Читать книгу Will haunt you - Dieses Buch wird dich verfolgen - Brian Kirk - Страница 8
ОглавлениеDie Bar roch nach eingelegten Eiern und schaler Pisse, was ein nostalgisches Stechen hervorrief. So sahen meine bevorzugten Jagdgebiete aus. Orte, an denen man so schäbig sein konnte, wie man nur wollte, und es war allen scheißegal. Ich schloss die Augen und ließ das Gemurmel der Gespräche in meinen Ohren nachhallen, wobei ich in dem allgemeinen Dröhnen Bruchstücke mitbekam. Es war ein beruhigender Laut, leeres Gefasel. Er beschwor Erinnerungen an unzählige Stunden herauf, die ich in genau solchen Räumen verbracht hatte, gebeugt über einem Glas mit kaltem, fahlgelbem Bier. Den Blick auf Sportzusammenfassungen auf den verschwommenen Bildschirmen gerichtet, während der Verstand sich in dem Fluss des Gefasels verliert. Dem Fluss aus Whiskey.
Das Krachen von Schüssen erschreckte mich, und als ich aufblickte, sah ich eine Reihe von Leuten, die leere Schnapsgläser auf die Theke knallten.
»Mehr davon!«, rief Caspian und legte den Arm um die Frau zu seiner Rechten. Darauf folgte ein zustimmendes Gegröl, und der Barkeeper drehte eine Flasche Fireball auf den Kopf.
Schmeckt himmlisch, brennt höllisch.
Lässt dich zur Hölle fahren.
Solomon löste sich von der Theke, seine Augen wässrig, und bahnte sich mit den Schultern einen Weg zu mir herüber.
»Muss doch scheiße für dich sein«, sagte er und blickte mit leichtem Abscheu auf mein Mineralwasser.
»Na ja, was soll man machen?«
»Ist es schwer?«
Ich nahm einen Schluck. Es schmeckte wie Metall. »Alles ist schwer, Mann.«
»Da sagst du was.« Solomons Shirt, das einmal weiß gewesen war, hatte sich am Kragen und unter den Achseln gelblich verfärbt und war inzwischen eine halbe Größe zu klein. »Alk macht es aber leichter.« Ich höre immer noch die Schreie in der Nacht vor Jahren. Ihre, meine. Ich schwöre, sie werden jedes Mal lauter und klarer, wenn ich mich an sie erinnere. »Nicht für mich. Für mich macht er alles viel schwerer.«
»Sicher …« Solomon schweifte ab, und seine Augen wurden glasig, als er seinen Gedanken nachging. Für einen Säufer gibt es nichts Schlimmeres als jemanden, der trocken wird.
Caspian kam mit zwei Bier zu uns; die Klette, die er an der Theke stehengelassen hatte, sah ihm schwermütig hinterher. Er hielt Solomons eins hin.
»Prost, Jungs«, sagte er, und wir stießen die Gläser zusammen, wobei ich mir zugegebenermaßen wie das fünfte Rad am Wagen vorkam. Caspian trank sein Miller Lite in drei Schlucken fast halb leer.
»Hat jemand Kevin gesehen?«, fragte Solomon.
Caspian lachte und stank aus dem Mund. »Der hat eine Dorfmatratze mitgenommen, um sie ordentlich zu bürsten. Hat sich nicht viel geändert bei dem.«
Er bedachte mich mit einem Blick der Enttäuschung. »Was ist mit dir?«, fragte er. »Wie ist das so, hinter einem weißen Lattenzaun eingesperrt zu sein?«
Ich spürte, wir mir die Hitze ins Gesicht stieg. »Scheiße, mein Leben läuft gut, Mann. Ich lebe den Amerikanischen Traum.«
Caspian schlug Solomon auf den Rücken, als dieser gerade einen Schluck trank, wodurch ein weiterer Fleck auf seinem versifften Shirt entstand. »Eher ein beschissener Albtraum. Produzierst Werbejingles, richtig? So viel zum Thema Rock’n’Roll.«
»Richtig, zahlt sich wenigstens aus.«
»Sicher doch. Deshalb heißt es auch ›sich verkaufen‹.«
Eiswürfel zwischen meinen Zähnen zu zermalmen half etwas, aber nicht genug. Ihn erwürgen hätte es vielleicht getan.
»Hey!« Caspian schlug mir mit der Rückhand gegen den Bauch, und es tat weh. »Ich verarsche dich doch nur, Kumpel! Mir doch egal, ob du dich in die verfickte Mickymaus verwandelst. Wenn es für dich läuft, wenn du wirklich glücklich bist, dann ist das toll. Als Säufer kommt man sowieso nicht weit, so viel steht fest.«
Caspian und seine zweifelhaften Komplimente. Ich hätte lieber warmen Rotz in meinem Glas gehabt als den Sprudel, aber ich trank noch einen Schluck. Alles, womit ich meinen Mund füllen konnte, außer den Worten, die hinauswollten.
Rückblickend waren es nicht die Partys und Cassies Schwangerschaft gewesen, die die Band auseinandergerissen hatten. Sondern Caspian.
Solomons Augen waren glasig und unkoordiniert. Er musste etwas genommen haben, sobald die Show vorbei war, wenn nicht schon vorher. Dann erinnerte ich mich an das Buch. »Hey, Mann, ich hab’ das Buch gelesen, von dem du mir erzählt hast.«
Solomon schien mich nicht zu hören. Er nickte langsam mit dem Kopf, als würde er irgendeinem Drumsolo lauschen, das er nie spielen konnte. Sein verschwitztes, schwarzes Haar klebte an seinem Kopf. Ein öliger Schimmer im Gesicht, der irgendwie modrig roch und ihn aussehen ließ wie warmen Käse.
»Alter.« Ich stieß mit dem Ellenbogen gegen seinen Arm. »Wo fliegst du rum?«
Ein käsiger Mann in einem Slayer-T-Shirt kam herüber und wollte sich ins Gespräch mischen, aber Caspian schloss ihn mit dem Rücken aus. Wir standen in einem lockeren Dreieck und machten alle einen Schritt vorwärts, um es enger zu machen. Inmitten des versoffenen Durcheinanders hatte das etwas Zeremonielles. Das Festmachen eines Knotens.
»Alter!«, schrie ich Solomon ins Gesicht. »Wach auf, verdammte Scheiße.«
Er blinzelte überrascht. »Was? Was ist los?«
Caspian blickte auf der Suche nach einer besseren Gelegenheit durch den Raum, aber ich sah ihm an, dass er zuhörte.
»Das Buch.« Ich sprach jedes Wort langsam und sorgfältig, als würde ich mit meinem hirngeschädigten Sohn sprechen. »Das, von dem du mir erzählt hast. Ich habe es gelesen.«
»Oh.« Solomons Gesicht bekam einen frischen Überzug aus öligem Schweiß. »Was hältst du davon?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Mir tat das Mädchen leid. Ziemlich makabre Lektüre.«
»In deinem kam ein Mädchen vor?«
Ich spürte die Vibration meines Handys an meinem Bein. Durch den Stoff meiner Jeans konnte ich leise den harmonischen Anfang von »Welcome Home (Sanitarium)« hören. Ich sah nach: Cassie rief an. Normalerweise hätte mich das genervt, aber eigentlich fühlte ich mich erleichtert.
Ich hielt mein anderes Ohr zu und ging dran. »Hey, Süße. Was läuft?«
»Hey! Wie war’s?«
Caspian lauschte immer noch. Dieses große, herabhängende, durchlöcherte Ohr war wie eine Satellitenschüssel auf mich gerichtet. Ich legte die Hand über meinen Mund, um etwas Privatsphäre zu haben.
»Ähm … gut, Süße.« Vor meinem inneren Auge sah ich die Frau, die ihr Top hob, wobei ihre Nippel vibrierten wie ein Feder-Türstopper. »Ein bisschen eingerostet. Aber trotzdem gut gelaufen. Die Leute hatten Spaß.«
»Natürlich hatten sie das.« Ich konnte Cassies Lächeln hören. Konnte ihre perfekten, elfenbeinfarbenen Zähne sehen, an denen der Dreck abperlte. Ich fragte mich, ob ihre Gelüste immer noch so schlimm waren wie meine. Wenn ja, dann versteckte sie sie gut. Schien stattdessen vom Muttersein high zu werden. Ihre Dröhnung bekam sich durchs morgendliche Kuscheln, abendliche Bäder und unschuldiges »Ich hab’ dich lieb«.
Für mich fühlte sich das Vatersein so an wie ein permanenter Kater.
»Ich bin froh, dass du die Gelegenheit hattest«, sagte Cassie. »Das hast du gebraucht.«
Der Dunst aus Zigarettenrauch war dicht, aber nicht so, dass er die stechende Feuchtigkeit in meinen Augen erklärte. »Ja, also …«
»Also, wie lange bleibst du noch weg? Ich meine, kommst du klar?«
Ich blickte durch die Neige von Mineralwasser auf den Grund meines Glases. Der weinrote Boden wirkte wie ein rundes, verschwommenes Zehncentstück. Ein gieriges schwarzes Loch mit einem Gravitationsfeld, das mich niemals loslassen würde, bis es mich eingesaugt und lediglich ein Rülpsen zurückgelassen hätte.
Ich nahm die Hand vom Mund und sprach lauter als nötig, damit Caspian mich verstehen konnte. »Ja, ich lass es gleich gut sein. Ich bin dann …«
Seine Hand schoss vor wie ein wütender Mungo und packte das Handy. »Ist das die reizende Cassie Wheeler? Wie geht’s dir, meine Liebe?«
Das Lächeln des Scheißkerls wirkte bedrohlich. Missbräuchlich, wenn man so etwas von einem Lächeln sagen konnte. Soweit ich wusste, hatte er schon zweimal versucht, Cassie zu ficken. Beim ersten Mal hatte ich ihm eins aufs Maul gehauen und damit einen Kampf angefangen, der zwanzig irrsinnige Sekunden gedauert hatte und nach dem wir zerschunden und voller Blut gewesen waren. Am nächsten Abend gingen wir saufen und legten am Ende die Arme umeinander. Beim zweiten Mal hatte Caspian einfach mit den Schultern gezuckt, als wollte er sagen: »Was hast du erwartet?« Dieses Mal übersprangen wir die Prügelei und gingen gleich zum versöhnenden Besäufnis über – auf Caspians Rechnung. Es war seine Art, sich hintenrum zu entschuldigen. Er hatte es wahrscheinlich noch öfter versucht, und Cassie hatte einfach nichts gesagt. Bei Männern wie Lance Caspian gab es nicht viel zu sagen. Er machte es weniger aus Lust denn aus Bosheit.
Caspians Augen wurden glasig, als er dem zuhörte, was Cassie zu sagen hatte. »Hör mal, Liebes. Die Toten ruhen nicht. Das hier passiert nur einmal in zehn Jahren, und ich muss mich jetzt loseisen. Dein Junge macht sich prächtig, du musst dir keine Sorgen machen. Wir schicken ihn gesund und munter nach Hause, und ihr könnt zu eurem aufregenden, spontanen Leben der Kindererziehung zurück. Okay? Ciao.«
Er unterbrach die Verbindung und steckte das Handy in seine Gesäßtasche.
»Alter«, sagte ich.
Caspian streckte die Hand aus schüttelte den Kopf. »Nichts da. Junge, ich rette dich vor dir selbst.«
Dann kam die Kleine, die mir ihre Titten gezeigt hatte. Und mit einem angeborenen sechsten Sinn trat Caspian beiseite und ließ sie durch.