Читать книгу Als die Kosaken kamen - Brigitte Jäger-Dabek - Страница 5
Am Vorabend des Krieges
ОглавлениеEs bedurfte tatsächlich nur eines Funkens, dieses explosive Gemisch hochgehen zu lassen. Der unmittelbare Anlass- wohlgemerkt der Auslöser, nicht der Grund - war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie am 28. Juni 1914 in Sarajewo durch den serbisch – nationalistischen Studenten Gavrilo Princip
.Es war ein politisch motiviertes Attentat. Das Königreich Serbien förderte die separatistischen Bestrebungen im österreichisch - ungarischen Vielvölkerstaat. Ziel der großserbischen Bewegung war die Vereinigung aller Südslawen zu einem Großserbien. Dabei konnten die Serben immer auf russische Unterstützung zählen. Der Zar sah sich in seinem Selbstverständnis als Schutzherr und Motor des Panslawismus, um seinen Einfluss auf dem Balkan zu mehren, sowie um letztlich einen freien Zugang zum Mittelmeer zu erlangen.
Es bot sich für alle Beteiligten an, die ungelösten Nationalitätenkonflikte der Doppelmonarchie zu schüren. Privilegiert und staatstragend in der Doppelmonarchie waren Österreicher und Ungarn. Dem gegenüber standen die Slawen, die Autonomie anstrebten.
Besonders auf dem Balkan wurden Serben, Kroaten und Slowenen zunehmend unruhiger, nicht nur wegen der vielfältigen serbischen Unterstützung der Separatisten, sondern auch durch die Slawenfeindlichkeit der Ungarn, die um ihre Privilegien in der Doppelmonarchie fürchteten. Diese von innen und außen betriebenen Separationsideen auf dem Balkan wurden zunehmend zur existenziellen Bedrohung der Donaumonarchie.
Gerade dem Thronfolger Franz Ferdinand war es gelungen, die Denkblockade der Zeit zu überwinden. Er entwickelte den Trialismus – Plan. Aus der Doppelmonarchie sollte eine Dreifachmonarchie Österreich – Ungarn – Südslawien werden mit Gleichberechtigung für die einzelnen slawischen Bevölkerungsgruppen, sowie weitgehender Autonomie. So wollte er die Gegensätze entschärfen und den Vielvölkerstaat zusammenhalten, eine Art europäische Gemeinschaft sollte entstehen.
Damit musste er sich Feinde machen, am Wiener Hof, im Inneren geistig ähnlich verkrustet, wie das Spanische Hofzeremoniell das nach draußen transportierte, hielt man ihn bestenfalls für einen Träumer, einige einflussreiche Personen sahen ihn als eine Gefahr für die Habsburger Monarchie.
Die Umsetzung seines Planes hätte aber vor allem für Serbien das Ende aller großserbischen Träume und der Ziele des Panslawismus bedeutet. Daher war der Mordplan ersonnen worden, zweifelsfrei mit serbischer Unterstützung. Die radikale nationalistische Geheimorganisation „Schwarze Hand“ wollte dem Trias – Plan seine Integrationsfigur, das Zugpferd Franz – Ferdinand nehmen.
Dem Wiener Hof waren zahllose Mordgerüchte vom Balkan aus zugetragen worden, auch Geheimdienstberichte über die zahlreichen Aktivitäten und Pläne der großserbischen Geheimbünde lagen in genügender Zahl vor. Der Verdacht wurde daher auch nie ganz entkräftet, der Hof habe den ungeliebten Thronfolger ins Messer laufen lassen.
Nach dem Mord am österreichischen Thronfolger war Europa schockiert, ziemlich einhellig sah man Serbien zumindest als Drahtzieher der Tat und fand ebenfalls recht einhellig, Serbien schulde Österreich – Ungarn Genugtuung, in welcher Form auch immer.
Diese allgemeine Schuldzuweisung wollte Wien zu einer Generalabrechnung mit Serbien nutzen. Eine militärische Strafaktion sollte den Machtfaktor Serbien ausschalten und den russischen Brückenkopf auf dem Balkan eliminieren, so schrieb es jedenfalls der österreichische Kaiser Franz Joseph an Wilhelm II. nach Berlin.
Einen lokal begrenzten Konflikt auf dem Balkan wollte Franz Joseph, in dessen Ergebnis Serbien zu einem abhängigen Staat degradiert werden sollte.
Da sich Serbien russischer Unterstützung sicher sein konnte und Russland wiederum seit der Tripleentente seinerseits auf England und Frankreich zählen konnte, war der europäische Krieg jedoch vorprogrammiert. Die Vorstellung einer lokalen Begrenzung konnte nur Illusion bleiben.
Wilhelm II. ließ Franz Joseph durch den Botschafter in Wien unbedingte deutsche Bündnistreue versichern und stellte den Habsburger damit den berühmten „Blankoscheck“ aus. Der Einkreisungskomplex stellte das Deutsche Reich unverbrüchlich an die Seite des einzig verbliebenen Verbündeten.
Von dieser Versicherung gestärkt, stellte Österreich – Ungarn am 23.7.1914 ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum an Serbien. Das Ultimatum, in dem es unter anderem um die Unterbindung sämtlicher Aktionen und Propaganda gegen die Doppelmonarchie und die gerichtliche Untersuchung des Mordes unter Mitwirkung österreichischer Beamten ging, war eigentlich unannehmbar.
Entgegen aller Voraussicht akzeptierte Serbien das Ultimatum fristgemäß bis auf einen Punkt: die Mitwirkung der österreichischen Beamten, die eine Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität bedeutet hätte, wurde abgelehnt.
Ein Stimmungswandel setzte ein in Europa, man fand, Österreich – Ungarn sei damit Genugtuung erwiesen, selbst Wilhelm II. meinte erleichtert, damit sei jeder Kriegsgrund entfallen. Österreich – Ungarn allerdings ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken, hielt an seinem Ziel der Niederwerfung Serbiens fest und erklärte diesem am 28. Juli 1914 den Krieg.
Jetzt begann die Spirale, sich immer schneller Richtung Abgrund zu drehen. Die Staaten verfingen sich im Netz ihrer eigenen Bündnisse, ein Automatismus von Bündnisverpflichtungen setzte die Mobilmachungen in Gang, die Politik hatte endgültig ausgespielt, nun bestimmten die Militärs das weitere Vorgehen.
Am 30. Juli 1914 ordnete Zar Nikolaus II. die Gesamtmobilmachung für Russland an, einen Tag später schickte Wilhelm II. ihm ein auf 12 Stunden begrenztes Ultimatum, in dem er die unverzügliche Rücknahme der Mobilisierung gegen Deutschland und Österreich – Ungarn verlangte.
Nikolaus II. antwortete nicht, worauf Wilhelm II. für das Deutsche Reich Russland am 1.August 1914 den Krieg erklärte.