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Mein Ackergaul streikt SEPTEMBER 2001

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Unsere beiden Nachbarskatzen haben eine neue Lieblingsbeschäftigung: Sie klettern über das Autodach aufs Garagendach, hüpfen auf unseren Balkon und schlüpfen schwupp in unser Wohnzimmer, wo sie sich dann gegenseitig durch unsere Wohnung jagen. Ist das nun Katzenwahnsinn? (Liebe Einbrecher und Meuchelmörder: Bitte klettern Sie nicht auf unser neues Auto! Der Hausschlüssel liegt unter der Matte!)

Wenn ein berühmter Fotograf massenhaft nackte Leute auf kalte Plätze legt und sie dann ablichtet, kann man das eventuell als Kunstwahnsinn bezeichnen?

Diese zwei kleinen obigen Abschnitte habe ich vor etwa zwei Wochen geschrieben, und damals wusste ich noch ganz genau, was mein September-Kolumnenthema sein sollte. Ich wollte wohl irgendetwas über den Wahnsinn an sich oder im Besonderen schreiben. Keine Ahnung mehr! Inzwischen werde ich selber langsam wahnsinnig. Der Schreiber-Wahnsinn.

Es ist wirklich schlimm: Seit Tagen versuche ich, eine Kolumne zu schreiben, aber in meinem Schreibhirn herrscht völlige Leere. Es gibt so viele Themen, die mich berühren, und flüchtige Ideen aller Art. Diese fallen aber in ein schwarzes Loch, wenn ich versuche, sie zu konkretisieren.

Schreibblockaden, darüber klagen weit bedeutendere Autoren als meine Wenigkeit. Ich starre auf die Tasten und kann es nicht fassen, dass mir so etwas passieren kann. Das Bild vom höhnisch lächelnden Reich-Ranicki über meinem Schreibtisch gibt mir den Rest. Schließlich kaue ich auf den Fingernägeln herum, räume den Schreibtisch noch einmal auf und tigere dann durchs Haus, um meine schlechte Laune möglichst großflächig zu verbreiten.

Auf der Toilette kommen einem oft gute Einfälle. Aber nicht heute. Nicht mir. Ich sehe nur, dass mein Badezimmer dringend geputzt werden sollte. Wahrscheinlich von mir. Aber ein Kolumnenthema ist das wirklich nicht. Vor dem Einschlafen habe ich manchmal gute Ideen. Aber jetzt schlafe ich immer viel zu schnell ein, bin wohl zu müde. Selbst beim Friseur und beim Frauenarzt werde ich nicht von der Muse geküsst.

Einen gesunden Geist gibt es nur in einem gesunden Körper. Diese Weisheit ist nicht von mir. Ich zwänge mich also in meine Jogginghosen und renne ein paar Runden auf der Finnenbahn Wintersried. Der Schweiß läuft schneller, als es meine Füße tun. Ich japse bald schon nach Luft und kann mir nicht vorstellen, dass so mein Schreibhirn genug Sauerstoff bekommt. Sport kann doch nicht meine Lösung sein.

»Schreiben ist kein Spaziergang. Eher ist es Ackerarbeit. Mit Pflug und Pferd. Manchmal will es nicht mehr weiter, das Pferd. Manchmal braucht es einen Stups, einen Klaps, ein aufmunterndes Hü«, schreibt Herbert Squindo im Nachwort zu seinem neuen Buch. Ich glaube fast, mein Pferd steht im Moment still und streikt. (Aufmunternde Hüs bitte an meine E-Mail-Adresse.)

»Schreiben ist kein Spaziergang.«

Ich mag Pferde. Soll er sich eben etwas ausruhen, mein Ackergaul, damit er dann bei der nächsten Kolumne wieder munter vorwärtsgaloppiert. Inzwischen biete ich Ihnen diese Kolumne an, in der eigentlich nichts steht.

Vielleicht habe ich eine versteckte Begabung: Ich kann viel schreiben, ohne etwas zu sagen. Ich könnte mich vielleicht von Politikern engagieren lassen?

Wenn man regelmäßig Kolumnen abliefern darf / muss, kann das manchmal schon viel Druck bedeuten. Nicht immer hat man auf Kommando die zündende Idee. Oft muss man einfach etwas schreiben, auf Teufel komm raus.

Leider habe ich Jahr für Jahr mehr mit Schreibblockaden zu kämpfen, über die ich früher noch gelächelt habe. Das liegt wohl an den eigenen Ansprüchen, daran, dass ich manchmal das Gefühl habe, alles schon geschrieben zu haben, an Abgabeterminen und am Erfolgsdruck.

Kopfkino

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