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ERINNERUNGEN

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Die beiden Kommissare begaben sich zusammen mit Katharina Berger zurück in Heckerts Büro. Katharina nahm wieder auf dem Stuhl Platz, auf dem sie vorher gesessen hatte. Kommissar Schuster setzte sich auf einen Stuhl neben sie.

Katherina wirkte zwar beherrscht, war jedoch kreidebleich. Dankbar nahm sie den Becher Kaffee entgegen, den ihr Kommissar Heckert anbot. Danach schien es ihr besser zu gehen, denn ihr Gesicht bekam wieder etwas Farbe.

„Fühlen Sie sich in der Lage, uns jetzt noch einige Fragen zu beantworten oder sollen wir das lieber auf Morgen verschieben?“, wollte Kommissar Heckert wissen.

„Nein, es geht schon, Herr Kommissar“, erwiderte Katharina leise.

„Je mehr wir so schnell wie möglich über das Leben Ihrer Schwester erfahren, desto größer ist unsere Chance, des Täters möglichst bald habhaft zu werden“, erklärte Heckert.

„Dann fragen Sie. Ich möchte es hinter mich bringen, um unbehelligt um meine Schwester trauern zu können. Was wollen Sie wissen? Was wäre für Ihre Ermittlungen wichtig, um den Mörder meiner Schwester zur Verantwortung zu ziehen? Falls ich Ihnen dabei behilflich sein kann, bin ich jederzeit dazu bereit“, sagte Katharina ernst.

„Ich will, dass dieser Mörder für seine schreckliche Tat bestraft wird, auch wenn das meiner armen Schwester nichts mehr nützt“, fügte sie leise hinzu. Und nun standen ihr doch die Tränen in den Augen, die sie bis jetzt so tapfer zurückgehalten hatte.

„Also gut, Frau Berger. Was können Sie uns über Ihre Schwester erzählen? Da sie keine Papiere bei sich hatte, fangen Sie vielleicht am besten mit dem Namen, Alter und der Adresse an. Alle weiteren noch erforderlichen Angaben besorgen wir uns dann selbst“, erklärte der Kommissar.

„Samantha ist achtundzwanzig Jahre alt und ebenso unverheiratet wie ich es bin. Sie lebte in einer Eigentumswohnung im Dahlenkamp in Hamburg-Harburg.

Meine Schwester war Bankkauffrau und bis zum Tod unserer Eltern, die bei einem Autounfall ums Leben kamen, in einer Bank tätig. Samantha legte ihr Erbe günstig an und vermehrte bienenfleißig ihr Vermögen, während ich mir mit meinem Erbteil den Traum einer eigenen Druckerei erfüllte. Ich habe eine abgeschlossene Ausbildung als Druckerin“, kam Katherina der Aufforderung nach.

„Wir würden gerne wissen, was Ihre Schwester alleine an diesen abgelegenen Ort geführt haben könnte. Können Sie uns dazu etwas sagen?“, meldete sich Kommissar Schuster zu Wort.

„Das ist leicht erklärt. Samantha liebte diesen Ort, weil sie dort eine kurze Zeit lang mit ihrem Freund Frank Köster glücklich war. Ihr Freund hatte ihr diesen Platz gezeigt. Samantha war gerne dort. Sie genoss die Stille, wie sie mir erzählte, und fühlte sich bei ihrem neuen Freund wohl auch sicher“, erzählte Katharina und die leise, unterschwellige Skepsis in ihren Worten war nicht zu überhören.

„Sie sind da anderer Ansicht?“, fragte Heckert.

„Ich war von jeher eher der nüchterne, rationale Typ von uns beiden“, erwiderte Katharina.

„Kannte Ihre Schwester diesen Frank Köster schon lange?“

„Nein, nicht sehr lange. Ich selbst bin ihm nur wenige Male begegnet.“

„Mochten Sie ihn? War er ihnen sympathisch?“, fragte Benno.

„Nein, Herr Kommissar Schuster, das war er ganz und gar nicht. Ich warnte Samantha sogar vor ihm, denn ich sorgte mich um sie. Nein, ich mochte diesen Mann nicht. Er hatte etwas an sich, so etwas unterschwellig Gewalttätiges, das mich instinktiv abstieß.

Außerdem traute ich ihm nicht.

Ich vermutete, er sei auf Samanthas Vermögen aus. Ob das nun wirklich so war oder ob ich ihm Unrecht tue, werde ich jetzt allerdings wohl nie mehr erfahren.“

„Sie erwähnten eben das Vermögen Ihrer Schwester. War sie sehr vermögend?“, fragte Kommissar Heckert interessiert, der bei derartigen Aspekten eines Falles immer hellhörig wurde. Geldgier war von jeher schon immer ein sehr starkes Mordmotiv.

Geld lockte zu allen Zeiten Verbrecher an. Auch in diesem Fall? , fragte er sich.

„Mit Zahlen kann ich Ihnen zwar nicht dienen, Herr Kommissar. Aber ich weiß, dass Samanthas Vermögen beträchtlich sein muss. Wir erbten beim Tod unserer Eltern beide zu gleichen Teilen.

Samantha legte ihren Anteil in äußerst lukrativen Aktien und später in Immobilien an. Und ihr Vermögen wuchs und wuchs. Sie hatte trotz ihrer Jugend ein unglaubliches Gespür dafür es zu vermehren. Und sie war geradezu versessen auf die Aufstockung ihres Vermögens, obwohl sie relativ bescheiden und keineswegs im Luxus lebte.

Sie war wie ein Hamster. Sie hortete ihr Vermögen. Und ich fragte mich oft wofür, wenn sie es doch nicht für ein schöneres, bequemeres und komfortableres Leben verwendete.

Denn Samantha gab weder Geld für Reisen noch für ihrer Meinung nach überflüssigen Luxus aus. Außer sich geschmackvoll und hochwertig zu kleiden, hatte sie keine mir bekannten kostspieligen Ambitionen.

Ihre schöne Eigentumswohnung richtete sie sich zwar elegant und gemütlich ein, jedoch keineswegs luxuriös, obwohl sie es sich hätte leisten können“, erzählte Katharina.

„Haben Sie in Geldangelegenheiten auch ein so glückliches Händchen wie Ihre Schwester?“, fragte Kommissar Schuster.

„Nein, leider nicht. Ich komme zwar gut zurecht, aber ein Vergleich mit meiner Schwester fiele in diesem Fall keinesfalls zu meinen Gunsten aus. Ich beabsichtige sogar meine Druckerei zu verkaufen.“

„Warum?“, wollte Kommissar Schuster wissen.

„Weil das so hochgelobte Computerzeitalter mit seiner Digitalisierung dieser Branche außerordentlichen Schaden zugefügt hat. Ich wäre gezwungen, beträchtliche Summen in die Modernisierung der Druckerei zu investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Da ich jedoch in guten Zeiten Vorsorge für eventuell kommende schlechtere Zeiten traf, habe ich nicht vor, mich diesem Konkurrenzkampf und diesem Stress noch weiterhin auszusetzen. Vielleicht fällt mir ja ein anderer lukrativer Erwerbszweig ein, dem ich meine Zeit widmen möchte.“

„Befinden Sie sich denn zurzeit in einer finanziellen Zwangslage?“, wollte Kommissar Heckert wissen.

„Nein, in Schwierigkeiten befinde ich mich glücklicherweise nicht, dafür habe ich rechtzeitig vorgesorgt wie ich bereits zuvor erwähnte. Außerdem hätte mir meine Schwester jederzeit aus einer prekären Lage herausgeholfen.“

„Weil es ihr finanziell bedeutend besser ging als Ihnen? Wollen Sie das damit sagen?“

„Ja, Herr Kommissar. Denn meine Schwester war in geschäftlicher Hinsicht nicht nur cleverer als ich, sie war ein Genie. Unserer Zuneigung tat das jedoch keinen Abbruch. Zwischen uns gab es weder Neid noch andere negative Gefühle. Wir lebten beide ohne finanzielle Sorgen. Nur hatte Samantha nun mal das bessere Gespür für lukrative Geschäfte. Ich habe das stets an ihr bewundert“, erwiderte Katharina.

„Ihre Schwester war nicht verheiratet. Wer erbt jetzt ihr Vermögen? Können Sie uns dazu etwas sagen?“

„Ich habe keine Ahnung. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob Samantha ein Testament aufgesetzt hat. Sie hat ja sicherlich nicht schon in so jungen Jahren mit ihrem Ableben gerechnet. Sie hätte doch noch viele Jahrzehnte vor sich gehabt. Aber vermutlich werde ich etwas erben.

Warum fragen Sie?“

Die beiden Kommissare sahen sie schweigend an.

Katharina stutzte.

„Nein, meine Herren! Das glauben Sie jetzt aber nicht im Ernst! Sie verdächtigen doch wohl nicht mich, meine Schwester des Geldes wegen getötet zu haben?“, stieß sie geradezu entsetzt hervor.

„Haben Sie?“, fragte Kommissar Schuster ruhig.

Katharina starrte ihn an.

„Nein! Um Himmels willen. Ich hätte Samantha niemals etwas antun können. Sie hat mir immer beigestanden, war schon im Kindesalter stets für mich da. Sie war mir mehr Mutter und Vater als es meine richtigen Eltern jemals waren.

Sie war vier Jahre älter als ich, war meine ältere Schwester die mich ebenso innig liebte wie ich sie. Wie können Sie etwas derart Entsetzliches überhaupt in Erwägung ziehen?“

„Hatte Ihre Schwester einen Hund?“, fragte Heckert.

„Was?“

„Einen Hund. Besaß Ihre Schwester einen Hund?“

Katharina sah den Kommissar vollkommen verwirrt an. Diesen Gedankensprung vermochte sie nicht so schnell nachzuvollziehen. Eben noch verdächtigten sie die beiden Männer des Mordes an ihrer Schwester. Und plötzlich fragte sie dieser Kommissar Heckert nach Samanthas Hund!

„Einen Hund?“, echote sie. „Ja, sie hatte Baro, den sie über alles liebte. Wieso fragen Sie? Wo ist er? Ist er hier? Haben sie ihn gefunden?“, fragte Katharina jetzt völlig durcheinander.

„Hatte Ihre Schwester den Hund am Tag ihres Todes bei sich?“

„Ja, natürlich. Jedenfalls gehe ich davon aus, auch wenn ich es nicht gesehen habe. Aber Samantha ging fast nie ohne ihn aus dem Haus. Er war ihr ein und alles. Wenn sie ihn irgendwo nicht mit hineinnehmen konnte, dann wartete Baro im Wagen.

Aber dabei war er fast immer.

Er ist ein so liebenswerter kleiner Kerl“, sagte Katharina zärtlich. „Er wird todunglücklich sein. Ich nehme ihn zu mir und sorge für ihn. Kann ich zu ihm?“

Die beiden Männer sahen sie an.

„Was ist? Warum antworten Sie nicht?“

„Das ist leider nicht möglich. Bisher haben wir nämlich nur die Hundeleine gefunden. Sie lag auf dem Boden hinter der Bank, auf der Ihre Schwester saß. Es tut mir sehr leid“, erwiderte Kommissar Heckert.

„Aber wo kann er sein? Er wäre niemals freiwillig von Samanthas Seite gewichen“, sagte Katharina betroffen.

„Vielleicht ist er ja in den Wald gelaufen, vor dem die Bank steht“, meinte Benno Schuster.

„Niemals!“

Katharina schüttelte entschieden den Kopf. „Baro wäre bei ihr geblieben, hätte sie mit Haut und Haaren gegen jeden Angriff verteidigt und beschützt.“

„Dann war es vielleicht so, dass der Hund in den Wald lief, weil er glaubte, von dort drohe Ihrer Schwester Gefahr, und Ihre Schwester lief ihm hinterher, um ihn zurückzuholen.“

„Ich begreife das alles irgendwie nicht“, sagte Katharina verwirrt. „Ich weiß ja noch nicht einmal, woran meine Schwester gestorben ist. Darüber haben Sie mir überhaupt noch nichts gesagt. Wieso eigentlich nicht?“

„Weil es sich für Sie furchtbar anhören wird“, warnte Heckert.

„Wie starb sie? Ich will es wissen.“

„Sie starb durch Genickbruch.“

Katharina starrte ihn an. „Sie ist gefallen? Verunglückt? Aber wieso …?“

„Es war keineswegs ein Unglück, Frau Berger“, stellte Kommissar Heckert richtig. „Ihrer Schwester wurde durch Fremdeinwirkung das Genick gebrochen.

Sie wurde ermordet!“

„Auf dieser Bank?

Aber wer sollte so etwas tun? Und warum?

Samantha erzählte mir, dass dorthin kaum jemand käme. Ihr sei in den Tagen, an denen sie mit Frank dort gewesen sei, nie jemand begegnet.

Und Sie sagten, sie hätte dort tot auf dieser Bank gesessen. Aber wer konnte denn überhaupt wissen, dass sie diesen Ort aufsuchen würde?“

„Vielleicht ihr Freund?“

„Frank Köster, meinen Sie? Nein, der bestimmt nicht. Der hat sich doch davon gemacht. Er hat Samantha in Stich gelassen, hat sie kalt lächelnd wie einen gebrauchten Gegenstand abserviert.

Er stecke in großen Schwierigkeiten und müsse sich ins Ausland absetzen, hat er zu ihr gesagt. Und dann ist er auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Samantha war zutiefst verletzt. Eben noch hatte sie an ein Glück zu zweit geglaubt und dann dieser abrupte, herzlose Bruch.

Ich glaube, sie fuhr nur zu diesem Platz, um mit sich ins Reine zu kommen. Dass es sie das Leben kosten würde, konnte sie ja nicht ahnen“, sagte Katharina leise.

„Wir finden die Wahrheit heraus, Frau Berger“, versprach Heckert.

Katharina nickte und stand auf. Sie verabschiedete sich von den beiden Kommissaren und verließ mit hängenden Schultern das Zimmer.

„Ich glaube nicht, dass sie mit dem Mord etwas zu tun hat“, sagte Kommissar Heckert, als die beiden Männer wieder alleine waren.

„Ich auch nicht“, erwiderte Benno Schuster. „Jemandem das Genick zu brechen, erfordert Kraft und Geschick. Eine so zierliche Person wie Katharina Berger wäre meiner Meinung nach für eine solche Tat nicht annähernd stark genug.“

„Allerdings könnte sie jemanden beauftragt haben“, gab Kommissar Heckert zu bedenken.

„Ja, da haben Sie allerdings recht“, erwiderte Benno.

Die Tote auf der Bank

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