Читать книгу Nonstop - Boris Herrmann - Страница 12

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Es kommt, erst einmal, die große Leere.

Wochen der Ermattung nach dem unvorstellbaren Kraftakt. Monate der Suche – nach dem nächsten Sponsor, dem nächsten Projekt, ein bisschen auch nach sich selbst. Er hat die Latte stets extrem hoch gelegt. Hat einmal, fast kategorisch, abgelehnt, als Profi von Boot zu Boot zu springen, sich als Segelsöldner zu verdingen, wenn mal kein großes Projekt ansteht.

Damals, auf einem Hochplateau, aber noch nicht auf dem Gipfel, hätte Boris Herrmanns Aufstieg zu Ende sein können. Er, dessen jungenhaftes Äußeres und stets kultiviertes Auftreten als Zeichen von Verletzlichkeit und mangelndem Biss missdeutet wurde, wäre um ein Haar an seinen eigenen, unwirklich hohen Ansprüchen gescheitert.

INNERER RÜCKZUG

Aber dann siegten, wieder einmal, seine Sturheit, seine Willensstärke, vor allem aber seine unbedingte Liebe zum Meer. Diese Liebe ist bis heute die wohl stärkste Triebfeder, die ihn motiviert. Sie lässt ihn durchhalten, wenn es hart kommt, weist ihm Varianten, wenn der direkte Kurs unmöglich ist.

Wer lange mit ihm segelt, ahnt sie eher, als sie greifen zu können. Einmal, auf einer Überführung mitten auf dem Atlantik, kauert er achtern in Lee auf dem Deck, schaut der Spinnaker-Schot nach ins riesige Segel und weiter gen Horizont. Ein Ruhepol inmitten von Wind und fliegender Welle. Wortlos sitzt er so in der Hocke, minutenlang, das Gesicht glühend von der tief stehenden Sonne. Man würde gern wissen, was er denkt, was in dem Moment in ihm vorgeht. Doch er ist so versunken, so in sich gekehrt, dass es einem unbotmäßig erschiene, ihn jetzt mit einer Frage herauszureißen aus seinem inneren Monolog.

»Ich mag es, mich manchmal in mich zurückzuziehen, inspiriert vor mich hin zu träumen, während ich steuere oder trimme«, sagt er. Es ist wie eine Art Kurzurlaub für seine Seele und das von Sinneseindrücken überflutete Gehirn, während das Boot unaufhaltsam durch die See prescht.

TAUSENDSASSA

Die Herausforderung zu überschätzen, die der Einhandsegler auf einem Imoca60 zu bewältigen hat, erscheint nahezu unmöglich. Er muss in Personalunion Skipper, Bootsmann, Trimmer, Navigator, Smutje und PR-Manager sein, und das 24 Stunden am Tag für 70 bis 80 Tage am Stück. Das erfordert Intelligenz, Intuition, Akribie, Multitaskingfähigkeit, Fitness und eine fast übermenschliche Resilienz gegenüber Rückschlägen.

Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass Boris Herrmann die Vendée Globe erst im dritten Anlauf tatsächlich in Angriff nimmt: 2020. Denn solche Eigenschaften müssen sich entwickeln; kaum einer verfügt über so viel Erfahrung und Reife in jüngeren Jahren. Er wäre früher nicht annähernd so gut, so komplett gewesen wie gerade jetzt.

Der Wahl-Hamburger, der jetzt für das Fürstentum Monaco startet, bringt noch mehr mit. Er kann nicht nur segeln, er kann seine extremen Erlebnisse auch anderen nahebringen: dreisprachig, mit dem ihm eigenen Stil und einem unter Profis raren Talent für die Erzählkunst, das sich nicht in Tweets und Posts erschöpft.

Über die Jagd nach Rekorden schrieb er in der Yacht vor wenigen Jahren: »Moderne Offshore-Rennboote segeln derart schnell, dass wir den optimalen Kurs durch die Seen weit vorher erahnen müssen. Das Gehirn antizipiert die Verformung der Wellen, Kämme und Täler, projiziert eine imaginäre Piste, bevor sie sich für ein paar Sekunden genau dort vor uns auftut, wo wir hinsteuern.«

Es liest sich wie eine Metapher auf sein Leben als Navigator und Solo-Skipper, der es vom kleinen, binnenländischen Zwischenahner Meer in den Olymp des Hochseesegelns geschafft hat, vom Opti zum Open60. Da führte eigentlich kein Weg hin. Boris Herrmann hat trotzdem einen gefunden.

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