Читать книгу Die Tote auf der Bank - Bärbel Junker - Страница 10
DER AUFTRAGGEBER
Оглавление„Haben Sie das Bild in der Zeitung gesehen?“, fragte der Mann in dem eleganten dunkelblauen Anzug erregt.
Sein Besucher, der lässig in einem der Ledersessel saß, nickte.
„Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich im Flugzeug das Foto in der Zeitung entdeckte. Sie haben sich nicht an unsere Abmachung gehalten. Und ich bin keineswegs gewillt, einen derartigen ungeheuerlichen Vertragsbruch so einfach hinzunehmen.“
„Sie ist tot, nur das ist wichtig“, sagte der Besucher gelassen.
„So, meinen Sie?“
„Ja, das meine ich. Sie sagten, sie könnte Ihnen gefährlich werden und Ihre Geschäfte stören, was auch immer das heißen mag. Ich habe mich an sie herangemacht, um das Problem zu lösen. Die Gefahr ist beseitigt. Was wollen Sie noch mehr?“, erwiderte der Besucher, der im Gegensatz zu seinem eleganten Gastgeber schwarze Jeans, schwarze Lederjacke und ein schwarzes T-Shirt darunter trug.
„Sie versprachen, dass man die Tote auf keinen Fall finden würde. Ich habe mich darauf verlassen. Und jetzt sehe ich ein Foto von ihr in der Zeitung und dazu den Aufruf, wer sie kennt, möge sich bitte umgehend bei der Mordkommission in Hamburg melden.
Wieso sollte mich das zufrieden stimmen?
Sie haben versagt, haben Ihren Auftrag nicht absprachegemäß ausgeführt.
Nein, Niklas, ich bin keineswegs mit Ihrer Arbeit zufrieden!“
„Was regt sie denn so sehr daran auf, dass die Leiche gefunden wurde?“, fragte der Schwarzgekleidete neugierig.
„Ich hasse es für eine Arbeit zu bezahlen, die nicht wunschgemäß erledigt wird. Immerhin bezahle ich Sie sehr gut. Außerdem halte ich zudem auch noch schützend meine Hand über Sie, soweit es mir möglich ist“, erwiderte sein Auftraggeber kalt.
„Also das mit der schützenden Hand, das sollten Sie nun aber wirklich nicht überbewerten, Herr Homberger. Ich habe bislang noch von niemandem Hilfe benötigt. Im Allgemeinen komme ich sehr gut allein zurecht. Und was die Bezahlung angeht, so zahlen Sie nicht mehr und nicht weniger als den üblichen Preis, den ich für einen derartigen Auftrag verlange“, stellte der Besucher richtig.
„Ist das so, Niklas? Dann war der Betrag wohl nicht hoch genug, um den Leichnam endgültig verschwinden zu lassen?“
„Darum geht es doch überhaupt nicht“, winkte dieser ab.
„Ach ja? Und um was geht es Ihrer Meinung nach?“, fragte Homberger eisig.
„Ich frage mich, wer mir in dieser Sache dazwischengefunkt hat. Wie kam die Tote auf diese Bank und warum? Schließlich habe ich sie nicht dorthin gebracht wie Sie sich ja wohl denken können.“
„Wie meinen Sie das? Wer soll Ihnen denn dazwischengefunkt haben?“
„Na, Sie sind gut. Da ich die Tote nicht an den Fundort gebracht habe, muss es ja wohl zwangsläufig ein anderer gewesen sein. Hingelaufen kann sie ja wohl kaum sein.
Die Frau wurde getötet, als sie ihrem Hund in den Wald hinterherlief. Danach habe ich die Leiche so versteckt, dass sie nicht so einfach gefunden werden konnte. Ich bin ja schließlich kein Anfänger und mache so etwas nicht zum ersten Mal.“
„Und doch saß sie dort auf der Bank. Das ist eine Tatsache, die Sie nicht bestreiten können.“
„Das habe ich auch nicht vor. Ich habe mich an die Abmachung gehalten und den Auftrag ausgeführt. Sie ist tot oder etwa nicht?“
„Ja, aber ihr Tod sollte heimlich geschehen und kein Aufsehen erregen. Sie sollte einfach von der Bildfläche verschwinden und niemals gefunden werden. Diese Anforderung haben Sie jedoch keineswegs erfüllt. Sie brauchen sich ja nur die Überschriften in der Presse anzusehen:
DIE TOTE AUF DER BANK!
Was für eine Schlagzeile!
Ein gefundenes Fressen für diese Schreiberlinge. Und das alles auch noch in dicken Versalien und so groß wie möglich auf den Titelseiten! So habe ich mir das nun wirklich nicht vorgestellt.
Sie haben Mist gebaut. Das ist wirklich so total verkehrt gelaufen wie es schlimmer nicht hätte laufen können“, fluchte der Bankier nicht sehr kultiviert.
„Ach was. Die Medien werden sich schnell wieder beruhigen. Und das Interesse ihrer Leser und Zuschauer erlahmt ebenfalls sehr schnell. Darüber würde ich mir nun wahrhaftig keine Sorgen machen“, versuchte der Schwarzgekleidete seinen Auftraggeber zu beruhigen.
Doch das kam bei diesem alles andere als gut an.
„Sie haben gut reden bei Ihren simplen Geschäften! Sie bringen auftragsgemäß jemanden um und das war’s. Erregt der Mord Aufsehen ist es Ihnen egal, solange sich für Sie daraus keine Gefahr ergibt.
Bei meinen Geschäften ist das anders, da kann ich keinerlei Aufsehen gebrauchen. Ich leite eine Privatbank. Ich habe Verpflichtungen meinen Geldgebern gegenüber, die bei jedweden Störungen ihrer Geschäfte sehr, sehr unangenehm werden können.
Deshalb muss ich nach außen hin stets einen absolut seriösen Eindruck vermitteln, damit niemand an der Solidität meiner Bank zweifelt. Eine blütenweiße Weste ist dafür unerlässlich. Es geht um sehr viel Geld, um Milliarden, da kann ich mir kein unliebsames Aufsehen leisten.
Ich habe mich auf Sie verlassen.
Und nun dieser Reinfall!“, schimpfte Homberger.
„Aber dieses Aufsehen richtet sich doch nicht gegen Sie. Weshalb sollte ein Verdacht auf Sie, einen unbescholtenen Bankier fallen?“, fragte der Schwarzgekleidete verwundert.
„Es reicht schon, dass die Mordkommission in diesem Fall ermittelt. Aber gerade das sollte durch das spurlose Verschwinden der Toten vermieden werden. Ich dachte, das hätten Sie mittlerweile begriffen.
Dank Ihrer Unfähigkeit leitet jetzt Kriminalhauptkommissar Heckert die Ermittlungen. Er soll einer der fähigsten Kriminalisten sein, wie ich hörte. Der beißt sich fest, lässt selbst dann nicht wieder los, wenn die Spur in die höchsten Finanzkreise führt, hat mir ein Bekannter erzählt.
Dazu noch die gierigen Medien, die hinter jedem Mord die absolute Sensation wittern und dabei heimlich nach dem Pulitzerpreis schielen. Ich hasse dieses aufdringliche Gesocks!
Verdammt noch mal, Niklas, da haben Sie mir wirklich was Schönes eingebrockt!“
„Sie übertreiben“, erwiderte der Mörder gelassen.
„Nein, ich übertreibe absolut nicht. Was wissen Sie denn schon. Sie haben doch nicht die geringste Ahnung von meinen Geschäften. Da wird mit harten Bandagen gekämpft, das können Sie mir glauben.
Aber zurück zu Ihrem Auftrag, den Sie so unbefriedigend erledigt haben.
Wie konnte das passieren?
Ich war der Meinung, Sie würden Samanthas Leiche irgendwo vergraben. Haben Sie die Tote etwa einfach so im Wald liegen lassen?“
„Natürlich nicht!
Ich bin doch kein Anfänger!“, erwiderte der gedungene Mörder empört.
„Ich sagte doch bereits, dass ich sie versteckte. Sie konnte dort nicht gefunden werden. Von wem denn auch? Dahin kommt nie jemand wie ich herausfand, bevor ich die Frau dorthin lockte.“
„So, das haben Sie also vorher herausgefunden. Und doch saß die Tote so gut sichtbar auf der Bank, dass eine Holunderbeeren pflückende Frau sie fand. Wäre es für mich nicht so unerfreulich, würde ich darüber lachen“, sagte der Bankier zynisch.
„Warum sind Sie eigentlich so besorgt? Von der Toten zu Ihnen gibt es doch keinerlei Verbindung, oder doch?“
Homberger antwortete nicht, sah ihn nur giftig an.
„Ach, es gibt eine Verbindung? Dann verstehe ich Ihre Erregung. Mit einem Mord in Verbindung gebracht zu werden, hinterlässt unschöne Flecken auf der ehrbaren weißen Weste“, meinte der Schwarzgekleidete ironisch.
„Werden Sie ja nicht unverschämt, Niklas. Aber Sie irren sich. Zu mir gibt es keine Verbindung. Nicht mehr. Gefahren lasse ich stets sehr schnell und endgültig beseitigen, das sollten ausgerechnet Sie doch wissen“, erwiderte der Bankier eiskalt.
Doch Niklas Kramer sah ihm furchtlos in die Augen. Die unterschwellige Drohung ließ ihn kalt. Homberger war schließlich nicht der erste skrupellose Auftraggeber mit dem er zu tun hatte.
Solange dieser ihn brauchte, hatte er kaum etwas zu befürchten. Sollte sich das in absehbarer Zeit ändern, würde er sich zu wehren wissen. Er war von Kindesbeinen an daran gewöhnt auf sich aufzupassen, Gefahren zu erkennen und ihnen zu begegnen.
Aber die im Raum lastende Stille verursachte ihm plötzlich ein unwohles Gefühl. Es war wohl an der Zeit zu gehen.
„Sie wollten noch etwas Geschäftliches mit mir regeln“, erinnerte er seinen Auftraggeber.
Homberger nickte. Er ging hinüber zu seinem antiken, mit kunstvollen Einlegearbeiten verzierten Schreibtisch, auf dem ein weißer Briefumschlag lag. Er nahm ihn und begab sich zurück zu seinem Besucher, der ihn nicht aus den Augen gelassen hatte.
„Der Rest der vereinbarten Summe“, sagte er.
Niklas Kramer nahm das Kuvert schweigend entgegen.
„Wollen Sie nicht nachzählen?“
„Nein, das dürfte wohl nicht erforderlich sein, denn es wäre nicht besonders klug mich zu betrügen“, entgegnete der Killer gelassen. Er griff nach dem Briefumschlag und steckte ihn ein.
Der Bankier sah ihm regungslos dabei zu.
„Ich habe noch einen weiteren Auftrag für Sie“, sagte Homberger, als sich sein Besucher anschickte zu gehen.
„In Ordnung. Ich höre.“
„Finden Sie heraus, was in dem Wald passiert ist, nachdem Sie Ihren Auftrag erledigt hatten und gegangen sind. Für mich stellen sich da drei meiner Meinung nach wichtige Fragen:
Wie kam Samantha auf die Bank?
Wer schaffte sie dorthin?
Und warum tat derjenige das?“
„Ist das für Sie wichtig?“
„Im Moment noch nicht. Ich bin nur gerne über alles genauestens informiert, dann gibt es hinterher keine unerfreulichen Überraschungen“, erwiderte der Bankier.
Er nennt sie Samantha. Woher kannte er sie? Und weshalb ließ er sie töten? Könnte interessant sein. Es kann nicht schaden, sich unauffällig im Bekanntenkreis der Toten umzusehen. Denn auch ich bin gerne genauesten über alles informiert, was um mich herum passiert.
„Haben Sie mich verstanden?“, fragte Homberger ungeduldig als er keine Antwort erhielt.
„Ja, das habe ich. Aber eigentlich nehme ich derartige Aufträge nicht an. Wäre das nicht eher etwas für eine Auskunftei?“, fragte der Schwarzgekleidete.
„Ich kann keine weiteren Mitwisser gebrauchen. Hätten Sie nicht so schlampig gearbeitet, müsste ich mir jetzt nicht auch noch Gedanken über Schwierigkeiten machen, die eigentlich gar nicht existieren dürften. Nehmen Sie den Auftrag an, denn meiner Meinung nach haben Sie etwas gutzumachen“, sagte der Bankier vorwurfsvoll.
„Außerdem werde ich Sie überaus großzügig dafür bezahlen“, fügte er hinzu.
„Also gut. Wenn der Preis stimmt, mache ich für Sie eine Ausnahme. Sobald ich weiß, was da gelaufen ist, melde ich mich bei Ihnen“, versprach der Auftragsmörder. Er stand auf, nickte seinem Auftraggeber kurz zu und ging zur Tür. Aufatmend trat er in die Nacht hinaus. Sekunden später hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.