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Der Dieb

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Er hatte gar keinen Revolver stehlen wollen, zumindest anfangs nicht.

Aber als sich so unverhofft die Gelegenheit bot, zögerte er nicht. Vielleicht würde er die Waffe ja irgendwann einmal brauchen können; wer konnte das wissen?

Der Junge hatte das Vereinshaus der Pistolenschützen erst betreten, als die internen Meisterschaften schon eine Viertelstunde lang in vollem Gang waren. Er hörte die Schüsse von der Mauer widerhallen, als er sich an das provisorische Bauwerk mit den beiden Umkleideräumen heranschlich. Das Gebäude sah aus wie ein umgekippter Würfelzuckerkarton. Es war wirklich kein Staat damit zu machen.

Er wusste, dass es normalerweise nicht verschlossen war. In diesen Kreisen vertraute man einander. Bei seinen Diebeszügen in der städtischen Sporthalle war er sehr erfolgreich gewesen, aber irgendwann hatten sich beim Hausmeister so viele Beschwerden angehäuft, dass die Aufsicht verstärkt wurde. Und die Sportler gingen inzwischen auf Nummer Sicher und nahmen ihre Wertsachen mit in die Sporthalle oder Sauna, da gab es nicht mehr viel zu holen. Vielleicht war seine Ausbeute hier ja besser.

Als er ins Haus trat, hörte er einen dumpfen Knall, der nicht von einer Waffe herrührte. Das Geräusch war natürlichen Ursprungs, und dem Jungen war sofort klar, dass jemand im Gebäude war. Er schlich vorsichtig weiter und sah das Besetztzeichen an der Toilettentür.

Sein erster Impuls war, Hals über Kopf zu fliehen. Er war bisher noch nie geschnappt worden, und dies sollte nicht das erste Mal sein.

Aber vielleicht schaffte er es ja doch noch, die Taschen der Hosen und Jacken zu durchsuchen, die an den Haken in dem kleinen Raum hingen. Er arbeitete fieberhaft, wurde aber nicht belohnt: Er fischte nur ein paar zerknüllte Taschentücher, ein Jo-Jo, zwei Bleistifte, eine leere Bonbondose und anderen Müll hervor. Davon nahm er nichts mit. Erst als er die Bänke in der Mitte des Umkleideraumes umrundete, entdeckte er den glänzenden Revolver, der zusammen mit einer Schachtel Munition auf der Bank gleich neben der Toilette lag.

Ohne zu zögern, nutzte der Junge diese Nachlässigkeit aus, schnappte sich den Fund und beeilte sich, aus dem Gebäude zu kommen.

Niemand sah ihn. Wie immer agierte er mit größter Vorsicht. Er hielt in alle Richtungen Ausschau, bevor er das Vereinshaus verließ. So aufgedreht, als hätte er gerade im Lotto gewonnen, erreichte er die Sicherheit der zentralen Straßen. Er wurde einer der vielen Anonymen, die sich im Zentrum drängten. Niemand beachtete ihn.

Er hatte das Diebesgut in einer Tüte verstaut und nahm Kurs auf seine Wohnung. Sein Vater würde wie üblich im Geschäft sein, also konnte er sich nach Hause trauen, ohne Gefahr zu laufen, gestört zu werden, wenn er seine Beute inspizierte.

Er wusste nicht besonders viel über Waffen und das Schießen, hegte aber ein breites Interesse für Sport. Hatte nicht ein Schwede namens Ragnar Skanåker vor kurzem bei den Olympischen Spielen in München vollkommen überraschend die Goldmedaille im Pistolenschießen gewonnen?

Wohlbehalten daheim, schloss der Junge sich in sein Zimmer ein und holte den Revolver hervor, wog ihn mit einem Gefühl der Macht in der Hand.

Er hatte so viele Möglichkeiten. Er konnte ihn beispielsweise verkaufen oder als Tauschobjekt benutzen. Oder – und dabei wurde ihm für einen Moment schwarz vor Augen – er konnte ihn auch selbst benutzen, für die Jagd oder in irgendeinem anderen Zusammenhang. Ja, warum nicht?

Aber noch nicht. Es war besser, erst mal Gras über die Sache wachsen zu lassen, den Revolver an einem so unzugänglichen Ort zu verstecken, dass niemand anderes ihn fand.

Er war stolz auf das, was er geleistet hatte. Niemand würde ihm auf die Schliche kommen. Es war ja nicht das erste Mal, dass er es geschafft hatte, ohne entdeckt zu werden; er war geschickt, so einfach war das, das hatte er schließlich schon früher bewiesen, als noch mehr auf dem Spiel gestanden hatte.

Ehrenmord - Schweden-Krimi

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