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Ticken Kinder heute anders? MAI 2017

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Neulich durfte ich eine Talentklasse besuchen und mit Mädchen sprechen, die gerade ihr erstes Buch schreiben. Sie hatten gar nicht so viele Fragen an mich, sondern vor allem eine, und die schien besonders wichtig zu sein: »Was verdient eine Autorin an einem Buch?« Wäre diese Frage eine von vielen gewesen, hätte sie mich nicht verwundert, aber so erhielt sie großes Gewicht, zu großes, wie ich fand.

Ticken heute Kinder so viel anders als wir früher? Und ist das schlecht oder vielleicht sogar gut?

Ich wollte schon als Kind Bücher schreiben und Sängerin werden, und dabei spielten für mich Karriere, Verdienstaussichten oder Ruhm überhaupt keine Rolle. Ich wollte singen und schreiben, Punkt. Wenn eine Kameradin Floristin oder Bäuerin werden wollte, hat ihr keiner vorgerechnet, dass man in diesem Beruf wenig Aufstiegschancen habe oder damit kaum reich werden könne. Waren wir naiv? Sind Kinder heute cleverer?

Waren wir naiv?

Ich habe den Schülerinnen erzählt, was man so verdient pro Buch. War das gemein von mir? Haben wir jetzt einen ganzen Schriftstellerjahrgang verloren? Mit dem Schreiben reich zu werden, das schaffen halt nur wenige. Davon leben zu können, das ist schon ein großes Privileg. Ich bin ein Glückskeks.

Kürzlich war ein Fernsehteam bei mir. Während ich die Leute in meine Dreizimmerwohnung in einem Wohnblock lotste, meinte die Produzentin schockiert: »Können Sie sich denn jetzt nicht ein Haus leisten?«

Ein Haus? Ein Pferd? Einen Swimmingpool? Nein.

Ja, Kultur und Geld. Ein heikles Thema. Und jetzt kommen auch noch diese leidigen Urheberrechtsdebatten. Alles soll allen überall jederzeit frei zugänglich sein. Meine E-Books werden längst auf Piratenseiten gratis angeboten. Cornelia meinte zu dieser Problematik, dass Musiker und Schriftsteller ja gern arbeiten würden, und dann könne man nicht den Anspruch haben, damit Geld zu verdienen. Aha. Weil ich gern schreibe, soll ich es gratis machen. Muss ich also davon ausgehen, dass mein Zahnarzt extrem ungern arbeitet, weil er so hohe Rechnungen stellt? Paul, der auch in der Freizeit schon immer an Autos herumgewerkelt hat und jetzt Automechaniker geworden ist: Darf er für seine Arbeit Geld nehmen? Ist Arbeit nur Arbeit, wenn man sie nicht gern macht? Warum verdienen eigentlich Profifußballer so viel?

Cornelia findet, diese Gratis-Downloads seien doch kein Thema. »Musiker können von den Konzerten leben, und du kannst mit Lesungen Geld verdienen. Tut doch nicht so kompliziert!« Okay. Wenn ich aber in keiner Bestsellerliste mehr auftauche, weil meine Bücher gratis heruntergeladen werden, wer bucht mich noch für eine Lesung? Und wie viel Honorar darf ich dann verlangen?

Kürzlich habe ich das gelesen: Ein Westschweizer Autor wollte ein Honorar für seine Lesung, mit der Begründung, er lebe schließlich vom Schreiben, und bekam von einer Buchhandlung zur Antwort: »Es ist naiv, zu glauben, man könne vom Schreiben leben.«

Aha. Ich war also nicht nur als Kind naiv, ich bin es immer noch.

Möglicherweise kommt die Rache für meine Naivität dann im Alter, wenn meine Rente nicht reicht und die Pensionskasse leer ist. Vielleicht besuche ich dann meine Talentklassen-Kinder. Die sind ja in fünfzehn Jahren sicher reich und leihen mir ein bisschen Geld. Ich bin gespannt, ob sie auch glücklich geworden sind.

Es hat mich wirklich ernsthaft beschäftigt, warum den Kindern heute Geld und Verdienst so wichtig sind. Ich glaube, ich hätte als Kind stundenlang mit einer Autorin plaudern können, ohne dass wir über Geld gesprochen hätten.

Einmal stand ich mit Frank Baumann vor einer Schulklasse, als ich gefragt wurde, ob ich denn jetzt reich sei. Da gab er zurück: »Schaut sie euch doch an! Sie musste ihre Brille selber schnitzen, aus einer Tür.« Damit spielte er auf meine Holzbrille an. Seither betrachte ich Türen aus einem ganz anderen Blickwinkel.

Die letzten Schüler gaben im Voraus zu Protokoll, dass sie sehr viele Fragen an mich hätten. Das gefiel mir. Dann kam die erste Frage: »Was für ein i-Phone haben Sie?« Ich wusste es nicht einmal. Die zweite Frage: »Wenn Sie sich entscheiden müssten zwischen Ihrem Handy und Ihren Freunden: Was würden Sie wählen?«

Nein, Schullesungen sind kein Zuckerschlecken …

Kopfkino

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