Читать книгу Isidor, der Menschenflüsterer - Birte Pröttel - Страница 8
DIE TABUS: BETT, SOFA, SESSEL
ОглавлениеBevor sie mich den Pfoten meiner geliebten Hundemama entrissen, beschlossen sie, dass „der Neue“ - so nannten sie mich, als sie noch mit mir schwanger gingen - unter keinen Umständen das Schlafzimmer betreten dürfe. Der „Neue“ wird unter Androhung der Todesstrafe sich den Zutritt zu den ehelichen Gemächern nicht bei Tag und erst recht nicht bei Nacht, nicht in guten und in schlechten Tagen nicht erschleichen, erkriechen, erbetteln, erschmeicheln oder erwinseln! Basta!
Frauchens Schreibstube war bis dahin nur durch das Schlafzimmer zu erreichen. Da man ja nun dem „Neuen“ erlauben wollte, tagsüber wie sein Vorgänger zu ihren Füßen unter dem Computer zu liegen, beschlossen meine zukünftigen Herren und Gebieter, die Büros zu tauschen. Herrchen kriegte die kleine Mansarde hinter dem Tabu-Schlafzimmer, Frauchen das große sonnige Südzimmer mit dem tollen Blick ins Grüne, das bisher das Allerheiligste des Herrn war. Der Tausch ging eindeutig zu Gunsten der Hausherrin.
Dass der Mensch ein höheres Wesen ist, erkennt ein Hund zum Beispiel daran, dass seine Schlafstelle ein Stockwerk höher als das der anderen Mitbewohner ist. Bei den Wölfen ist das auch so, der Leitwolf kriegt den höchsten und besten Schlafplatz und keiner darf ihm den streitig machen. Meine neuen Leitwölfe überlegten nun, wie sie mich, das rangniedrigere Wesen am sozialen Aufstieg hindern könnten. Sie liehen sich ein Scherengitter. Diese sind eigentlich erfunden worden, damit Menschenkinder kein Stuntman Training im familieneigenen Treppenhaus veranstalten. Die Gitter werden in der Regel an der obersten Stufe angebracht.
Pfiffig wie meine Leute sind, befestigten sie das Gitter an der untersten Treppenstufe. Damit wollten sie verhindern, dass der „Neue“ Expeditionen ins Menschenschlafreich unternimmt.Nach langer Fahrt endlich angekommen, stellten meine Menschen mich in der Kuschel-Kiste, die meine private Schlafkuhle darstellen sollte, in die Küche. Kaputt und total fertig schlief ich rasch ein. Frauchen triumphierte: „Siehst du, Schatz, es klappt! Er schläft ohne zu Mucksen in der Küche!“
„Ja, er scheint ein Musterexemplar zu sein!“ pflichtete Schatz bei und vergaß, dass auch Welpen nicht ewig schlafen. Außer etwas zwischen die Milchzähne zu kriegen, müssen sie auch noch müssen. Und da sind Menschen unheimlich heikel. Bei dem leisesten Piepser, den ich von mir gab, kamen sie angerannt, nahmen mich auf den Arm und setzten mich draußen auf die Wiese. Ich fand das Spiel drollig und spielte es die ganze Nacht. Gab es doch auf dieser Wiese völlig andere Düfte zu schnuppern als in Hundemamas Paradiesgarten. Dass meine Menschen auf selbstgemachte Bächlein und Häuflein wild waren, bekam ich gar nicht mit. Dann trugen sie mich wieder in mein Kistchen, in dem ich fünf Minuten vor Erschöpfung schlief und sobald ich wach wurde, anfing nach Hundemama oder sonstiger Unterhaltung zu rufen.
Instinktiv wusste ich, wie wichtig die erste Nacht im neuen Haus ist. Jetzt werden die Weichen gestellt, ob der sanfte oder der harte Kurs eingeschlagen wird. Das Hundchen, das liebevoll in der Küche (wg. eventueller Undichtheit) in einem weich ausgeschlagenen Körbchen gelegt und dann alleingelassen wird, sollte umgehend anfangen, herzzerreißend zu weinen. Aber nicht zu frech, sondern wirklich mitleiderregend. Und wichtig ist es, dass hund nicht nachlässt. Auf keinen Fall darf er schlafen. Hund muss weinen, wimmern, schluchzen. Wenn das richtig gemacht wird, läuft die ganze gefühlsduselige Menschennummer: -
„Kannst du schlafen?“
„Nee“
„Soll ich mal gucken?“
„Nee“
„Ach, der Arme“
„Hm“
„Der hat Heimweh“ usw. usf. ab.
Und man kann Rattengift darauf nehmen, irgendwann stehen sie in der eiskalten, ungemütlichen Küche, nehmen Klein-Fiffi auf den Arm und trösten das arme Kerlchen. Und wenn der herzzerreißend weiter fiept und Herrchen und Frauchen außerdem müde und windelweich sind, wird das Körbchen ins Schlafzimmer gestellt... Den Rest kennt man ja. Jedenfalls
hat das bei mir prima hingehauen. Mein Schlafplatz ist dort, wo Herrchen schnarcht und Frauchen grunzt.
Meine Leute sind Leseratten und da sie alle Tierzeitungen, die es gibt, abonniert haben, erfahre ich hin und wieder Dinge, die eigentlich nicht für mich bestimmt sind.
Münchener Tiermediziner haben eine Studie gemacht und festgestellt, dass etwa 40 % der Hundebesitzer ihr Bett mit ihrem vierbeinigen Liebling teilen. Weitere 20 % täten das gerne, aber sie haben Angst, von irgendwelchen ekligen Hundekrankheiten angesteckt zu werden. Die Sorge ist völlig unbegründet! Veterinäre des Instituts für Infektionsmedizin der Uni München haben erforscht, dass diese Angst vor Ansteckung weit übertrieben ist. „Wenn die hygienischen Grundanforderungen erfüllt und die notwendigen Impfungen durchgeführt sind, existiert eine Übertragungsgefahr von Hundekrankheiten praktisch nicht.Es ist sogar so, dass sich eher Hund und Katze am Menschen anstecken als umgekehrt.
Sag ich doch!
Also, lasst unbesorgt eure geliebten Hunde die Betten. Schließlich haben nicht nur die Menschen ein Bedürfnis nach einem gemeinsamen Lagerplatz. Auch wir Hunde brauchen diesen Platz als zentralen Orientierungspunkt, um uns wohlzufühlen. Na und wenn ihr uns nicht gerade direkt neben euch auf dem Kopfkissen haben wollt, dann lässt uns wenigstens in eurer Nähe unser Nickerchen halten, als Fußwärmer oder Bettvorleger. Außerdem können wir Euch dann besser beschützen.
Auch Sofa und Sessel solltet ihr mit uns teilen. So nach dem Motto: Wer zuerst drauf ist, darf bleiben. Die Leute von Paula, meiner Jack-Russel Freundin, haben sich sogar ein neues Sofa gekauft, damit Paula ungestört auf der Familiencouch rumflacken kann.
Übrigens: Das Scherengitter war, seit ich es zum ersten Mal erblickte, niemals geschlossen! Und wenn ich Lust habe, gehe ich auch Herrchen in seiner kleinen Mansarde besuchen. Ich tröste ihn dann, denn er hat den Zimmertausch immer noch nicht recht verkraftet. Er meint das ganze Unternehmen sei ziemlich sinnlos gewesen. Das wiederum meint Frauchen nicht: „Ein Gutes hatte die Aktion doch: wir haben vor dem Tausch mal richtig ausgemistet!“ Na, wenn das nichts ist.