Читать книгу Skrupellos - Bärbel Junker - Страница 5
VERGANGENER RUHM
Оглавление„Kommst du mit deinem Buch voran, Liebling?“, fragte Elena ihren Mann beim Frühstück. „Ich bin schon wahnsinnig gespannt darauf, um was es in deinem neuen Roman geht.“
Adrian Verhoeven musterte seine Frau schweigend.
„Was ist? Habe ich einen Fleck auf der Nase?“, scherzte Elena.
„Nein, hast du nicht“, erwiderte er lächelnd. „Du siehst in diesem Kostüm einfach fantastisch aus. Es passt perfekt zu deinen blauen Augen und deinem langen blonden Haar.“
„Du Schmeichler. Aber ich freue mich über das Kompliment“, erwiderte Elena. Sie schob den Stuhl zurück und stand auf.
Adrian musterte ihre schlanke Figur und die langen Beine, die in den hochhackigen Pumps besonders gut zur Geltung kamen. Alles an Elena war freundlich und hell.
Adrian, ebenfalls schlank, fast schon hager, zupfte einen Fussel von seinem schwarzen Pullover und sah auf seine eleganten Schuhe, schwarz, wie fast alles, was er trug. Er lächelte.
„Ich muss los“, sagte Elena. „Ich muss den Laden heute aufschließen, weil Arlena einiges für unseren Besuch vorzubereiten hat. Du weißt schon, dieser amerikanische Verleger. Ich erzählte dir von ihm. Arlena lernte ihn damals bei ihrem Besuch in Amerika kennen.“
Adrian nickte.
„Ich hoffe, dein zweites Buch wird ein genauso großer Erfolg wie dein erster Roman“, sagte Elena. „Wir könnten das Geld gut gebrauchen.“
Adrians Gesicht verschloss sich. „Ich tue mein Bestes“, murmelte er.
„Das weiß ich doch, Liebling“, erwiderte Elena. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss und eilte davon.
Wenige Minuten später hörte Adrian ihren Wagen die Auffahrt runterfahren. Er trank seinen Kaffee aus und ging ins Wohnzimmer hinüber.
Stolz musterte er die elegante Einrichtung. Die schwarze Designer Ledergarnitur und der handgeknüpfte Seidenteppich waren ebenso exquisit wie die dunklen Schrankelemente und die modernsten Geräte aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik. Echte Gemälde und kostbares Dekor rundeten das Ganze ab.
Oh ja, er hatte es weit gebracht. Sein erster Roman war ein unerwarteter Erfolg gewesen, war innerhalb einer Woche unaufhaltsam in den Charts hochgeklettert. Allerdings war das nun schon gut zwei Jahre her. Ein weiterer Erfolg war dringend nötig, denn so langsam ging ihnen das Bargeld aus.
Adrian seufzte. „Nur gut, dass Elena als Geschäftsführerin bei ihrer Freundin Arlena untergekommen ist“, dachte er laut. Die bekannte und beliebte Buchhandlung hatte zehn Angestellte und lief ausgesprochen gut. Elenas Gehalt deckte zwar die Kosten, große Sprünge konnten sie jedoch nicht machen.
Allerdings leben wir trotzdem weitaus besser, als so manch anderer, dachte Adrian so einsichtig wie selten. Und außerdem besitzen wir ja immerhin auch noch das Haus. Er runzelte die Stirn bei dem Gedanken, dass ein Verkauf der Villa sie auf einen Schlag aller Sorgen entledigen würde. Zu seinem Ärger war Elena jedoch strikt dagegen. In dieser Sache war nicht mit ihr zu reden.
Er begab sich zu der Fensterwand hinüber. Nachdenklich starrte er in den parkähnlich angelegten Garten. Elena hatte das Haus, welches auf einem weitläufigen Grundstück in einer der besten Gegenden Hamburgs stand, von ihrer Mutter geerbt, die kurz nach der Hochzeit ihrer einzigen Tochter tödlich verunglückt war.
Er mochte die Bauweise, die etwas verspielt wirkende Architektur des mit Balkonen und Erkern verzierten Bauwerks, fühlte sich wohl in dem kleinen Turm, der die Villa krönte und in dem sich sein Arbeitszimmer befand. Aber obwohl er das Wohnen in dieser angesehenen Gegend genoss, würde er, wenn es nach ihm ginge, die Villa sofort verkaufen, um endlich die Geldsorgen loszuwerden.
Anna Kaiser, seine verstorbene Schwiegermutter, würde sich zwar im Grabe umdrehen, denn sie hatte die Villa geliebt. Doch das tangierte ihn nicht, denn sie hatte ihn von der ersten Sekunde ihrer Begegnung an abgelehnt. Mehr noch, sie war regelrecht entsetzt über Elenas Entschluss gewesen, ihn zu heiraten.
Doch Elena hatte zu ihm gehalten.
Da seine Schwiegermutter ihn jedoch auf keinen Fall um sich haben wollte, hatte sie es Elena und ihm verwehrt, nach der Hochzeit bei ihr zu wohnen, obwohl die Villa mehr als groß genug war. Notgedrungen waren sie daraufhin in eine Mietwohnung in der Stadt gezogen.
Doch seine Schwiegermutter hatte ihm auch noch über ihren Tod hinaus misstraut. Sie hatte Elena zwar die Villa vererbt, in der diese aufgewachsen war, jedoch alle übrigen Vermögenswerte nicht. Diese hatte sie Gemeinnützigen Institutionen unter Bedingungen vermacht, die Elena insbesondere im Alter absicherten.
Er würde davon allerdings zu keiner Zeit profitieren, selbst dann nicht, wenn Elena vor ihm starb. Anna Kaiser hatte ihm noch über ihren Tod hinaus ihre Abneigung deutlich gemacht.
Es hatte ihn bei der Testamentseröffnung große Mühe gekostet, seinen Zorn zu beherrschen. Innerlich tobend hatte er die Kanzlei bereits nach kurzer Zeit verlassen, ohne das Ende der Ausführungen des Notars abzuwarten. Wozu auch, er hatte von seiner Schwiegermutter nichts Gutes zu erwarten.
„Ich brauche Geld“, flüsterte Adrian in die Stille des Raumes. „Aber woher nehmen? Meine Bucheinnahmen sind fast aufgebraucht, neue kommen kaum herein, und ein zweiter Erfolg ist nicht in Sicht.“
Elena hatte keine Ahnung, dass er an keinem neuen Roman arbeitete. Bislang hatte er noch keine einzige Zeile geschrieben. Er schüttelte die trüben Gedanken ab, drehte sich um und ging hinaus zum Briefkasten.
Mit mehreren Briefen und einem braunen DIN A4-Umschlag kehrte er zurück. Wahrscheinlich Rechnungen, vermutete Adrian. Der braune Umschlag war an Elena gerichtet. Adrian drehte ihn neugierig um. „Nicht frankiert und kein Absender“, murmelte er. „Jemand muss ihn persönlich eingesteckt haben.“
Er ging zurück ins Haus und legte den braunen Umschlag auf einen Beistelltisch. Nachdem er die übrige Post durchgesehen hatte – natürlich waren es wie stets in letzter Zeit überwiegend Rechnungen – fiel ihm der braune Umschlag wieder ein. Er holte ihn und nahm ihn mit hinüber ins Wohnzimmer.
Nachdenklich fuhr er mit dem Finger über die zugeklebte Umschlaglasche. Sie klebte nicht sehr fest. Und da Adrian Verhoeven ein sehr neugieriger und misstrauischer Mann war, hatte er keinerlei Skrupel ihn zu öffnen. Vorsichtig fuhr er mit einem schmalen Messer an der Klebestelle entlang und schlug die Lasche hoch. Mit spitzen Fingern zog er einen dünnen Stapel Papier heraus, auf dem ein Anschreiben lag.
„Na sowas“, murmelte Adrian verblüfft. „Was hat Elena denn mit einer Privatdetektei zu schaffen?“ Er las das Anschreiben und wurde blass. Lange starrte er mit unbewegtem Gesicht vor sich hin. Endlich erhob er sich. Mit dem Umschlag in der Hand stieg er die Wendeltreppe zu seinem Arbeitszimmer hinauf.