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AUF’ S WORT FOLGEN...

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Die Hundeerziehung ist wie die Erziehung der Menschenkinder reine Auslegungssache. Die Menschen studieren oft ein Leben lang, um hinter den Sinn und die richtige Befolgung ihrer Zehn Gebote zu kommen. Das versuchen sie dann mehr oder weniger konsequent ihrem Nachwuchs zu vermitteln. Je weniger – das ist meine Beobachtung – sie mit ihren Kindern zurechtkommen, um so strenger sind sie mit ihrem treuen, braven Hund. Wir Hunde sollen ohne nachzufragen sofort und schnell folgen, wie ein Rekrut in der Grundausbildung oder ein Lehrling im Supermarkt.

Ich finde nämlich, dass „aufs Wort folgen“ ja nicht bedeutet, dass das auch sofort passieren muss. Ab und zu folgt hund gleich, damit Herrchen und Frauchen wissen, ihr Hund ist kein Idiot oder eine Katze, die nichts versteht. Aber hund sollte Herrchen und Frauchen nicht zu sehr verwöhnen.

Ich bin dafür, dass hund das Befolgen von Befehlen, deren tieferen Sinn hund nicht sofort erkennt, erst überdenkt. Warum zum Beispiel soll ich mich an der Gehsteigkante hinsetzen, wenn kein Auto kommt? Oder warum soll ich Herrn Meier die Pfote geben? Wer erklärt mir, was schlecht daran ist, mit einem Radfahrer ein flottes Wettrennen zu veranstalten? Ja, also ich mach mir immer erst mal meine eigenen Gedanken, bevor ich Befehle befolge oder auch nicht.

Solche Nachdenklichkeit hätte in der Menschheitsgeschichte sehr oft die Geschicke vieler Leute anders gelenkt und viel Schmerz und Tränen verhindert. Auch heute würde es aus meiner Sicht nicht schaden, wenn die Leute denken, bevor sie zum Beispiel den Befehlen eines Computerspieles, den Richtlinien einer Partei oder den Schnapsideen von Hundezuchtverbänden folgen.

Es kann aber auch sehr viel Freude machen, zu folgen und ein „braver“ Hund zu sein. Zumindest immer dann, wenn die Folgsamkeit mit einem Leckerli belohnt wird.

Um auf die Kindererziehung zurückzukommen, vielleicht könnte ein Leckerli als Belohnung für braves Verhalten auch nichts schaden. Muss ja nicht immer Schokolade sein, Kinder mögen wie Hunde, wenn man sie streichelt, in den Arm nimmt oder ausgiebig lobt. Meist jedoch halten meine Leute es für selbstverständlich, dass ich ihnen folge.

Aber warum soll ausgerechnet ich folgen, wenn Herrchen auch nicht folgt, wenn Frauchen darum bittet, (wohlgemerkt darum bittet und nicht schreit, wie ich manchmal angeschrien werden), dass er die leeren Flaschen und meine leeren Futterbüchsen zum Container bringen möge? Wird er doch täglich mit den leckersten Delikatessen belohnt, darf die besagten Flaschen auch noch selber leerschlürfen. Dann kocht sie noch extra für ihn, das muss man sich mal vorstellen. Mir machen sie meist nur Büchsen auf.

Ich mach mir die Sache mit dem Folgen wirklich nicht leicht, man ist ja schließlich ein mitdenkender Hund. Aber trotzdem gibt es für mich nichts Schöneres, als die Freudentränen, die Frauchen vergießt, wenn ich mich nach ihrer siebten Aufforderung „Sitz“ endlich im Zeitlupentempo setze. Und dann lobt sie mich auch noch und nennt mich ein „Gaaanz braaaves Hundi“ und sagt lächelnd wie der Mann in der Bierreklame zu ihrem Herrchen: „Nicht immer, aber immer öfter.“

Isidor, der Menschenflüsterer

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