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MENSCH SEIN

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„Der Mensch ist das Maß aller Dinge!“ An diese unsinnige, durch nichts bewiesene Behauptung eines gewissen Protagoras von vor etwa 2400 Jahren glaubt der Mensch heute immer noch. Aber was ist er wirklich? Ein Wirbeltier. Genau wie wir. Allerdings ein sogenanntes „höheres“, denn es steht auf zwei mehr oder weniger krummen und mehr oder weniger dicken Beinen aufrecht (oft nicht so ganz sicher). Er ist also höher als der Hund. Der Mensch, der zu den sogenannten Primaten zählt, hat statt der Vorderpfoten Hände an manchmal muskulösen, meist aber schlaffen Armen. Viele Menschen bekommen nur knackig straffe Arme und Beine, wenn sie sich in sogenannten Fitness-Studios abstrampeln, wie ein Goldhamster im Laufrad. Im Gegensatz zu uns Hunden ist der Mensch leider fast nackt und muss, damit er nicht friert, ein buntes kratzendes Kunstfell in Form von Designerklamotten oder die Weltuniform: Jeans mit T-Shirts anziehen.

Der Durchschnittmensch hat wie wir zwei Ohren und zwei Augen. Menschliche Augen und Ohren sind in der Regel Miniausgaben. Sollten die Ohren so groß sein wie bei mir, dann finden sie es nicht schön und lassen sich operieren. Dieses sogenannte höhere Lebewesen hört wesentlich schlechter als der Hund. Des halb trägt der Mensch, besonders der junge, Kopfhörer. Wenn er die aufhat, zappelt er hin und her, also tanzen ist das nicht, und manchmal stößt er auch Laute aus, die an das Röhren brunftiger Hirsche erinnert

Die Augen der Menschen sind auch nicht erste Sahne. Fast alle, die ich kenne, tragen gläserene Gucklöcher in Drahtgestellen. Wenn sie sie nur zum Lesen brauchen, suchen sie ständig danach. Trotzdem erkennt der Mensch die wichtigen Dinge des Lebens nicht selber. Er lässt sich von sogenannten Experten sagen, was und wie er zu sehen hat und welche Meinung er vertreten soll.

Seit neustem hat Frauchen ein Guck Ding, in das sie dauernd schaut, drauf rumdrückt und reinspricht. Herrchen hat ihr das Ding geschenkt und sie hat jetzt nur noch Augen für das Ding, irgendwas mit „Fone“ genannt, und schaut gar nicht mehr zu ihm oder mir. Und zum Dank hat sie ihm zu Weihnachten auch ein „Ding“, das er Päd nennt, geschenkt. Damit fotografiert er mich und Frauchen und dann schauen sie sich die Fotos auf der glänzenden Scheibe an, reiben drauf rum und sind entzückt von meinen hübschen Augen. Aber mich schauen sie dabei nicht an. Aber Herrchen und Frauchen sind nicht die einzigen mit solchen Dingern. Wenn wir Ins Restaurant oder Café gehen, dann lümmle ich meist gemütlich unter dem Tisch. Ich schau mir die Leute an. Und ich glaub es kaum, haben nur Augen für die mehr oder minder großen „Päds“ und „Fons“ und reden überhaupt nicht miteinander. Neulich, als wir im „Goldenen Anker“ waren, drückte Frauchen auf ihrem Ding rum und jauchzte plötzlich auf: „Stell dirvor, die haben hier die gesamte Speisekarte vom „Goldenen Anker“ drauf!“

„Ist echt cool“, sagte Herrchen und nahm dann die Speisekarte vom Tisch und verglich sie mit der im „Fon“. Sie sind schon verrückt, die besten Freunde des Hundes. Anstatt mich zu streicheln, fotografieren sie mich und bewundern die Aufnahme. Aber um wieder auf die Eigenschaften und Eigentümlichkeiten des

Spezies Homo Sapiens zu kommen:

Sie haben, Wirbeltiere die sie auch sind, auch eine Zunge. Aber die dicke, manchmal belegte Zunge spielt beim Menschen lediglich beim Küssen eine Rolle. Sie stecken sich da die Zungen gegenseitig in den Mund und nennen das Liebe. Wenn sie sich die Zunge rausstrecken, ist das allerdings kein Zeichen für Liebe. Und das Ablecken einer tollen Soße vom Teller gilt als unfein. Sich gegenseitig ablecken ist geradezu unmöglich,

auch ihre Babys lecken sie nicht ab. Schade, es entgeht ihnen wirklich was. Aber wenn ich ihnen die Freuden des Abschleckens am lebenden Beispiel zeigen will, schreien sie: „Pfui, Pfui. Hör auf, das ist unhygienisch!“

Außer den vier Extremitäten verfügt der Durchschnittmensch über keine weiteren für uns Hunde nennenswerten Merkmale. Wie wir Rüden besitzt der männliche Mensch noch ein zusätzliches Glied, um das er ziemliches Gedöns macht. Weibliche Menschen sind dagegen stolz auf nur zwei, dafür aber überdimensionierte Milchdrüsen, denen die Männer viel Aufmerksamkeit schenken.

Sie haben sie auch, wenn sie keine Kinder säugen oder aufziehen. Diese zusätzlichen Sonderausstattungen finden die Männer an den Frauen ziemlich sexy, begehrenswert und toll. Je größer sie sind, desto schöner. Darum lassen sich Mädels, die nicht viel Selbstbewusstsein haben, solche Drüsen künstlich vergrößern. Und damit die dann nicht runterfallen, tragen sie „Büstenhalter“! Allerdings verstecken die Frauen ihre Ausbuchtungen allerliebst in feinste Spitze und Seide, die in der Regel schweineteuer sind. Viele Männer verschenken solche klitzekleinen Dinger, nennen es Reizwäsche und die Damen müssen es dann in einer privaten Modeschau vorführen. Aber denken Sie jetzt nicht, mein Frauchen

würde so was machen. Sie ist mehr fürs Praktische und Herrchen kriegt Küsse, wenn er ihr warme Angora Unterwäsche für Winterspaziergänge mit mir schenkt.

Ich muss allerdings ehrlich sagen, mir gefallen die neckischen Sachen wesentlich besser, außerdem erinnert mich die Angora Unterwäsche an diesen ultimativ doofsten Angora Kater der Welt, mit Namen "Schmusebär". Ich darf gar nicht daran denken, wenn das seine Wolle wäre, da auf Frauchens Haut...Laut einer dieser unüberprüfbaren Umfragen bei unüberprüfbaren Menschen, schauen Männer meistens als erstes auf diese Milchdrüsen, wenn sie einer Frau begegnen. Ich würde nie auf die Idee kommen, einer Hundedame derart unverfroren in ihren intimsten Bereich zu blicken.

Fragt es sich, wie es mit der Seele, den inneren Werten aussieht. Also meines Wissens und meiner Erfahrung nach, kann man Charaktereigenschaften wie Treue, Toleranz, Klugheit, Liebesfähigkeit, Kriminalität nicht


direkt erkennen. Auch wenn es heißt: „Kleider machen Leute!“ Aber wenn sich einer eine Soutane überzieht, heißt das noch lange nicht: wo Pfarrer draufsteht, ist auch Pfarrer drin. Wenn einer einen schlechten Charakter hat und zum Beispiel Hunde mit seinen Fallschirmspringerstiefeln tritt, dann macht er das mit oder ohne Kutte.

Fragt sich, wie es mit der Seele, den inneren Werten aussieht. Also meines Wissens und meiner Erfahrung nach, kann man Charaktereigenschaften wie Treue, Toleranz, Klugheit, Liebesfähigkeit, Kriminalität nicht direkt erkennen. Auch wenn es heißt: „Kleider machen Leute!“ Aber wenn sich einer eine Soutane überzieht, heißt das noch lange nicht: wo Pfarrer draufsteht, ist auch Pfarrer drin. Wenn einer einen schlechten Charakter hat und zum Beispiel Hunde mit seinen Fallschirmspringerstiefeln tritt, dann macht er das mit oder ohne Kutte. Die Menschen sind Meister im Verkleiden. Nur uns Hunde kann niemand mit seinem Outfit beschummeln. Wir erkennen am Geruch, an der Haltung, am Tonfall und vielen anderen Dingen, wen oder was wir vor uns haben.

Aber meine Erfahrung mit den Menschen zeigt, dass 99,9% super sind. Nur die 0,1%, die nicht so meinem Geschmack entsprechen, sorgen für Headlines im Blätterwald. Und dafür, dass alle Hunde, auch die die keine Kampfunde sind, dann gezwungen werden einen Maulkorb zu tragen.DARUM BRAUCHT DER MENSCH EINEN HUNDWenn Frauchen besonders gut aufgelegt ist, dann kauft sie für mich beim Metzger ein halbes Pfund von der fetten Landleberwurst, die wir beide so lieben. Da sie aber streng auf Diät achtet, gönnt sie ihre Lieblingswurst nur mir. Wenn wir dann zu Hause sind, machen wir es uns noch in Mantel und Schuhen - also sie, nicht ich - auf dem Küchenhocker bequem. Sie bestreicht eine duftende Scheibe Graubrot dick mit der gigantisch leckeren Wurst. Da ich nun nicht so schnell esse, wie sie die Häppchen schneidet, muss sie sich opfern und auch mitessen. Das ist immer eine supergeile Fress-Orgie. Herrchen darf davon natürlich nichts wissen, denn Frauchen, die sonst auch die Namen: Schatz, Liebling, Schnucki hat, jammert immer: „Nun esse ich schon fast überhaupt nichts, trotzdem nehme ich nicht ab!“ Ich schweige wie ein Grab, denn ich liebe sie. Und ich verrate Herrchens nächtliches Bierflaschenköpfen am Kühlschrank auch nicht, wobei wir immer eine Ecke Camembert gemeinsam verputzen (oder auch zwei). Nein, meine Leute verrat ich nicht, sie zeigen mir mit diesen heimlichen Freßkaspaden, wie sehr sie mich lieben .


Isidor, der Menschenflüsterer

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