Читать книгу Isidor, der Menschenflüsterer - Birte Pröttel - Страница 10
DER GANZ NORMALE ERZIEHUNGSWAHNSINN
ОглавлениеJeder noch so doofe - auch das gibt’s (leider) - Hund lernt in den ersten Monaten bei seinen Menschen den Befehl „Sitz“ zu befolgen, denn damit ist meist eine kleine Belohnung verbunden. Warum man sich aber noch weiter erniedrigen und flach wie eine Flunder zu Boden kriechen soll, wenn der Befehl „Platz“ kommt, entzieht sich meiner und der meiner Artgenossen Einsicht in den allermeisten Fällen. Hund macht halt Platz - oder auch nicht - wenn der Seelenfrieden der Leitwölfe davon abhängt. Aber dann muss Schluss sein mit der Dressur, finde ich.
Vor einiger Zeit kamen die Müllers mit ihrem unterwürfigen Schleimer Astor zu uns. Sie protzten damit, dass die „Sitz“, „Platz“ und andere abstoßende Demutsbezeugung wie ein dressiertes Zirkusäffchen auf Kommando abliefern kann. Könnte ich auch, wollte ich aber nicht und grad extra sprang ich aufs weiße Sofa, setzte mich auf den kantigen Schoß von Frau Müller und benahm mich ziemlich natürlich. Herrchen schämte sich und Frauchen war’s so peinlich, als hätte sie sich selber daneben benommen.
Später wurde Familienrat gehalten, beschlossen und verkündet:
„Der Isidor muss folgen, komme was da wolle! So geht das nicht weiter. Er blamiert uns bis auf die Knochen. Er muss Fuß gehen, sitzen, kommen, platzen, wann ich das will und nicht, wann er will!“
„Du hast Recht, wir müssen endlich was unternehmen!“
Ein schlauer Hund, der solche wüsten Drohungen zu Ohren kriegt, versteckt sich unter dem nächstbesten Bett und wartet ab, bis sich das heranziehende Unheil wie ein Maigewitter verzogen hat oder bis in Vergessenheit gerät, dass man sich seinetwegen vor Astor und seinem Herrchen geschämt hat.
Ich war weniger gewieft und freute mich närrisch auf einen Spaziergang außer der Reihe, als Herrchen die Leine und das Würgehalsband nahm. Fröhlich zerrte ich meinen Leitwolf in den Wald, wo er mir unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Zerren abgewöhnen wollte.
Das lief dann wie folgt und in der Regel bei allen weiteren Versuchen immer so ab: Er stellt das Würgehalsband auf Zug und sagt laut und betont: „Fuß!“
Sie sagt: „Mach schön Fuß, Isilein!“
Herrchen: „Das versteht er doch nicht. Das Kommando heißt kurz und bündig: Fuß“
Frauchen: „Woher soll Isidor denn wissen, was Fuß ist!“
„Das zeig ich ihm doch gerade!“
Er zerrt mich an sein Knie. Ich keuche und schnaube und versuche dem Würgehalsband mit aller Kraft zu entkommen. Zu blöd, denk ich, dass mein allerliebstes Herrchen nicht merkt, dass ich gleich ersticke! Er muss doch merken, in welcher Gefahr ich mich befinde.
Herrchen dann ziemlich unfreundlich zu mir: „Verdammt noch mal, du sollst Fuuuuß gehen!“
„Ich denke das Kommando soll einfach nur Fuhuß heißen!“
Er (nervös): „Isi, Fuuuuuuß!“
Sie: „Du bringst ihn um. Du würdest auch nichts kapieren, wenn du keine Luft mehr kriegst. Komm zu Frauchen, Isi, armer Isidor!“
Er (verzweifelt): „Der Hund ist einfach blöd! Der lernt das nie!“
Darauf mein süßes Frauchen: „Dann lasse ihn halt frei...“
Und somit war die erste Lektion zu meiner vollsten Zufriedenheit abgeschlossen.
Auf dem Heimweg sinnierten Herrchen und Frauchen darüber, dass sie sowieso keinen devotischen und kriecherischen Hund haben wollen, sondern sich an einem charaktervollen unverbogenen selbstbestimmten Tier erfreuen möchten. Ich hab das schon immer geahnt, quod erat demonstrandum.