Читать книгу Auf den Spuren von Elfen und Trollen in Island. Sagen und Überlieferungen. Mit Reisetipps zu Islands Elfensiedlungen - Brigitte Bjarnason - Страница 11
ОглавлениеVopnafjörður – Ostisland
Der Fjord Vopnafjörður liegt 92 Kilometer nördlich von Egilsstaðir an der Ostküste Islands. Die Straße führt an den bis zu 1.200 m hohen Gipfeln der Bergkette Smjörfjöll vorbei, deren Berghänge mit Spalten und Schluchten durchzogen sind und einen dürftigen Pflanzenwuchs aufweisen. Auf der gegenüberliegenden Seite fasziniert der Fernblick auf das Gebirgsmassiv Dyrfjöll. Bei Ketilsstaðir an der Bucht Heraðsflói windet sich der Weg über die 730 m über dem Meeresspiegel gelegene Hochebene Hellisheiði. Dieser zwischen Vopnafjörður und dem Fljótsdalshérað gelegene, steile und kurvenreiche Bergpass ist nur im Sommer ganz befahrbar. Auf dem höchsten Punkt, genannt Fönn (Schnee, Schneewehe), liegt auch in der warmen Jahreszeit oft noch Schnee. Wenn dies im Sommer nicht der Fall ist, deutet dies auf einen harten Winter hin.
Der Bezirk Vopnafjörður teilt sich in drei Täler auf, das südliche Hofsárdal, das mittlere Vesturárdal und das nördliche Selárdal. Hier fließen die bekanntesten Lachsflüsse Islands, Hofsá und Selá. Vor dem Ort Tangi liegt eine schwarze Sandebene, wo dicht am Ufer des Meeres die Reste eines versunkenen Schiffes aus dem Wasser herausragen. Die etwa 700 Einwohner des Dorfes leben überwiegend vom Fischfang. Sehenswert ist die im Jahre 1902 erbaute Kirche mit einem Altarbild Kjarvals. Lohnend ist ebenfalls ein Besuch des Schwimmbades. Es liegt 3,5 Kilometer links von der Hauptstraße im Selárdal. Das Wasser für die Beheizung stammt aus heißen Quellen, die sich unterhalb des Wasserfalles Selárfoss befinden. Vopnafjörður rühmt sich seiner stabilen Wetterlage und seiner Naturschönheit. Das mag der Grund dafür sein, dass sich hier zahlreiche Wesen aus der Elfenwelt angesiedelt haben.
Wanderkarten und weitere Informationen sind im Touristenbüro Kaupvangskaffi, Hafnarbyggð 4a, erhältlich. Auch die Website www.vopnafjardarhreppur.is/ bietet einen guten Überblick und berichtet über Aktivitäten in der Region.
Die Geschichte von dem Jungen aus dem Sunnudal
In früheren Zeiten kam es vor, dass Elfen oder Wesen aus dem huldufólk ungetaufte Menschenkinder zu sich in die Elfenwelt lockten. Gerne nahmen sie dazu die Gestalt der Freunde der Kinder an. Einige der auf diese Weise entführten Kinder tauchten nie wieder auf. Anderen gelang die Flucht oder sie wurden von Menschen zurückgeholt.
Es lebte einmal ein Ehepaar mit ihrem Sohn Sigurður auf einem Hof im Sunnudal im Vopnafjord. Als der Junge sechs Jahre alt war, passierte folgende Geschichte:
Es war Herbst und der Bauer und seine Frau waren bei der Arbeit auf den Feldern. Der Junge entfernte sich beim Spielen unbemerkt vom Hof. Erst abends bemerkten die Bauersleute sein Verschwinden. Sofort wurde nach ihm gesucht, aber die Suche blieb erfolglos. Auch nachdem die Nachbarn sich an der Suche beteiligten und das ganze Gebiet um den Vopnafjord durchkämmten, tauchte der Junge nicht auf. Niemand konnte sich das spurlose Verschwinden des Kindes erklären.
Zu Weihnachten besuchten die Eheleute den Gottesdienst in der Kirche auf dem Land des Gehöftes. Nach dem Gottesdienst sprach der Pastor ein paar tröstende Worte zu dem traurigen Bauer. Daraufhin erwiderte der Bauer, dass es schlimm wäre, wenn sogar der Pastor mit allen seinen Fähigkeiten ihm nicht helfen könne, den Jungen zu finden.
„Wir Pastoren lernen nicht, verschwundene Dinge aufzuspüren. Das kann nur ein Mann auf Island“, antwortete der Pastor.
„Welcher Mann ist das?“, fragte der Bauer.
„Das ist Arnþór á Sandi.“
Der Pastor riet dem Bauern ab, sich mit Arnþór á Sandi in Verbindung zu setzen, denn er wohne im Nordwesten Islands. Der Weg dorthin war lang und gefährlich. Doch der Bauer drängte den Pastor, mehr über Arnþór zu erzählen, und er erfuhr, dass dieser Mann einer der mächtigsten Zauberer Islands war.
Der Bauer kehrte heim, erzählte seiner Frau von dem Gespräch mit dem Pastor und bat sie, ihm noch in der gleichen Nacht neue Schuhe zu nähen und Proviant einzupacken. Frühmorgens wollte er aufbrechen und Arnþór aufsuchen, um ihn um Hilfe zu bitten.
Eine Woche war der Bauer aus Vopnafjörður unterwegs. Am siebten Tag kam er wohlbehalten auf dem Hof Sandi an. Arnþór empfing ihn freundlich, und der Bauer brachte sofort sein Anliegen vor.
„Ich weiß von deinen Sorgen“, sagte Arnþór, „aber trotzdem sollst du erstmal essen und dich von der beschwerlichen Reise ausruhen.“
Dem Bauern wurde Essen gereicht, und Arnþór verwickelte ihn in ein Gespräch. Es schien, als ob er nicht über das Verschwinden des Jungen sprechen wolle. Da wurde der Bauer ungeduldig.
„Wenn du weißt, wo der Junge ist, warum sagst du es mir nicht?“, sprach er ärgerlich.
„Ich kann dir sagen, dass dein Sohn gesund und am Leben ist. Es geht ihm besser als bei seinen Eltern, und ich wünschte, du würdest ihn dort lassen, wo er ist. Er lebt bei guten Leuten“, antwortete Arnþór.
Der Bauer war wütend und meinte, die Reise sei dann umsonst gewesen. Er fand es traurig, dass selbst so ein mächtiger Mann wie Arnþór es nicht wagte, den Jungen zu holen.
Arnþór begleitete den Bauern zur Tür. Plötzlich zögerte er und sprach: „Pass gut auf, was ich dir nun sage. Es gibt einen großen Stein im Sunnudal, westlich von deinem Hof. In diesem Stein wohnt ein Ehepaar aus dem huldufólk. Eines der besten und freundlichsten Ehepaare, die ich kenne. Sie haben keine Kinder und holten deshalb den Jungen zu sich. Er liebt diese Leute inzwischen mehr als euch, seine Eltern. Wenn du nun auf deinem Heimweg an dem Stein vorbeikommst, sollst du mit lauter Stimme sagen: „Arnþór á Sandi lässt euch grüßen und bat mich euch zu sagen, dass er heute halb, morgen halb und am dritten Tag in ganzer Gestalt kommen wird, wenn ihr nicht den Jungen, der bei euch ist, laufen lasst.“ Diese Worte sollte der Bauer dreimal wiederholen und dabei dreimal um den Stein herumgehen.
Der Bauer war zufrieden, dankte Arnþór für die Hilfe und verabschiedete sich. Er machte sich auf den Heimweg, und als er an dem Stein vorbeikam, ging er dreimal um ihn herum und sprach die ihm aufgetragenen Worte. Danach ging er heim. Seine Frau begrüßte ihn freudig und wollte ihn über den Erfolg der Reise ausfragen. Doch der Bauer schwieg. Sie gab ihm zu essen und ging ihrer Hausarbeit nach. Plötzlich sah sie ihren Sohn weinend den Treppenabsatz hinaufkommen. Die Bauersleute waren überglücklich ihn zu sehen und umarmten und küssten ihn.
„Wie kam es, dass du uns verlassen hast, mein Kind?“, fragten sie beide gleichzeitig, „und wo warst du die ganze lange Zeit?“
Der Junge antwortete: „Als ich draußen spielte und ihr bei der Arbeit wart, kam ein Mann zu mir und ging mit mir zum großen Stein. Er und seine Frau behandelten mich sehr gut und meinten, ich solle ihr Sohn werden. Seitdem habe ich bei ihnen gelebt. Niemals seid ihr so gut zu mir gewesen wie diese Leute. Aber heute kam ein fremder Mann mit der Botschaft von Arnþór á Sandi, mich sofort nach Hause zurückzubringen. Danach wollten sie im Stein verbrennen. Mein Pflegevater trug mich zum Hof, küsste mich und sprach weinend: ‚Es ist nicht deine Schuld, dass ich dich fortgebe, mein Liebling. Und weil ich dich so sehr liebe, soll niemand darunter leiden. Du wirst der reichste und beste Bauer in Vopnafjörður werden.‘ Dann verschwand er. Aber noch immer fühle ich seine Tränen auf meiner Wange.“
Da entdeckten die Bauersleute einen gelblichen Fleck auf der Wange des Jungen. Dieser Fleck blieb dort sein ganzes Leben.
Sigurður wurde später der reichste Bauer in Vopnafjörður. So wie es der Elfenmann voraussagte.
*aufgeschrieben von Sigfús Sigfússon, erzählt von Guðrún Bjarnadóttir, Hjartarstaðir, 1910
Der Mann im Wasserfall
Der alte Hof Foss ist nach dem Wasserfall im Fluss Hófsá im Hófsárdal benannt.
Früher soll ein Troll in einer Höhle unter dem Wasserfall gewohnt haben. Jetzt ist die Höhle eingestürzt und nur noch schlecht erkennbar. Dieser Troll war von riesiger Gestalt und spielte dem Schafhirten von Foss gerne Streiche.
Es war einmal ein Tag vor Weihnachten. Der Hirte hatte gerade die Schafe in den Stall gebracht. Da sah er den Riesen aus der Schlucht unterhalb des Wasserfalls kommen. Schnell zeichnete der Hirte drei Kreise und die gleiche Anzahl Kreuze um den Stall. Dann ging er in den Schafstall und verriegelte die Tür. Der Riese näherte sich mit eiligen Schritten und blieb stehen, nachdem er die Kreise mit den Kreuzen entdeckt hatte. Er trug in der Hand eine Eisenstange. Dennoch traute sich der Troll nicht, in die Kreise zu treten. Er warf die Eisenstange darüber hinweg und traf die Stalltür. Die Stange durchbrach die Tür und blieb im Inneren des Stalles stecken. Da der Riese weder in den Stall kommen konnte noch den Hirten erwischte, kehrte er um und verschwand in der Schlucht unterhalb des Wasserfalles. Der Schafhirte wurde seitdem nie wieder von dem Troll belästigt. Die Jahre vergingen und die Menschen dachten, der Troll würde es nicht wagen, wieder aus seiner Höhle zu kommen. Doch sie irrten sich.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wohnten die Brüder Jóhannes und Methúsalem auf dem Hof Foss. Sie waren angesehene Männer. Keiner der beiden glaubte an Trolle. Trotzdem erzählten sie, dass sie einmal eine merkwürdige, ihnen unbekannte Fußspur bei dem Wasserfall entdeckten. Sie führte zu einem anderen, weiter oberhalb des Flusses gelegenen Wasserfall. Schnee lag auf der Erde, und die Spur war gut zu erkennen. Wahrscheinlich hatte der Troll sich einen anderen Wasserfall als Wohnstätte gewählt, denn die Spur führte nicht wieder zurück.
* aufgeschrieben von Sigfús Sigfússon, erzählt von Jón B. Jóhannesson, Loðmundarfjörður, 1908
Der Traum von Björg Helgadóttir
Die Hebamme Björg Helgadóttir lebte auf dem Hof Vatnsdalsgerði in Vopnafjörður. Eines Tages wurde sie zu einer Frau auf dem Hof Fremra-Nýpi gerufen.
Während ihrer Abwesenheit sprachen ihre daheimgebliebenen Kinder über das huldufólk. Ihr ältester Sohn, Jakob, behauptete, es gäbe kein huldufólk und wenn doch, wäre es bestimmt böse. Der Cousin Jakobs, Bergur genannt, und die jüngeren Geschwister widersprachen dieser Behauptung heftig.
Als Björg am nächsten Tag nach Hause kam, wendete sie sich an Jakob und sagte ihm, dass es sehr unvorsichtig von ihm gewesen sei, so schlecht über Wesen zu sprechen, die ihm unbekannt waren. Der Junge fragte überrascht, wieso sie von dem Gespräch wusste. Björg antwortete, das ihr der Inhalt des Gespräches bekannt sei. Jakob wollte mehr erfahren und da er versprach, nie wieder schlecht von dem huldufólk zu sprechen, erzählte Björg ihm von ihrem Traum:
„In meinem Traum stand ich erst auf dem Vorplatz von Fremra-Nýpi. Dann ging ich einen steilen Berghang hinauf. Plötzlich sah ich einen Mann in einer Haustür stehen. Als er in das Haus hineinging, folgte ich ihm bis in die Küche. Dort saß eine Frau auf einem Stuhl. Zwei Jungen mit blonden Haaren standen neben ihr. Ich glaube, diese Leute hatten nur ein Nasenloch, einen runden Mund und große dunkle Augen. Trotz ihres befremdlichen Aussehens schienen sie mir gut gesinnt zu sein. Nachdem ich diese Wesen begrüßt hatte, fragte ich, wer sie seien. ‚Wir sind Wesen aus dem huldufólk‘, sprachen sie, ‚obwohl dein Sohn Jakob meint, es gäbe uns nicht und behauptet, wir wären von böser Natur.‘
‚Hat Jakob das gesagt?‘, fragte ich. ‚Ja‘, antwortete der Mann, ‚er unterhielt sich heute Abend darüber mit Bergur und seinen Geschwistern. Aber er sollte so etwas nie wieder tun, denn obwohl wir uns nicht dafür rächen, werden dies vielleicht andere Wesen tun.‘ Dann fragte ich, ob es auch noch andere Arten vom huldufólk gibt, und er antwortete, es gäbe hvítálfar (weiße Elfen), bláálfar (blaue Elfen) und rauðálfar (rote Elfen) und die zuletzt genannten wären am rachlustigsten. Danach bat mich der Huldumann, darauf zu achten, dass meine Kinder nicht schlecht über das huldufólk sprechen. Ich versprach es ihm. Dich, Jakob, wolle er nicht für deine schlechten Worte bestrafen. Daraufhin verabschiedete ich mich und ging fort. Kurz danach erwachte ich.“
* aufgeschrieben von þorsteinn M. Jónsson, erzählt von Anna Sveinsdóttir, der Tochter von Björg, 1894
Die Landratsfrau von Burstarfell
Der Hof Burstarfell im Hofsárdal ist einer der schönsten und besterhaltensten Torfhöfe Islands. Von 1532–1966 hat nur ein Familiengeschlecht das Gut bewohnt. Heute ist das ehemalige Wohnhaus Eigentum des isländischen Nationalmuseums. Das im Sommer ganztägig geöffnete Museum bietet einen Einblick in die Lebens- und Wohnverhältnisse der Isländer in früheren Zeiten.
Die wohl bekannteste Elfengeschichte aus dem Vopnafjord ist die Geschichte von der Landratsfrau von Burstarfell. Der in der Erzählung erwähnte Elfenstein befindet sich etwa zwei Kilometer südwestlich des Hofes in einer Schlucht und wird stori steinn, der große Stein, genannt. Ältere Bewohner dieser Gegend erinnern sich noch an die Altardecke (das Tuch der Elfenfrau) aus der Kirche von Hof. Dieses mit Blumen, Schmetterlingen und Figuren bestickte Tuch wird nun im isländischen Nationalmuseum in Reykjavik aufbewahrt.
Vor langer Zeit lebte ein Landrat mit seiner Frau auf dem Hof Burstarfell. Eines Nachts träumte die Frau folgenden Traum: Ein fremder Mann kam an ihr Bett, bat sie aufzustehen und ihm zu folgen. Der Mann führte die Landratsfrau zu einem großen Stein, der auf dem Land von Burstarfell stand. Dreimal ging der Fremde im Uhrzeigersinn um den Stein herum, und der Frau schien, als ob sich der Stein in ein kleines Haus verwandelte. Dann führte der Mann die Frau in das Haus hinein. Die Landratsfrau sah eine Schwangere auf dem Boden liegen, die sich sehr quälte. Der Mann bat, seiner am Boden liegenden Frau zu helfen und sagte, sie würde sterben, wenn sie keine menschliche Hilfe bekäme. Die Landratsfrau näherte sich der in starken Wehen liegenden Elfe und sprach: „Guter Jesus, hilf ihr.“ Nach diesen Worten gebar die Frau das Kind.
Die Landratsfrau badete das Neugeborene, und die Elfenfrau reichte ihr eine Dose mit Salbe, die sie in die Augen des Kindes reiben sollte. Sie befolgte die Bitte, rieb sich aber heimlich selber ein wenig Salbe in das rechte Auge. Als sie sich auf den Heimweg machen wollte, schenkte ihr die Elfenfrau ein wertvolles, mit Goldfäden durchwebtes Tuch. Der Elfenmann begleitete die Landratsfrau aus dem Haus und ging nun dreimal gegen den Uhrzeigersinn um das Haus herum, das daraufhin wieder zu Stein wurde. Einen Moment später erwachte die Landratsfrau und fand das Tuch unter ihrem Kopfkissen.
Niemand hatte jemals zuvor so ein prachtvolles Tuch gesehen. Es diente später lange als Altardecke. Von der Landratsfrau wurde berichtet, dass sie mit dem rechten Auge, dort, wo sie die Salbe aufgetragen hatte, all das sehen konnte, was auf der Erde und unter der Erde passierte. Sie sah, dass die riesigen Felsen nahe bei Burstarfell Häuser, Bauernhöfe und Dörfer waren und dort Wesen lebten, die, genau wie die Menschen, Landwirtschaft betrieben.
Eines Tages ging sie in das Dorf zum Einkaufen. Da erblickte sie im Laden eine Elfenfrau, die sich als Diebin betätigte. Die Landratsfrau ging auf die Diebin zu und sagte: „Und hier sehen wir uns wieder.“ Die Elfenfrau drehte sich um und spuckte der Landratsfrau in das rechte Auge. Seitdem sah diese das huldu- und Elfenvolk nicht mehr.
*aufgeschrieben von Jón Árnason, 19. Jahrhundert