Читать книгу Will haunt you - Dieses Buch wird dich verfolgen - Brian Kirk - Страница 9
ОглавлениеIhr Name war Mandy, vielleicht Marie. Ich wusste es nicht. Ihr Südstaatenakzent wurde durch ihr Lallen verstärkt. Sie versuchte immer wieder, ihre Arme um meine zu schlingen, aber ich ließ sie nicht, sodass es zu einer Art Ringkampf wurde, der wie der Paarungstanz zweier verliebter Schlangen aussehen musste.
Caspian und Solomon machten sich davon, sowie sie herüberkam, und schütteten sich an der Theke Drinks ein. Ich zählte vier in den dreißig Minuten, seit Mandy-Marie hergestolpert war. Zusätzlich zu den sechs vor der Show und mehreren währenddessen. Sie waren beide auf dem Weg, vollkommen hacke zu werden. Und Caspian wollte bestimmt nach Hause gefahren werden. Deshalb hatte er Cassie abgewürgt und mein Handy beschlagnahmt. Beschissener Schnorrer.
Mandy-Marie hatte keine Lust mehr, mit meinem Arm zu ringen, und wurde dreister. Sie tat so, als würde sie gegen mich stolpern, und rückte dabei ihre Möpse gegen meinen Brustkorb.
Ein Timer geht an, sobald Titten die Brust eines verheirateten Mannes berühren, und ich ließ ihn noch lange weiterlaufen, nachdem er schon hätte klingeln müssen. Hör mal, ich konnte nicht anders. Zwanzig Jahre junge Titten zu spüren, hat dieselbe Wirkung wie das Fixen von Amphetamin, und ich muss es wissen. Letztendlich brachte ich die Entschlossenheit auf, sie wegzuschieben, und ich hörte sie maulen wie ein bockiges Kind.
»Oh mein Gott, tut mir so leid. Ich bin so ein Trampel, ehrlich. Du hältst mich bestimmt für voll dämlich.« Sie streckte ihre Unterlippe vor und schmollte.
»Nein, du bist toll.« Ich hielt sie auf Armeslänge und versuchte, die Aufmerksamkeit der Jungs zu erregen. Es war Zeit zu gehen.
»Ach, du bist süß. Ich schwöre, ich …«
»Warte hier.« Ich machte einen Schlenker um sie herum und schlängelte mich in Richtung Theke. Ich war definitiv als einziger nüchtern, und allmählich bekam ich ein Kontakthigh. Der Raum schwankte. Irres Gelächter hallte von den Wänden wider. Die weiße Lichterkette, die das ganze Jahr über am Thekenüberhang hing, verschwamm in einer diffusen Korona, und der Geruch von filterlosen Zigaretten war inzwischen sehr verführerisch.
Ich packte Caspians Schulter. »Hey, Mann. Ich brauch mein Handy wieder. Zeit, dass ich die Fliege mache.«
Seine Augen waren halb geschlossen, und die Pupillen tanzten in einem Meer aus Rot auf und ab. »Warum hörst du nicht auf, so ein Weichei zu sein, und bestellst dir was zu trinken? Es wird dich schon nicht umbringen.«
Auf Caspians Gesicht, genau unter dem Auge, zeigte sich eine Stelle, die darum bettelte, geschlagen zu werden. Oder am Kinn. Ihn schlafen legen und ihn an seinen fleischigen Altmännerarmen rauszerren. »Nein, passt schon. Der Abend ist vorbei. Zeit, nach Hause zu fahren.«
Seinen Augen schienen für einen kurzen Augenblick zu fokussieren. »Nein, Kumpel. Der Abend fängt erst an.«
»Nee, nicht für mich.« Ich griff hinter ihn und riss ihm das Handy aus der Gesäßtasche. »Hat aber Spaß gemacht. Das sollten wir nächstes Jahrzehnt wieder machen.«
»Mann, warum musst du so ein Spielverderber sein?« Schweiß hatte das Spray aus Caspians Haaren gewaschen, sodass es ihm an beiden Seiten in Strähnen herunterhing und die gelbe Kopfhaut zu sehen war. Sie war voller Altersflecken. Der Mann liebte seine Gifte, und eine Leber konnte nur so viel aushalten. Er stieß sich von der Theke ab und wankte. »Schon gut, scheiß drauf. Jemand muss mich fahren.«
»Ihr haut ab?«, fragte Solomon. Er sah niedergeschlagen aus, als hätte man seine Gefühle verletzt.
Ich grinste, legte meinen Arm um Solomon und umarmte ihn von der Seite. »Heute Abend war toll. Gute Show. Das sollten wir bald wieder machen.«
Solomon drückte mich und hielt mich fest. »Pass auf dich auf, ja?«
Die Umarmung dauerte länger, als sie sollte. »Danke, mach ich.«
»Ich meine es ernst.« Solomon fiel es schwer, seine Augen auf einen Punkt zu richten, und gab einen gurgelnden Laut von sich, als hätte er einen Schlaganfall. »Es ist immer noch da draußen.« Da sah ich die rosige Furche, die sich durch das Fleisch unter Solomons Kinn bis hinab zur Seite seines Halses zog. Sie war teilweise von irgendeinem hautfarbenen Schleim bedeckt, den der Schweiß zu Brei verwandelt hatte.
»Ah, klar.« Ich nahm an, dass Solomon mir einen Schreck einjagen wollte. »Sicher, ich pass’ auf mich auf.«
Ich ergriff Caspians Ellenbogen und führte ihn durch die Nachzügler, die noch immer an der Theke standen und zu besoffen waren, um überhaupt zu merken, dass die Band sich auflöste. Wieder einmal. Morgen würden die meisten von ihnen die Show vergessen haben.
»Du bist ein verschissener Schlappschwanz, Kumpel«, sagte Caspian, der auf unsicheren Beinen dahinstolperte und mit dem Kopf wippte. »Weg von der Band, weg vom Alk. Verheiratet. Wette, du bist auch von der Muschi weg.«
»Richtig, ganz genau.«
Caspian löste seinen Arm und stieß die Tür zum Parkplatz auf. Die Luft war kühl und klar und roch nach frischem Asphalt. Kies knirschte unter unseren Füßen, und so verführerisch es auch war, Caspian ausrutschen und fallen zu lassen, half ich meinem alten Frontmann zu meinem Auto.
Ich blickte mich kurz auf dem Parkplatz um, sah Kevin aber nirgendwo. Er musste seine Bumsschnecke mit nach Hause genommen haben. Dann sah ich zum Weltraum hinauf, wie ich es nachts gerne mache. Ich blickte mürrisch auf den Vorhang aus Schwärze, auf die Sterne, die von der Lichtverschmutzung aus Atlanta erstickt wurden. Wir tauschten unsere Aussicht auf den Kosmos gegen die Möglichkeit ein, bis tief in die Nacht zu arbeiten, und Sterngucker wie ich gehen leer aus.
Eine Auto rauschte auf dem abgelegenen Highway vorbei, als ich Caspian in den Sportsitz meines Toyota Camry hievte und die Tür schloss. Die Werbetafel des Full Moon Saloon war immer noch beleuchtet. RISING DEAD REUNION. Show beginnt um 20 Uhr. Bier 2 $.
Klar, Bier. Eher Pisse.
Aber jetzt rockten wir im großen Buch der Weltgeschichte an diesem verschlafenen Samstagabend für immer den Full Moon Saloon. Und das brachte mich zum Lächeln.
Der Camry sprang beim ersten Versuch an, was fast schon ein Wunder war. Er hatte schon mehr als 180.000 Meilen hinter sich, und ich wartete auf seinen unvermeidlichen Zusammenbruch, was ein neues Auto bedeuten würde. Oder ein altes, wenn man es genau nahm. Allerdings neue Raten. Was mehr Reklamearbeit voraussetzte. Mit sechsundvierzig stehe ich nicht mehr ganz oben auf der Anrufliste.
Aber wir würden schon eine Möglichkeit finden. Cassie und ich. Hatten wir immer. Manche One-Night-Stands halten ewig.
Früher war ich besessen von dem Leben, das ich für sie aufgegeben hatte. Die Freiheit, die Jahre auf der Straße. Rückblickend aber weiß ich, wer den besseren Schnitt gemacht hat.
Caspian nickte bereits im Sitz ein und schnaufte wie ein Greis mit Emphysem. Das hätte genauso gut ich sein können.
Er kam allerdings wieder zu Atem, als wir auf den Highway fuhren, setzte sich auf, schaltete das Radio ein und drehte die Lautstärke voll auf. »Die Sender hier draußen sind echt scheiße«, sagte er.
Es lief »Beds are Burning« von Midnight Oil. Ich mochte das Lied.
»Dann dreh leiser.«
Das tat er. Ein bisschen. Ich drehte noch leiser.
»Verfickte Prinzessin«, lallte Caspian.
Stimmt, genau da wäre ich jetzt, wenn ich Cassie nicht geschwängert hätte. Im Vollrausch vor mich hinsabbern. Zehn, fünfzehn Jahre älter aussehen, als ich bin. Aber wo wäre sie? Als wir uns kennenlernten, arbeitete Cassie als Grafikdesignerin für ein Musiklabel. Sie wurde beschissen bezahlt, liebte aber ihre Arbeit. Und sie machte gute Arbeit. Sie hatte Talent. Hat es immer noch. Nutzt es jetzt eben für dekorative Umschläge für unsere Fotoalben. Ein bisschen freiberufliche Arbeit, wenn sie drankommt. Meistens Hochzeitseinladungen und so ein Zeug. Sie hörte beim Label auf, als es zu dem »Unfall« kam.
Ich nenne es immer noch so: »den Unfall«. Zumindest in Gedanken. Mein wehrhaftes Ego. Aber immer in Anführungszeichen. »Der Unfall«.
Okay, los geht’s. Ich war nach einer Doppelschicht bei Best Buy was trinken gegangen. Ich hasste diesen beschissenen Job, brauchte aber das Geld, um unser Baby zu ernähren – unsere Große Überraschung (großes G, das kannst du mir glauben). Ich gab nebenbei Gitarrenstunden und versoff das Geld, das ich dafür bekam. Stammkunde sein half; manchmal musste ich meinen Deckel nicht bezahlen. Außerdem spielte ich ab und an zur Happy Hour. »Sweet Child of Mine« und so einen Scheiß.
Razz, der Barmanager von diesem Laden namens The Mule Kick, probierte ein neues Getränke-Special aus. Zwei Long Island Ice Teas zum Preis von einem. Frisch gemixt, keine Fertigmischung. Alk bis zum Rand. Ein paar davon, und die Bar machte ihrem Namen alle Ehre. Ein paar mehr, dann wurde die Nacht dunkel und trüb. Ich hab’ keine Ahnung, wie viele ich an jenem Abend gehoben hatte. Mein Deckel lag nie über zehn Mäusen.
Nachts kümmerten Cassie und ich uns abwechselnd um unseren Sohn Rox, wobei sie das Kommando übernahm. Sie schubste mich immer aus dem Bett, wenn ich dran war. Sie war damals immer noch süchtig, aber nicht so sehr wie ich. In dieser Nacht musste sie allerdings mehr als sonst intus gehabt haben, denn sie war völlig weggetreten. Immer noch angezogen, ließ ich mich neben ihr aufs Bett fallen und wachte Stunden später in der schlimmsten Stille auf, die ich je gehört hatte. Die Wohnung war nie still, Mann. Rox hatte ein Organ, das Caspians in den Schatten stellte.
Cassie und ich wachten ungefähr gleichzeitig auf. Sahen auf die Uhr und merkten, dass die verschwommenen Ziffern vier Uhr irgendwas zeigten. Weit über meine nächtliche Schicht hinaus. Sie stand auf, und ich blieb liegen, teils wegen des einsetzenden Katers, aber auch aus irgendeiner warnenden Angst. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Konnte es fühlen wie einen stummen Alarm.
Dann hörte ich sie schreien. Als hätte ich es herbeigerufen. Ein Kreischen, das wie ein elektrischer Schlag durch mein Hirn fuhr. Ich sprang aus dem Bett und rannte ins Wohnzimmer, wo Rox’ Gitterbett in einer Ecke stand. Der einzige Platz dafür in einer 40-Quadratmeter-Einzimmerwohnung. Ich sah, dass das Bett leer war, und mein erster Gedanke war, dass jemand meinen Sohn entführt hatte. Ein verrückt gewordener Fan oder eine sitzengelassene Geliebte. Wir mussten die Polizei rufen, das vermisste Kind melden. Dann bemerkte ich, wie Cassie dahockte und auf etwas am Boden starrte. Rox war nicht geraubt worden. Er war irgendwann in der Nacht aus seinem Bettchen gekrochen und auf dem Parkettboden aufgeschlagen. Ich werde den Anblick nicht näher beschreiben. Tatsächlich kann ich es nicht. Ich habe alles getan, um das Bild zu verdrängen.
Er überlebte, aber seine Zukunft war zerstört. Ebenso meine Laufbahn als Rockstar, eine gerechte Strafe für mein fahrlässiges Verhalten. Nichts, was geschehen ist, ist gerecht.
Cassie kündigte ihren Job, um zu Hause zu bleiben. Gut, dass sie eine so tolle Mutter ist. Rox braucht viel Pflege. In vielerlei Hinsicht ist er noch immer ein Säugling. Wo, ach wo wäre sie ohne mich?
Der Sänger von Midnight Oil sang davon, die Zeche zu zahlen, seinen Teil zu leisten, während Caspian neben mir schnarchte.