Читать книгу Die vergessenen Siedler - Birgit Scheele - Страница 9

Nachts im Moor

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Das laute Knacken eines Astes weckte Eske langsam auf. Im Moor war es stockdunkel und dicke Wolken verdeckten den Nachthimmel. Ein beißender Fäulnisgestank kroch in ihre Nase und ließ sie fast würgen.

Vorsichtig setzte sie sich auf und rieb sich müde den Kopf. Leichte Kopfschmerzen waren ihr noch geblieben, aber zum Glück war ihr nicht mehr schwindelig und auch die Übelkeit war endlich abgeklungen. Seit ihrer Kindheit hatte sie die Götter gebeten, sie regelrecht angefleht, dieses Leiden von ihr zu nehmen. Doch kein Opfer, egal wie wertvoll es auch war, hatte die Götter veranlasst, ihr diesen Fluch zu nehmen. Irgendwann hatte sie sich damit abgefunden, aber leider nicht ihre Gemeinschaft. Ihr Vater hatte sein ganzes Leben lang mit demselben Schicksal zu kämpfen gehabt. Was hatten ihre Ahnen nur verbrochen, um so geprüft zu werden? Eine Antwort auf diese Frage würde sie wahrlich wohl nie erhalten.

Eske rieb sich die Stirn. Noch immer fühlte sie sich entsetzlich schwach und bei jeder Bewegung durchzog ein starker Schmerz ihren Kopf, der nur langsam wieder verebbte. Vorsichtig griff sie nach einem sehr stabilen Birkenast und zog sich daran hoch. Kurz kam der Schwindel zurück und es schmerzte für einen Augenblick so stark, als wenn jemand ein Messer in ihren Kopf rammte und ließ sie schwanken.

Ja, eigentlich brauchte sie noch Ruhe. Aber nicht hier im Moder. Sie wollte nur noch nach Hause und in ihr wohlverdientes Bett kriechen. Ihre Augen hatten sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt, so konnte sie wenigstens wage ihre Umgebung und die Moorpfade erkennen.

Wenn da Pfade gewesen wären!

Verwirrt sah sich Eske in allen Richtungen um. Die großen Götterfiguren waren ebenfalls verschwunden. Sie fühlte, wie Angst in ihr aufstieg und ihr den Hals zuschnürte. Egal in welche Richtung sie auch schaute, es sah alles so verdammt gleich aus. Diese schwarze Wand um sie herum schien näher zu kommen. Ihr war bewusst, dass irgendetwas hier nicht stimmte. Dieser komische alte Kauz konnte unmöglich in der kurzen Zeit all die Figuren weggeschafft haben. Oder hatte er sie etwa zu einer anderen Stelle verschleppt? Nur aus welchem Grund?

Eske zweifelte an ihrem Verstand. Sie war sich nicht mehr sicher, was sie wirklich erlebt oder ob sie alles nur geträumt hatte. Das machte ihr Angst. Das naheliegendste war, dass sie auf dem Weg ins Moor umgefallen war und nun die Orientierung verloren hatte. Bei dem Sturz muss sie ihr goldenes Amulett verloren haben.

Als sie spürte, wie ihre Anspannung nachließ, wagte sie einen Blick in den Himmel. Zwar bedeckten noch immer dicke Wolken die Sterne, aber sie konnte auch erkennen, dass es langsam heller wurde. Leider konnte sie durch die großen Bäume den Horizont nicht erkennen und nur ungefähr erahnen, wo der Osten liegen könnte.

Osten… Wenn sie nun einfach in die entgegengesetzte Richtung lief, müsste sie irgendwann die Marsch erreichen. Eske tastete auf dem feuchten Boden nach ihrer Kette, doch von der fehlte weiterhin jede Spur. Sie fasst sich an ihrem Kopf, ihre Hand verkrampfte sich. War das alles doch kein Traum gewesen?

Sie fluchte innerlich. Gerade jetzt brauchte sie ihre Schutzkette mehr denn je. Kein Mensch betrat das Moor ohne Schutzamulett. Im Moor hausten viel zu viele Geister, die mit Sicherheit nicht alle gutmütig gestimmt waren.

Kurz überlegte sie, ob es nicht besser wäre, hier zu warten bis die Sonne aufging, doch sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Es war viel zu riskant noch länger alleine hier zu bleiben, denn in der Ferne sah sie bereits die ersten Geister aufleuchten. Aus Erfahrung wusste sie, dass diese Wesenheiten an der Stelle blieben, wo sie auftauchten. Sie durfte nur nicht den Fehler machen und zu ihnen gehen. Es waren böse Geister, die Menschen in die Irre führten und sie zu den Stellen lockten, die sehr sumpfig war. Folgten Menschen diesen Erscheinungen, waren sie für immer im Moor verloren. Vielleicht sollte sie doch lieber hier warten. Hier hatte sie wenigstens festen Boden unter den Füßen.

Vorsichtig setzte sie sich hin und lehnte sich an einem Birkenstamm. Sie zitterte vor Kälte. Aus ihrer kleinen Tasche, die an ihrem Ledergürtel befestigt war, holte sie ihren Feuerstein hervor und betrachte ihn für eine Weile von allen Seiten. Einfach nur, damit sie etwas in ihren Händen hatte, um besser überlegen zu können. Das feuchte Wetter ließ eh nicht zu, dass sie sich hier ein Feuer entzünden konnte.

Vielleicht sollte sie doch aufbrechen, sich vorsichtig vortasten, bevor sie hier noch elendig erfror. Im Moor gab es genug Birken und Sträucher, an denen sie sich halten konnte und beim Laufen wurde ihr wenigstens warm.

Entschlossen machte sie ihren ersten Schritt gen Westen und hielt sich dabei gut an einem dünnen Baumstamm fest. Dichte Gräser und Sträucher versperrten ihr den Weg. Ein falscher Schritt und sie könnte so tief einsinken, dass sie ohne Hilfe nur schwer aus dem Sumpf kam.

Behutsam ging sie immer weiter voran und probierte vorher aus, an welcher Stelle der Boden fest genug war, um sie zu tragen. Oft blieb sie mit ihrem Umhang und dem Wollkleid an den Sträuchern hängen. Häufig musste sie kurz ihren Pfad ändern, wenn der Boden zu moorig wurde.

Obwohl sie sich bereits eine gefühlte Ewigkeit durch die Sümpfe gekämpft hatte, dieses Moor schien einfach kein Ende zu nehmen. Ihr Zeitgefühl hatte sie verloren.

Sie drehte sich immer wieder um und versuchte zu erkennen, wo es langsam heller wurde, doch durch die vielen hohen Birken war es unmöglich den Osten zu finden. Sie durfte nicht von der Richtung abkommen. Eske blieb stehen. Das hatte alles keinen Sinn mehr. Nachher lief sie noch tiefer in das Moor hinein. Verzweiflung kroch in hier hoch. Sie wollte doch einfach nur nach Hause!

Erschöpft lehnte sie sich an einen Baum und seufzte müde. Langsam rutschte sie an dem Stamm herunter und setzte sich. Seufzend zog Eske ihre Beine an sich und umklammerte sie zitternd. Ihr war so kalt, so verdammt kalt! Musste sie sich damit abfinden, hier in diesem verfluchten Moor zu erfrieren? Sie war sich sicher, dass sie in Fallward bereits vermisst wurde. Aber Beeke wurde nachts keine Suche veranlassen, um nicht noch mehr Siedler zu gefährden.

Kraftlos und verzweifelt konnte sie nicht mehr und weinte leise. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verlassen gefühlt. Sogar von ihren Göttern fühlte sie sich im Stich gelassen.

Hunger und Durst nagten an ihr. So war es immer, wenn sie diese Attacken überstanden hatte. Alles würde sie dafür tun, nur um ein richtig fettiges Stück Fleisch verspeisen zu können. Ein schönes knusprig geröstetes Stück Schweinefleisch oder ein Stück von einem Rind. Verfeinert mit Giersch. Vielleicht auch ein saftiger Fisch. Frisch gefangen und mit Minze veredelt. Dazu ein Becher mit frischer Milch oder Bier gefüllt. Der Heißhunger wurde unerträglich und allmählich wurde ihr ganz unwohl im Magen.

Erst jetzt registrierte sie plötzlich, dass kein einziger Vogel mehr sang. Nicht ein Tier war mehr zu hören! Das war ein schlechtes Zeichen. Tiere spürten immer als Erstes, wenn irgendeine Gefahr bevorstand. Möglicherweise zog bald das nächste Unwetter auf. Vielleicht waren auch Raubtiere in der Nähe? Oder kamen die Moorgeister etwa doch näher?

Eske wischte sich ihre Augen trocken und stand langsam auf. Einen letzten Versuch noch. Sie schaute abermals zum Himmel auf und lächelte, glaubte sie doch endlich den Osten ausgemacht zu haben.

Voller Hoffnung wollte sie Richtung Westen gehen, als sie plötzlich eine Stimme, gar nicht weit von ihr entfernt, hörte. Die Stimme war nur leise, fast wie ein Flüstern und Eske zweifelte, ob sie das wirklich hörte oder sich nur einbildete. War das der Hunger, der ihren Sinnen einen Streich spielte? Aufmerksam horchte sie auf. Aber da war nichts, nur die unheimliche Stille des Moores. Ab und an tauchte in der Ferne erneut das Licht von einem der Moorgeister auf und erhellte kurz die Dunkelheit. Sie versuchte es zu ignorieren und wollte weitergehen, als sie erneut die Stimme erklang.

>>Hilf mir<<, flüsterte es im Moor.

Das war alles, aber kein Geist, dessen war sie sich sicher. Da war jemand in Not!

>>Jemand hier?!<< rief Eske, doch es war sinnlos herauszufinden, aus welcher Richtung das Flüstern kam. Im Moor hallte es zu stark zurück.

>>Hier drüben!<<

Aus dem Flüstern war plötzlich eine kräftige junge Stimme geworden.

Eske lauschte. Im Moor jemanden zu finden, war schon bei Tageslicht nicht leicht. In der Dunkelheit nahezu unmöglich. Doch das Flüstern hörte sich so nah und so vertraut an. So unheimlich vertraut. Wie die Stimme ihrer Tochter, aber das konnte unmöglich sein, sie war doch schon seit fünf Jahren tot! Vielleicht war es nur ein kleines Mädchen, die in etwa im selben Alter war? Eske schluckte. Nein, sie durfte sich nicht von den Geistern täuschen lassen. Aber was, wenn da wirklich ein junges Mädchen ihre Hilfe brauchte?

Sie kam zu dem Schluss, dass es wahrscheinlicher war, dass dort wirklich jemand in Not war, als Geister, die um Hilfe riefen.

>>Ich komme!<<, rief Eske zurück.

Sie hatte eine leise Ahnung, aus welcher Richtung die Stimme kam und sie hoffte innig, dass sie sich nicht irrte. Langsam ging sie an den Bäumen entlang und tastete sich vorsichtig vor.

Ihre Tochter konnte sie damals nicht retten. Gemeinsam mit zwei anderen Kindern aus Fallward, hatte sich Eskes Kind davon geschlichen. Es war den Kindern verboten, alleine im Watt oder gar in das Moor zugehen, aber ab einem gewissen Alter übten Verbote einen attraktiven Reiz aus. Keines der Kinder hatte diesen waghalsigen Ausflug überlebt. Möglicherweise waren sie vom Weg abgekommen. Vielleicht haben sie diesen bewusst verlassen.

Nach einem Tag intensivster Suche, hatten sie die Kindern erfroren in einem Sumpfloch aufgefunden.

Eske hielt inne und sah bedrückt zu Boden. Sie fühlte erneut die Schuldgefühle von einst, die an ihrem Geist nagten. Gemeinsam mit den anderen Eltern hatten sie sich auf die junge Halbfreie verlassen, die auf die Kinder aufpassen sollte. Sie hatten von der Frau nie erfahren, weshalb ihr die Kleinen entwischt waren. Natürlich musste sie sich dafür verantworten und Arnodd hatte nicht lange gezögert und über der Hilfskraft das Todesurteil verhängt. Damals brachte das Urteil eine Art Genugtuung. Aber das brachte die Kinder nicht zurück und Schuldgefühle nagten trotzdem nach wie vor an ihr. Sie hätte damals mit Arnodd nicht zur Feddersen Wierde reisen sollen. Dann hätte sie auf ihre Kleine und ihre Spielkameraden achten können. Nun war sie damals mit sechs Winter verstorben.

Das Flüstern des Mädchens riss Eske aus ihren düsteren Erinnerungen.

>>Es ist kalt… So verdammt kalt…<<

Sie musste ganz in der Nähe sein! Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, aber weiter als zwei Birkenbäume konnte sie nichts erkennen. Sie horchte auf. In der Nähe hörte sie, wie sich jemand versuchte aus einem Moorloch zu befreien! Vorsichtig tastete sie sich weiter und stockte. Dort hinten, nur wenige Schritte von ihr entfernt, war tatsächlich jemanden eingesunken! Eske konnte deutlich die Umrisse eines Mädchens erkennen, die bis zur Brust eingesunken war und panisch mit ihren Armen im Morast ruderte.

>>Ich bin sofort da!<<, rief Eske aufgeregt und tastete sich, so schnell es ging, weiter vor.

Die kleine Gestalt hörte sofort auf sich zu bewegen. Sie sah sich nicht nach Eske um, sondern blieb wie erstarrt stehen.

Je näher Eske kam, umso deutlicher konnte sie das Mädchen erkennen. Sie hatte schulterlanges Haar und trug, wie Eske, einen Umhang aus Wollstoff. Die Kleine war komplett mit Moor bedeckt und je näher Eske dem Schlammloch kam, umso ekliger roch es nach Fäulnis. Warum wusste die Kleine nicht, dass sie die Stellen, die besonders stanken, vermeiden musste?

Das war doch stets die erste Lektion, die Eltern ihren Kindern beibrachten. Was hatte die Kleine überhaupt hier zu suchen? Vielleicht musste sie eine Mutprobe machen?

>>Halte durch!<< ,forderte Eske eindringlich, während sie näher kam.

Plötzlich streckte das Mädchen ihren Arm zur Seite aus. Dreck aus dem Sumpf rann von ihrem Ärmel und tropfte lautlos in das Moor zurück. Die Kleine hielt regungslos ihren Kopf gesenkt. Nicht ein Geräusch war mehr zu hören, nicht ein Laut hallte im Moor.

Eske achtete nicht auf ihre Umgebung. Sie wollte nur der Kleinen helfen. Mit einer Hand hielt sie sich an einer Birke fest und mit der anderen versuchte sie die Hand des Mädchens zu erreichen. Sie schaffte es nicht, so ließ sie die Birke los und rutschte vorsichtig näher zu der Kleinen heran.

>>Ich habe dich gleich!<<

Es war verdammt rutschig und die Gefahr war groß, dass sie ebenfalls in den Morast hinein fiel. Endlich gelang es Eske die Hand der Kleinen zupacken.

Schlagartig sah das Mädchen sie an und krallte sich an Eskes Arm fest.

>>Mörderin!<<, fauchte ihr das Mädchen entgegen und zog ruckartig an Eskes Hand.

Diese erschrak und wurd mit dem Ruck in das dunkle Moor gezogen. Das Mädchen lachte finster und löste sich augenblicklich ins Nichts auf.

Eske bekam Todesangst. Sie wusste, sie konnte im Moor nicht versinken, dennoch war es verdammt kalt und schwer sich aus den Griffen des Moores zu befreien. Die Gefahr in kurzer Zeit zu erfrieren war enorm hoch. Sie versuchte sich an einem Strauch aus dem Moor zu ziehen, aber die Zweige brachen sofort ab. Verzweifelt versuchte sie ihre Füße freizubekommen, aber sie steckten einfach zu fest im Morast. Sie bewegte mehrmals die Füße und versuchte diese zu befreien. Ohne Erfolg.

Eske verschnaufte. Sie zitterte vor Kälte und versuchte zu verarbeiten was sie gerade erlebt hatte. Es war eines der Mädchen gewesen, die immer mit ihrer Tochter unterwegs gewesen war. Ihre Geister hatten keinen Frieden gefunden und gaben ihr die Schuld für das Unglück!

Ihre Gewandung hatte sich bereits komplett mit Wasser vollgesogen und es schien, als zog die dicke Wollkleidung sie auf dem Grund. Kurz dachte sie daran einfach aufzugeben und loszulassen. Kein Kampf mehr, keine Sorgen und keine Schmerzen mehr. Nein, denn wenn sie hier starb, hielt das Moor ihren Geist gefangen und sie wurde selber zu einem ruhelosen Sumpfgeist!

Sie fasste neuen Mut. Eske war noch nicht bereit zu sterben. Nicht heute und nicht in diesem stinkenden Sumpf. Sie wurde noch gebraucht. Arnodd, ihr Sohn und ihre Siedler verließen sich auf sie!

Sie löste die Ringfibel und trennte sich von dem schweren Umhang. Darauf entknotete sie ihren Gürtel und schmiss ihn zu dem Baum. Als Nächstes löste sie die Fibeln an ihren Schultern und ließ ihr dickes Wolloberkleid im Sumpf zurück. Endlich fühlte sie sich leichter und nahm viel Schwung.

Sie bekam eine der Baumwurzeln zu fassen und zog sich langsam aus dem Morast.

Völlig außer Atem und kraftlos blieb sie rücklings auf den Boden liegen und schloss erschöpft ihre Augen. Ihr feines weißes Unterkleid aus Leinenstoff war komplett durchnässt und mit Dreck eingesaut. Sie dürfte jetzt nicht einschlafen. Zu groß war die Angst hier im Schlaf zu erfrieren. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah in den wunderschönen Sternenhimmel. Eske lächelte und setzte sich auf. Sie sah aus, wie ein Monster das aus dem Moor gekrochen kam, vor dem die Kinder immer Angst hatten. Mit ihren Händen wischte sie ihr Gesicht einigermaßen sauber und fuhr sich durch ihre langen kupferfarbenen Haare, die komplett mit Faulschlamm bedeckt waren. Anschließend schüttelte sie den Matsch von ihren Händen ab und unterdrückte ein Würgen. Sie stank so bestialisch nach Fäulnis, dass ihr erneut übel wurde.

Mit zittrigen Beinen stand sie auf. Sie musste sich bewegen und sie wollte sich ihre Wollkleidung wiederholen. Vorsichtig kniete sie sich an das Loch und versuchte ihre Kleidung mit einem Stock wieder herauszuangeln.

Gerade als sie den Umhang erwischt hatte, tauchte neben ihr erneut ein Moorgespenst auf. Erschrocken ließ sie den Ast fallen und sah die Nebelgestalt wie erstarrt an.

>>Ihr werdet alle sterben!<<, flüsterte es.

Das war zu viel. Eske hatte das Gefühl den Verstand zu verlieren und lief blindlings los. Hinter sich hörte sie das schaurige Lachen der schrecklichen Erscheinung. Sie achtete auf gar nichts mehr, sie wollte einfach nur fort von hier. Nicht selten stolperte sie über Baumwurzeln oder versank bis zu den Knien in eine tiefe Stelle.

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, spürte sie festeren Boden unter ihren Füßen, die Bäume und Sträucher lichteten sich und sie konnte das Weideland erahnen. Nur noch ein kleines Stück und schon ließ sie die letzten Birken hinter sich. Nun hatte sie die Marsch erreicht.

Erleichtert blieb sie stehen und drehte sich um, nur um zusehen, ob ihr irgendetwas aus dem Moor gefolgt war. Sie rang nach Luft. Eske starrte wie gebannt auf das Moor, doch da war nichts, nur Stille.

Endlich sah sie den Horizont und wie sich der Himmel langsam in ein schönes Rot verfärbte. Die letzten Wolken verzogen sich, während die ersten warmen Sonnenstrahlen auf die Landschaft schienen und nahmen so dem Moor den Schrecken. Die Vögel erwachten und stimmten ihr Morgenkonzert an.

Für einige wenige Augenblicke ließ sie das Bild und die Musik der Vögel auf sich wirken, bevor sie sich von dem grauenhaften Moor abwandte. Schaudernd verschränkte sie die Arme vor ihrem Bauch und ließ sich auf die Knie fallen.

Völlig entkräftet legte sie sich einfach bäuchlings auf die kühle, noch vom Morgentau benetzte Wiese der Marsch. Die morgendlichen Sonnenstrahlen wärmten ihren Rücken und vor Erschöpfung fielen ihr augenblicklich die Augen zu.

Die vergessenen Siedler

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