wandte ihren Blick von ihm ab und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie schluckte. Sie konnte darüber nicht reden. Mit niemanden, selbst mit Arnodd nicht.
>>Und wenn dir deine Beschwerden das Leben so schwer machen, bitte doch die Götter dir die Krankheit zu nehmen. Aber neues Leben<<, merkte er skeptisch an.
Eske starrte ihn fassungslos an. Unbewusst ballte sie aus Wut ihre Hände zu einer Faust. Es reichte ihr!
>>Was denkst du denn, was ich all die Jahre getan habe? Ich habe alles versucht um diesen Mist loszuwerden. Alles! Seit meiner Kindheit leide ich darunter. Nichts hilft dagegen!<<, fuhr sie ihn wütend an, >>lass mich einfach allein!<<, bat sie ihn in einem harten Tonfall, der kein Widerspruch zu ließ. Eske ahnte nicht, dass sie diese Bitte noch bereuen würde.
Er überlegte kurz, aber dann nickte er und stand auf. Er wusste, wie stur die Chauken sein könnten. Sollte sie doch alleine im Moor bleiben.
>>Na schön, dann lass ich dich jetzt alleine.<<
Er ließ sich von ihrem Wutausbruch nicht aus der Ruhe bringen und deutete auf den Trank.
>>Am besten trinkst du es nach deinem Ritual. In dem Trank sind Kräuter, die helfen ein Kind zu empfangen. Frauenkraut, hauptsächlich. Und noch Schafgarbe, Storchschnabelkraut und Blätter der Hintperi. Das Ganze ist mit Honigwein verfeinert.<<
Langsam stand er auf und wandte sich von ihr und seinen kleinen Ritualplatz ab.
>>Übrigens mein wahrer Name ist Grimnir. Gaius hat sich einer von euch ausgedacht.<<
Eske horchte auf und drehte sich schnell zu ihm um. Er war verschwunden. Es gab keine Spur mehr von ihm, rein gar nichts deutete daraufhin, dass er gerade noch hinter ihr gestanden hatte. Schnell stand sie auf und sah sich um.
Sie lauschte gespannt, aber er war so schnell verschwunden, als habe ihn das Moor verschluckt.
Nun war sie allein in dem dunklen Moor und den Geistern schutzlos ausgeliefert. Warum nur hatte sie ihn weggeschickt?! Noch nie war sie alleine so tief im Moor gewesen. Sie sah zu den Figuren und schloss ihre Augen. Sie dürfte auf keinen Fall in Angst geraten. Die Übelkeit verschlimmerte sich und schnürte ihr den Hals zu. Das Gefühl in ihrem Arm kehrte zurück. Sie besann sich auf ihren Atem. Langsam durch die Nase ein und durch den Mund ausatmen. Sie fühlte, wie sich ihr Herz beruhigte und sich ihre Angst legte. Was für ein magischer Ort! Ihre Angst war hier einfach verschwunden! Vorsichtig umfasste sie ihr Amulett, schloss langsam ihre Augen und kniete sich vor den Figuren in den Schlamm. Leise und flüsternd rief sie die Göttin an.
>>Göttin Frija, Gemahlin des Woden, Mutter des Lichtgottes Balder, Hüterin der Spindel des Schicksals, Schutzgöttin der Ehe und aller Mütter, nimm mein Opfer an und segne diesen Heiltrank. Gewähre mir meine Bitte nach einer Tochter!<<
Sorgsam nahm Eske das goldene Amulett von ihrem Hals. Seit vielen Generationen war das Schmuckstück in ihrem Familienbesitz und wurde an die erstgeborene Tochter weitergereicht. Schutzrunen waren auf ihm eingearbeitet und auf einer Seite des Amulettes war das Bildnis von Wodens achtbeinigen Pferd Sleipnir eingearbeitet.
Vorsichtig strich sie mit ihrem Finger über die Runen und seufzte. Es fiel ihr verdammt schwer dieses Amulett den Göttern zu überlassen. Viele schöne Erinnerungen hingen an ihm. Die Kette war für sie wie ein Bindeglied zu ihren Ahnen! Sie hatte natürlich mehrere kostbare Schmuckstücke zu Hause in einer Truhe, aber keines war für sie so wertvoll, wie ihr altes Familienstück.
Schweren Herzens, warf sie es fort und binnen Augenblicke versank das Amulett im Moor. Ein sanfter Wind wehte durch ihr nasses rötliches Haar, während sie den Becher mit dem Kräutertrank in ihre Hände nahm. Der Geruch der Kräuter widerte sie an und für einen kurzen Moment hatte sie Sorgen, dass der Heiltrank nicht lange drinnen blieb. Sie hielt sich mit einer Hand die Nase zu und mühsam würgte sie den bitteren Kräutertrank hinunter.
Ihr Magen krampfte. Eske hielt sich die Hand vor dem Mund und kämpfte gegen den Würgereiz an. Plötzlich wurde ihr schwindelig und ihr Herz stolperte. Sie konnte nicht mehr. Eske wollte und musste dringend nach Hause!
Sie ließ den Becher fallen und griff nach der Fackel. Doch sofort spürte sie einen starken Schmerz im Kopf, so stark, als würde ihr jemand einen Dolch in den Schädel rammen. Sie hielt sich ihre Hand an die Stelle und verzog vor Schmerz das Gesicht. Panik stieg in ihr auf. Ihr ganzes Leben hatte sie Angst gehabt, dass dieser Mist außerhalb ihres Zuhauses auftreten könnte. Nur zu Hause konnte sie sich zurückziehen und sich in ihr gemütliches Bett legen. Dort konnte sie sich Tränke machen, die ihr Leiden linderten. Nasse Tücher auf ihre Stirn legen. Hier draußen war sie den Anfällen hilflos ausgeliefert!
Oder war es doch ein Gift? Wollte der alte Gaius, Grimnir, oder wie auch immer er sich nannte, sie aus Rache vergiften, weil er nicht in die Gemeinschaft aufgenommen worden war? Alles drehte sich. Benommen hielt sich Eske an einer Birke fest. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn. Ihre zitternden Hände umklammerten verzweifelt einen starken Ast einer Birke. Der Schmerz hatte sich mittlerweile auf den gesamten Kopf ausgebreitet und zog zu ihrem Nacken runter. Ihr Herz raste. Trotzdem wollte sie versuchen weiterzugehen. Der Schwindel war viel zu stark geworden und zwang sie immer wieder zu Boden. Es drehte sich alles um sie herum und die quälende Übelkeit breitete sich bis zum Hals aus. Es hatte keinen Sinn, so konnte sie weder Fallward, noch die Kate erreichen.
Es war Gift! Sie würde sterben, hier in diesem fauligen Moor!
Eske gab sich ihrem Schicksal hin und ließ sich auf den kalten Boden sinken. Sie dachte an ihre Familie, an die glücklichen vergangenen Tage und schloss langsam ihre erschöpften Augen, während sie zitternd ihren Arm zu Frijas Figur ausstreckte.
>Hilf mir<, flüsterte sie, bevor sie zusammenbrach.