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Teamarbeit

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Kommunikation über erlernte Signale (etwa Schenkel- oder Zügelhilfen) wird bei Reiter und Pferd über die Großhirnrinde verarbeitet. Dieser Prozess blockiert eine gleichzeitig ablaufende Körperwahrnehmung.

Die neuronale Steuerung bei Säugetieren arbeitet also wie ein Team, in dem jedes Mitglied auf seine Aufgabe spezialisiert ist, dabei aber mit allen anderen in Kontakt steht. Die meisten Tätigkeiten und Sportarten erfordern ein abgestimmtes Handeln aller Teammitglieder. Die größte Schwierigkeit beim Reiten ist die ungewöhnliche Aufgabenverteilung zwischen bewusstem Handeln (Motorcortex), unbewusster Balancesteuerung (Kleinhirn) und Rumpfbewegung (Gangmuster-Schaltzentren). Es gibt durchaus Sportarten, bei denen Menschen Objekte mit ihrer Rumpfbewegung steuern und kontrollieren. Hierzu gehören beispielsweise Fahrrad, Motorrad, Ski, Surfbrett und viele mehr. Bei all diesen Sportarten lernt unser Kleinhirn gemeinsam mit den Gangmuster-Schaltzentren, die Balance auf dem externen Objekt zu halten und es zu kontrollieren. Unsere Rumpfmuskulatur ist dabei nicht nur für die aktive Kontrolle des Sportgerätes verantwortlich, sondern fungiert über die propriozeptiven Neuronen der Gangmuster-Schaltzentren auch als der wichtigste Sensor zum Bewegungszustand. Fahrrad- oder Motorradfahren funktioniert über die Schlängelbewegung unseres Rumpfes! Ein Pferd ist jedoch kein von Menschenhand geschaffenes Sportgerät, das auf vorhersagbare Weise reagiert. Ein Pferd ist ein Lebewesen, mit körperlichen Asymmetrien, Intelligenz und eigenem Willen. Ein Pferd reagiert auf eine Reiterbewegung nicht immer exakt gleich. Ein Sportgerät können wir mit unseren unbewussten Rumpfbewegungen kontrollieren, ein Pferd müssen wir fragen, seine Antwort verstehen und angemessen darauf reagieren. Reiten nur am Sitz bedeutet differenzierte Kommunikation mit Körperteilen, die wir normalerweise nur unbewusst steuern. Über Jahrtausende haben Reitmeister damit gerungen, diesen Vorgang in Worte zu fassen. Keiner der historischen Reitmeister liefert eine vollständige Beschreibung, lediglich Bruchstücke – ähnlich wie in der Fabel von den blinden Weisen, die durch Abtasten eine Vorstellung von einem Elefanten zu erlangen versuchen. Jedes Bruchstück der Wahrnehmung ist zwar in sich richtig, aber das Gesamtbild lässt sich nur mit zusätzlicher Information zusammenfügen.

Die moderne Naturwissenschaft ist heute in der Lage, die Pferdebewegung exakt zu beschreiben, einschließlich der Asymmetrien des Pferdekörpers. Damit steht die Zusatzinformation zur Verfügung, die man benötigt, um die Bruchstücke der Wahrnehmung zusammenzufügen. Wir können heute beschreiben, welchen Bewegungen ein Reiter auf einem Pferd in den verschiedenen Gangarten ausgesetzt ist, was in einer Wendung mit dem Körpergleichgewicht geschieht und wie Geraderichten funktioniert. Mit diesem Wissen ist es möglich, durch Schulung der eigenen Körperwahrnehmung die Fähigkeit zur differenzierten Kommunikation mit dem Reitersitz zu entwickeln. Allerdings existiert eine weitere Hürde auf diesem Weg – der menschliche Verstand ist so organisiert, dass ein Mehr an theoretischem Wissen das Erlernen einer körperlichen Fähigkeit eher behindert. Der Grund hierfür ist die unterschiedliche Spezialisierung der beiden menschlichen Gehirnhälften.

Reiten nur mit Sitzhilfe

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