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Die automatische Zielansteuerung

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Fangen wir mit dem bewussten Ansteuern von Zielen an. Wir sehen ein Ziel (das kalte Buffet beim Stehempfang, ein Sonderangebot im Schlussverkauf …) und steuern darauf los, wobei das Fixieren des Zieles mit den Augen der wesentliche bewusste Vorgang dabei ist – die eigentliche Fortbewegung dorthin bleibt weitgehend unbewusst. Die hierfür verantwortlichen Schaltkreise waren bereits bei den Urahnen aller Wirbeltiere vor 530 Millionen Jahren angelegt (Ocana, et al., 2015): Die heute noch existierenden Lampreten, die dem Bauplan des Ur-Wirbeltieres entsprechen, haben eine „Pallium“ genannte Gruppe von Nervenzellen, die das Auge mit den motorischen Schaltzentren verbindet. Durch diese direkte Verbindung kann das Tier eine zielgerichtete Bewegung initiieren, sobald das Auge etwas sieht. Eine Lamprete, die ein attraktives Objekt (z. B. Futter) sieht, wendet den Kopf auf das Objekt zu und richtet ihre Schlängelbewegung neu aus, sodass sie auf das Objekt zuschwimmt. Ein gefährlich wirkendes Objekt löst umgekehrt Abwenden in eine Fluchtbewegung aus. Das Pallium der primitivsten Wirbeltiere dient also der Ausrichtung der Körperbewegung in die beabsichtigte Richtung. Aus dem Pallium hat sich im Laufe der Jahrmillionen die Großhirnrinde (Cortex) der Säugetiere entwickelt. Die grundlegende Funktion der Bewegungsausrichtung ist dabei erhalten geblieben – wir können auf ein Ziel zu oder vor etwas davonlaufen, ohne uns um die Neuausrichtung der Laufbewegung bewusst kümmern zu müssen.

Unser Bewusstsein hat einen Bewegungsauftrag erteilt, der von Kleinhirn und Rückenmark umgesetzt wird. Dieser Informationstransfer ist jedoch keine Einbahnstraße. Nur wenn bei der Umsetzung keine Schwierigkeiten auftreten, bleibt uns die Laufbewegung selbst unbewusst, aber wenn irgendetwas die gleichmäßige Abfolge unserer Schritte stört, erhalten wir sofort Rückmeldung ins Bewusstsein (stellen Sie sich vor, Sie gehen und treten plötzlich auf eine rutschige Stelle).

Drücken wir es so aus: Unsere Fortbewegung läuft auf einem fest installierten Programm im Unterbewusstsein. Wir können Änderungsbefehle eingeben und dann die Ausführung im Hintergrund laufen lassen, so lange bis wir eventuell eine Fehlermeldung erhalten. Beim Menschen ist im Kleinhirn das Betriebssystem „Laufen Mensch“ installiert, welches die unseren Gangmustern entsprechenden Rumpf- und Beinbewegungen steuert. Sitzen wir auf einem Pferd, wird unser Rumpf durch die Laufbewegung des Pferdes bewegt.

Sofern wir auf die richtige Art auf dem Pferd sitzen (mehr zu den biomechanischen Voraussetzungen in den nächsten Kapiteln), ähnelt die durch die Pferdebewegung induzierte passive Bewegung unseres Rumpfes so sehr derjenigen unserer eigenen Laufbewegung, dass sie durch das menschliche Kleinhirn interpretiert werden kann. Das Programm „Laufen Pferd“ (oder eher „Laufen mit Pferd“) läuft sozusagen auf dem Betriebssystem des menschlichen Kleinhirns. Dasselbe gilt umgekehrt auch für das Pferd, denn auch Pferde sind Säugetiere mit einem hoch entwickelten Gehirn. Ein Pferd kann die Körperausrichtung seines Reiters spüren, sofern dieser eine geeignete Haltung einnimmt und einen geeigneten Sattel verwendet. Natürlich hat das Pferd eine fünf- bis zehnfach größere Körpermasse, aber dennoch kann es deutlich fühlen, ob sein Reiter die Schlängelbewegung des Pferderumpfes „umarmend“ begleitet oder ob der menschliche Körper diese Bewegung bremst, blockiert oder umzuleiten versucht. Das Pferd kann also fühlen, wenn der Reiter ein Ziel mit dem Auge fixiert und seine Körperachse neu danach ausrichtet. Ein kooperatives Pferd wird dem folgen. Stellen Sie sich den Vorgang so vor – wenn Sie ein Kleinkind auf ihren Schultern tragen und so über den Jahrmarkt gehen, werden Sie auch sofort bemerken, dass das Kind zu dem Stand mit den Luftballons will.

Die meisten Reiter reiten allerdings jahrelang, ohne dass sie jemals diese Kopplung mit der Pferdebewegung gespürt haben. Wenn ein Kind reiten lernt, wird das Programm „Laufen mit Pferd“ problemlos installiert, aber Erwachsene werden durch etwas daran gehindert.

Reiten nur mit Sitzhilfe

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