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Kommunikation

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Dazu muss man zunächst die Frage stellen, wie die Kommunikation im Körper eines Wirbeltieres erfolgt. Die Amygdala im limbischen System eines Säugetiergehirns beurteilt ständig, was gut oder schlecht ist, was Freude macht oder Angst einjagt, was schmeckt oder Ekel erregt. Die Informationen dazu kommen aus allen anderen Gehirnteilen und damit aus allen Körperregionen und Sinnesorganen. Das limbische System gibt aber auch ständig Rückmeldung über seine Bewertungen an den gesamten Körper: Unser Auge vergleicht die Zahlen der Lottoziehung mit denjenigen auf unserem Tippschein, unsere Großhirnrinde weiß, dass hohe Übereinstimmung viel Geld bedeutet, unser Kleinhirn erkennt und meldet die Übereinstimmung an das limbische System, das limbische System bewertet die Situation mit „große Freude“ – und sofort hüpft unser Körper, unsere Mimik zeigt ein Lachen und unsere Stimme jubelt.

Kommunikation ist also primär und ursprünglich etwas, das innerhalb eines Körpers stattfindet, im inneren Team der neuronalen Steuerkreise. Im Laufe der Evolution zeigte sich jedoch rasch, dass es einen enormen Überlebensvorteil bietet, wenn man nicht nur selbst weiß, was gut oder gefährlich ist, sondern auch die Eindrücke anderer wahrnehmen kann. So können etwa Fische ihr Verhalten gegenseitig beobachten und abstimmen, sodass sie als Schwarm zusammenbleiben und gemeinsam bei Gefahr abwenden und flüchten können. Das Beobachten der Körpersprache informiert darüber, was andere Individuen derselben Art denken und fühlen. Körpersprache ist die ursprünglichste Form der Kommunikation. Nur wenige Tierarten haben wie wir Menschen einen so differenziert beweglichen Stimmapparat, dass eine detailreiche Kommunikation über Lautäußerungen möglich wird. Obwohl wir Menschen meist akustisch über Sprache kommunizieren, besitzen wir nach wie vor die Fähigkeit der Körpersprache.

Wir verstehen Stummfilme und Pantomimen und entwickeln erstaunliche Talente, wenn wir uns im Ausland verständlich machen müssen, ohne die lokale Sprache zu sprechen. Wir Menschen können untereinander Körpersprache aber nicht nur durch Beobachtung verstehen, sondern auch erfühlen. Unsere Paartänze sind die ritualisierte Übung dieser Fähigkeit – wir Menschen (zumindest manche von uns) finden es interessant und unterhaltsam, gefühlte Körpersprache zu lesen und darauf zu reagieren, also paarweise synchron mit gekoppelten Rumpfbewegungen über das Parkett zu gleiten.

Pferde kommunizieren fast ausschließlich über Körpersprache. Als hoch soziale Wesen können sie sich körpersprachlich nicht nur sehr differenziert ausdrücken (Neugebauer & Neugebauer, 2011), sondern sind auch ausgezeichnete Beobachter von Körpersprache. Wir Menschen können lernen, die Körpersprache von Pferden zu verstehen – Pferde verstehen die menschliche Körpersprache mindestens ebenso gut, wenn sie regelmäßig Umgang mit uns „Aliens“ haben. Pferde können daher lernen, unsere Körpersprache auch dann zu lesen, wenn wir auf ihnen sitzen und sie uns nicht sehen, sondern nur fühlen können. Wenn wir als Reiter in der Lage sind, unsere Rumpfbewegungen so zu kontrollieren, dass sie für das Pferd verständlich werden, gehen Pferde gerne auf das Kommunikationsangebot ein. Das Pferd ist die einzige Tierart, die zusammen mit (manchen) Menschen die Fertigkeit eines Paartanzes entwickelt.

Reiten nur mit Sitzhilfe

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