Читать книгу Die Perfekte Nachbarin - Блейк Пирс - Страница 4

KAPITEL EINS

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Sie wollte nicht neugierig sein.

Das zumindest redete Priscilla Barton sich ein, als sie den Manhattan Beach Strip entlang ging, mit einer Flasche Sauvignon Blanc in der Hand.

Genau genommen wollte Prissy – so wollte sie von allen genannt werden – ihre neuen Nachbarn willkommen heißen. Sie und ihr Mann Garth waren vergangene Woche in ihrem Anwesen in Palm Springs gewesen, und so war ihr wohl entgangen, dass jemand Neues eingezogen war. Manchmal konnte Prissy eine schemenhafte Figur sehen, die sich hinter den stets geschlossenen Vorhängen des Herrenhauses nebenan bewegte. Nie jedoch sah sie jemanden hineingehen oder herauskommen.

Heutzutage war es jedoch schwer, diesbezüglich auf dem Laufenden zu bleiben. Da so viele ihrer Nachbarn in diesem wohlhabenden Teil der Stadt nahe des Strands fast den ganzen Sommer über auf Reisen waren, wusste man nie, wer gerade im Urlaub war, geschweige denn, wer sein Haus Freunden überlassen oder vermietet hatte.

Prissy wusste, dass das Haus nebenan einem Hollywood-Agenten und seiner Frau gehörte. Diese führte eine Art Wohltätigkeitsorganisation für minderbemittelte Jugendliche. Allerdings waren die beiden nicht besonders freundlich und immer viele Monate am Stück unterwegs. Tatsächlich hatte sie von einer anderen Nachbarin erfahren, dass sie bis August weg sein würden. Da sie sie seit Wochen nicht gesehen hatte, musste es sich bei der Person hinter den Vorhängen um einen Mieter handeln.

Als sich Prissy der Eingangstür näherte, spürte sie ein aufgeregtes Kribbeln. Was, wenn der Agent sein Haus an einen Klienten vermietet hatte, möglicherweise sogar einen Promi? Das war nicht unwahrscheinlich. Viele Berühmtheiten lebten hier oder machten hier Urlaub. Man konnte sie auf den ersten Blick identifizieren, denn sie trugen Baseball-Kappen, Sonnenbrillen und schäbige Klamotten. Das war sozusagen ihre Uniform.

Außerdem sahen sie nie auf. Wenn Prissy jemandem begegnete, der zunächst wie ein Penner wirkte, sein Gesicht verbarg und keinen Blickkontakt aufnahm, dann konnte es sehr gut sein, dass es sich um einen Promi handelte. Gut, sie hatte ihre Lektion lernen müssen, denn manchmal war es wirklich ein Penner gewesen. Also war sie mittlerweile etwas vorsichtiger als früher, wenn es darum ging sie anzusprechen.

Prissy war durchaus an Geld gewöhnt. Seit neun Jahren war sie mit Garth Barton verheiratet, einem äußerst erfolgreichen Manager bei Sharp Kimsey, einem international tätigen Gas- und Ölkonzern. Bis vergangenes Jahr hatten sie im geschichtsträchtigen Hancock Park Viertel gelebt, nicht weit von den imposanten Wolkenkratzern im Zentrum von Los Angeles.

Aber Prissy, die mittellos in Catahoula, Louisiana aufgewachsen war, hatte die drückende Hitze in der Innenstadt von Los Angeles zu schaffen gemacht. Also hatte sie verlangt, in die Nähe des Meeres zu ziehen, wo es in der Regel fünf bis zehn Grad kühler war. Am Meer zu leben bedeutete jedoch nicht, von den Einheimischen akzeptiert zu werden. Prissy musste noch in deren Mitte aufgenommen werden.

Sie redete sich gern ein, dass es sich hier um einen etwas spröden, eigenbrötlerischen Menschenschlag handelte, der Fremden gegenüber feindlich gesinnt war. Und zum Teil stimmte das auch. Aber wenn sie ehrlich war, wusste sie, dass ihre Gier danach, die soziale Leiter zu erklimmen, mehr damit zu tun hatte. Jener Charakterzug, den sie gerne zu verbergen versuchte, der aber immer in den ungünstigsten Momenten zum Vorschein kam.

Dagegen konnte sie einfach nichts tun. Dieser aggressive Teil ihrer Persönlichkeit hatte ihr geholfen, sich aus den Sümpfen Louisianas an die Louisiana State University zu kämpfen, wo sie den weltgewandten Jungen aus New Orleans kennengelernt hatte, der sich zum Herrscher der Welt hatte aufschwingen wollen.

Nach ihrem Abschluss und der Hochzeit hatte Garth die Position bei Sharp Kimsey ergattert, und sie hatten sich in Metairie niedergelassen, nicht weit von dem Unternehmenssitz in New Orleans. Nach zwei Jahren wurden sie nach Houston versetzt, nach vier weiteren nach L.A. Mittlerweile waren sie seit drei Jahren hier, und Prissy war völlig hin und weg.

Sie liebte den Glamour der Stadt. Sie liebte die unverfrorene Taktlosigkeit. Sie liebte die zu dünnen Frauen, die ihre zu kleinen Hündchen in zu kleinen Handtaschen herumtrugen. Sie wollte ein Teil von all dem sein, auch wenn ihre diesbezüglichen Bemühungen sie etwas verzweifelt wirken ließen. Darum stand sie gerade vor der Eingangstür ihrer Nachbarn, mit einer Flasche Wein in der Hand und einem falschen Grinsen im Gesicht – weil sie ein Teil dieser Welt sein wollte.

Sie blickte zurück zum Strip, einem breiten Betonweg für Fußgänger, den man oft in den Vororten von Manhattan Beach und Hermosa Beach vorfand. An diesem späten Nachmittag war überraschend wenig los, was den Vorteil hatte, dass niemand ihre Neugier kommentieren würde.

Prissy beäugte sich ein letztes Mal in dem dicken, schimmernden Glas der Eingangstür. Und sie befand sich für gut. Mit 31 hatte sie immer noch den straffen Körper, den sie brauchte, damit Garth sich nicht nach einer anderen umsah. Die unzähligen Stunden mit Yoga, Pilates und im Strand Boot-Camp hatten sich ausgezahlt und sie an den richtigen Stellen schlank und straff gehalten. Ihr blond gefärbtes Haar fiel ihr offen auf die Schultern und obwohl es früher Abend war, nutzte sie die warmen Temperaturen als Ausrede dafür, einen Sport-BH samt Yogahose zu tragen. Sie war sich sicher, dass sie einen guten Eindruck machen würde, unabhängig davon, ob der neue Nachbar ein Promi war oder nicht.

Prissy läutete, hörte jedoch nichts. Die Türklingel war wohl kaputt. Sie klopfte an und wartete. Keine Antwort. Sie versuchte es erneut, aber es kam immer noch nichts. Sie wollte fast schon wieder gehen und überlegte gerade, ob sie den Wein auf der Fußmatte lassen sollte. Allerdings hatte sie kein Kärtchen dabei und sie würde das Zeug nicht einfach dalassen, ohne dem Beschenkten mitzuteilen, wer ihn beglückt hatte. Sie versuchte es ein letztes Mal. Wenn dann immer noch keiner aufmachte, würde sie ein andermal wiederkommen. Mit der weichen Seite ihrer Faust schlug sie kräftig gegen die Tür. Zu ihrer Überraschung öffnete sich diese ein Stückchen.

„Hallo?“, rief sie laut, aber zaghaft.

Keine Antwort. Erstaunt darüber, dass jemand ein mehrere Millionen Dollar teures Haus unverschlossen ließ, schob sie die Tür ein wenig weiter auf.

„Hi, hier ist Ihre Nachbarin!“, rief sie und lugte in den Flur, auf der Suche nach einem Stift und Papier, um die Bewohner wissen zu lassen, dass sie die edle Spenderin des Weins war. Die Flasche einfach drinnen stehen zu lassen, ohne Angaben, von wem sie war, würde den Sinn des Ganzen völlig zunichte machen. Da sie nichts fand, schloss sie die Tür hinter sich und betrat das Haus.

„Ist da jemand? Keine Sorge, ich bin nicht hier, um Sie auszurauben. Ich habe einen Willkommensgruß, den ich einfach mal in die Küche stellen werde.“

Sie ging durch die weitläufige Eingangshalle in die Richtung, von der sie vermutete, dass sie zur Küche führte. Dabei war sie leicht nervös. Schließlich hielt sie sich hier unerlaubt auf. Wenn jemand zu Hause war und nur deshalb nicht reagiert hatte, weil er duschte oder Ohrstöpsel trug, dann wäre es nur recht und billig, wenn er ungehalten auf einen Eindringling reagierte, der durchs Haus schlich. Allerdings genoss sie den Nervenkitzel auch ein wenig.

Auf dem Weg in die Küche begegnete sie keiner Menschenseele. Alle Lichter im Haus waren aus, woraufhin sie vermutete, dass der Besitzer nicht da war und einfach vergessen hatte, die Tür abzuschließen, geschweige denn richtig zuzumachen. Sie stellte den Wein auf die Kücheninsel, fand einen Stift und schrieb ein paar kurze Sätze auf ein Post-it, das sie auf die Flasche klebte.

Ein wenig enttäuscht ging sie wieder durch die Eingangshalle zurück, wurde aber plötzlich von ihrer Neugier gepackt. Als sie am großen Wohnzimmer vorbeiging, trat sie einfach ein und begutachtete den beeindruckenden Raum, der aussah, als wäre er direkt aus Cape Cod hierher transportiert worden.

Gerade überlegte sie, mit ihrem Handy ein paar Fotos zu machen, um ein paar Einrichtungsideen zu sammeln, da hörte sie ein Rascheln, das aus einer Ecke des Zimmers zu kommen schien. Sie wandte den Kopf und sah, dass sich die Quelle des Geräuschs hinter einer großen Pflanze befand. Einen Augenblick lang dachte Prissy, dass sie ein Haustier erschreckt hatte, das sich aus Angst vor ihr verbarg.

Aber plötzlich und unvermittelt schoss ein Mann hinter der Zimmerpflanze hervor und rannte auf sie zu. Auf seinem Gesicht lag ein finsterer Ausdruck der Entschlossenheit. Prissy wurde von blankem Entsetzen gepackt. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie ausgedörrt. Der Mann stürmte direkt auf sie zu. Endlich erwachte sie aus ihrem Schock, als sie seinen schweren und raschen Atem hörte.

Sie rannte den langen Flur entlang in Richtung der Eingangstür. Aber in Flip-Flops war das nicht besonders einfach, und nach nur ein paar Schritten verlor sie das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Sie raffte sich wieder auf, jetzt nur noch mit einem Flip-Flop. Das Geräusch der sich nähernden Schritte hinter ihr erfüllte ihren ganzen Körper mit Adrenalin.

Gerade streckte sie die Hand nach dem Türknauf aus, da spürte sie einen harten Schlag, prallte gegen die Tür und dann erneut zu Boden, panisch nach Atem ringend. Bevor sie allerdings wieder aufstehen konnte, spürte sie, wie etwas ihren Hals umschloss.

Sie versuchte, ihre Finger darunter zu stecken, aber sie konnte den Griff nicht lockern und der Mann umfasste ihren Hals sogar noch fester und zerrte sie den Flur entlang, weg von der Tür. Sie fiel auf ihn, so dass beide zu Boden stolperten. Aber er ließ sie nicht los.

Durch den Adrenalinrausch, den harten Schlag und nun auch den Würgegriffs schrie Prissy innerlich wie am Spieß, auch wenn sie keinen Ton herausbrachte. Mit den Ellbogen versuchte sie ihren Angreifer in die Rippen zu stoßen, so dass er seinen Griff lockerte. Allerdings spürte sie, wie sie langsam das Bewusstsein verlor, und sie wusste, dass ihre Stöße kaum eine Wirkung erzielten.

So darf es nicht enden!

Als ihr dieser Gedanke kam, sah sie bereits weiße Punkte vor den Augen. Und das machte ihr solche Angst, dass sie sich in einem letzten, verzweifelten Versuch aufbäumte. Aber da war es schon viel zu spät.

Die Perfekte Nachbarin

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