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2 VOM SCHREIBEN UND VOM LESEN Eigentlich wollte ich lieber lesen JANUAR 2018

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Erstmals schreibe ich einen Text über mein Schreiben. Eine echte Herausforderung. Plötzlich soll ich mich selber analysieren, hinterfragen, erklären, vielleicht sogar rechtfertigen. Und das in einem Literaturmagazin. Keine Sorge, ich weiß, dass ich keine Literatur schreibe. Ich bekomme hier nur ein einmaliges, kleines Gastspiel. Allerdings könnte man über den Begriff Literatur natürlich fröhlich streiten.

Aber es ist schon so: Ich bin keine, die über einen Satz eine Stunde lang nachdenkt, die tagelang nach dem richtigen Wort sucht, über einer Formulierung schwitzt und an der Unvollkommenheit ihrer Arbeit verzweifelt. Ich habe fünfzehn Jahre bei einer Zeitung gearbeitet, dort eine einfache, klare, leicht verständliche Sprache gelernt und beibehalten. Möglicherweise auch deshalb, weil ich es gar nicht anders kann.

Ich fing an zu schreiben, weil ich keine Bücher hatte. Eigentlich wollte ich lieber lesen. Unsere Dorfbibliothek war leider nur ein Kellerloch im Pfarrhaus und konnte meinen großen Lesehunger nicht stillen. In meiner Familie fehlte das Geld, um Bücher zu kaufen. Ich fing deshalb als Fünftklässlerin an, die Geschichten zu schreiben, die ich gern gelesen hätte, um mich selber zu unterhalten.

Vielleicht ist das heute noch mein Hauptantrieb? Dass es mir einfach Spaß macht, Geschichten zu erfinden? Früher lasen sie meine Schulkameraden. Sie tauschten meine vollgekritzelten Schulhefte auf dem Pausenplatz. Heute habe ich eine große, treue Leserschaft, die auf meine Bücher wartet. Das ist ein weiterer Ansporn.

Meine letzten acht Bücher waren Schweizer Bestseller. Darauf bin ich stolz. Ich habe davor auch erfolglose Bücher geschrieben und trotzdem nie aufgegeben. Schreiben, das ist meine Leidenschaft. Und heute kann ich davon sogar leben. Die Bezeichnung »Bestsellerautorin« habe auch etwas Abwertendes, meinte neulich jemand, aber eigentlich spiegelt der Begriff ja nur meine Verkaufszahlen. Diese wiederum sagen natürlich nichts über Qualität aus, denn auch Dieter Bohlen hat fantastische Verkaufszahlen. Bohlen glaubt deswegen sogar, ein besonders guter Musiker zu sein. Ich jedoch kann mein Können sehr wohl einordnen, hebe nicht ab. Im Gegenteil. Viele abwertende Ausdrücke, die in Zeitungen erschienen sind, habe ich leider selber generiert, wie etwa den Begriff »Unterhaltungstante«. Dass ich ihn hier wiederhole, würde meine Marketingabteilung ausrasten lassen, wenn ich denn eine hätte. Tele Züri bezeichnete mich als »Rosamunde Pilcher vom Vierwaldstättersee«. Ich kann damit umgehen. Auch damit, dass ich nie einen Literaturpreis gewinnen werde.

Ich kann mein Können einordnen.

Meine Leserinnen und Leser schreiben mir, dass meine Bücher sie zu Tränen rühren, zum Lachen bringen oder überhaupt erst wieder zum Lesen gebracht haben. Unterhaltung ist mein Anspruch. Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich will ich eine saubere Arbeit abliefern. Ich recherchiere genau und manchmal aufwendig: Ich mache ein Praktikum bei einem Tierarzt, besuche ein Frauengefängnis, fahre mit einem Dampfschiffkapitän über den See, arbeite in einem Kuhstall mit, verbringe einen Monat in Arosa, wandere ganze Gegenden ab … Ich tue alles für die Authentizität meiner Geschichten. Ich beobachte, höre zu, schaue hin, reise herum, frage nach. Mein Verlag stellt mir eine gute Lektorin zur Seite, auch zwei Korrektorinnen. Die Bücher werden sorgfältig hergestellt. Nein, sie sind kein Trash. Banal, trivial, primitiv? Die Tatsache, dass ich im Magazin »Literarischer Monat« unter dem Übertitel »Trash!« zu Wort komme, sagt mir, dass meine Bücher von einigen Literaten so eingeordnet werden. Kann ich damit leben? Auf jeden Fall.

Ein Literaturmagazin lud mich ein, einen Text einzureichen. Ich fühlte mich geehrt. Dann erfuhr ich: Das Magazin erschien unter dem Schwerpunkt »Trash!«. Ich war ein wenig beleidigt. Aber nur kurz. Dann sprang ich über meinen Schatten und schrieb diesen Text.

Kopfkino

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