Читать книгу El Gustario de Mallorca und das tödliche Gemälde - Brigitte Lamberts - Страница 15
Kapitel 10
ОглавлениеPalma. Restaurant El Café Del Gran Hotel. Sven steht unter den Arkaden des ehemaligen Grandhotels und tritt von einem Bein auf das andere. Er schaut die Straße hinunter, erst Richtung Teatre Principal, dann zur anderen Seite. Schließlich nimmt er die große Treppe gegenüber ins Visier. Hier strömen die Menschen von der höher gelegenen Plaça Major hinunter zu den Boulevards, der Rambla und dem Passeig des Born. Doch Sara ist in der Menschentraube auf den Stufen nicht auszumachen. Ein Blick auf seine Armbanduhr verrät ihm, er wartet nun schon über eine halbe Stunde. Er ist nervös. Hat sie sich verlaufen? Oder schlimmer noch: Versetzt sie ihn?
Als sich zwei Hände von hinten über seine Augen legen, schreckt er zusammen. Er fasst die Hände, dreht sich um und schaut in das strahlende Gesicht von Sara.
Mit pochendem Herzen umarmt er sie und zögert einen Moment, sie mit einem Wangenkuss zu begrüßen. Sie bemerkt seine Unsicherheit und kommt ihm zuvor. Dann nimmt er ihre Hand. »Du siehst großartig aus.« Bewundernd betrachtet er sie. »Die weißen Shorts und das Top stehen dir ausgezeichnet. Du hast sogar schon etwas Farbe bekommen«, stellt er schmunzelnd fest. Sie lacht und legt ihre Arme um seinen Oberkörper, dann flüstert sie ihm ins Ohr: »Und was hast du für heute geplant?«
»Lass dich überraschen. Doch zuerst stärken wir uns mit einem cortado. Was meinst du?« Sven deutet zur Außenterrasse des Restaurants El Café Del Gran Hotel. »Es ist für einen gepflegten Kaffee immer noch die erste Adresse hier in Palma.«
»Warum nicht, dann kannst du ja schon einmal ausplaudern, was wir heute unternehmen.« Sie lässt nicht locker und zwinkert ihm zu.
Kaum haben sie sich gesetzt, Sven hat zwei cortado bestellt, betrachtet Sara die Fassade des ehemaligen Hotels. »So schön, diese vielen Balkone, Erker, und schau, die farbigen Ornamente im obersten Stockwerk.« Sven gefällt es, dass Sara so begeisterungsfähig ist.
»Hier siehst du die schönste Jugendstilfassade der ganzen Stadt«, erwidert er.
»Bist du dir sicher?«
Doch Sven überhört den ironischen Unterton. Mit einer ausladenden Handbewegung zeigt er nach oben und erklärt lebhaft: »In Palma gibt es einige wunderbare Gebäude im katalanischen Jugendstil, aber dieses soll das schönste sein. Gehört sich auch für ein ehemaliges Grandhotel, übrigens das erste Hotel auf der Insel überhaupt.«
Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Wann wurde es eröffnet?«
»1903, und es ist wohl schon 1953 geschlossen worden.«
»Also lange, bevor der Touristenboom auf Mallorca begann«, bemerkt sie.
»Nun ja, in den Dreißigerjahren, vor dem Spanischen Bürgerkrieg, war Mallorca schon sehr beliebt. Da waren es allerdings fast ausschließlich sehr wohlhabende Briten, die per Schiff auf die Insel kamen. Aber natürlich hast du recht, erst in den Sechzigerjahren ging es so richtig los mit dem Tourismus. Und heute steht die Insel in den Sommermonaten kurz vor dem Kollaps.« Er seufzt. »Obwohl es diesen Sommer auszuhalten war, aber letztes Jahr war es die Hölle.«
»Apropos Touristen, wohin willst du mich denn heute entführen?« Sara legt ihre Hand auf die von Sven und schon wieder machen sich die Schmetterlinge in seinem Bauch bemerkbar.
»Entführen hört sich gut an.« Sven grinst. »Auf meinem Plan steht ein ausgezeichnetes Fischrestaurant in Colònia de Sant Jordi. Danach können wir uns am Strand etwas von den kulinarischen Strapazen erholen und dann zeige ich dir den Südosten der Insel mit den wunderschönen Fischerdörfern Cala Figuera, Portopedro und Portocolom. Was meinst du?«
Sara stützt ihren Kopf in beide Hände und schaut ihm in die Augen: »Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?«
»Die Entfernungen hier auf der Insel sind nicht so groß, wie du vielleicht denken magst. Aber wir können es ja einfach auf uns zukommen lassen. Es muss nicht alles auf einmal abgearbeitet werden«, schlägt er mit einem Augenzwinkern vor. »Und ich hoffe doch sehr, es ist nicht unser letzter gemeinsamer Ausflug.« Dann springt er auf, um drinnen zu bezahlen.
Das Hardtop seines alten Porsches hat er schon am Morgen abgenommen und so fahren sie offen auf der Autopista de Llevante am Hafen entlang, dann an der Kathedrale vorbei und aus Palma heraus. Der warme Wind umspielt ihre Gesichter und Sven fingert die Sonnenbrille aus der Brusttasche seines Hemdes. Der kurze Stau auf dem Ring um Palma herum hat sich auf der Höhe des Flughafens aufgelöst und nun geht es zügig auf der MA-19 Richtung Campos. Nach wenigen Kilometern, kurz hinter Llucmajor, staunt Sara beim Anblick der Bagger: »Das scheint ja hier eine Großbaustelle zu werden.«
»Wohl wahr und völlig unnötig.« Dann erläutert er: »Die Autobahn wird hier auf einer langen Strecke erheblich verbreitert. Wie sich das am Ende zusammenfügt, weiß ich nicht, denn wie du siehst, mal wird auf der einen, mal auf der anderen Seite gearbeitet.« Schwere Bagger planieren die rotschimmernde Erde zu einer breiten Fläche, während an anderen Stellen noch gerodet wird. »Und das Land hier hat Bauern gehört, keineswegs der Gemeinde.« Er zeigt zur rechten Seite. »Schau, du kannst es noch erahnen. Ganze Olivenplantagen mussten weichen.«
»Wird das für den Tourismus gemacht?«
»Einerseits für die Touristen, aber bestimmt auch für die wohlhabenden Residenten, die im Südosten leben. Das Problem ist, dass es auf dieser Strecke schon mehrfach zu schweren Verkehrsunfällen gekommen ist. Dass die Straße erweitert wird, ist ja okay, aber in dem Ausmaß halte ich es doch für etwas übertrieben.« Er wendet sich kurz Sara zu. »Hast du das Anwesen rechts gesehen, als wir die gut ausgebaute Autobahn verlassen haben und dann auf diese zweispurige Straße geleitet wurden?«
Sara schaut ihn fragend an.
»Ein super Anwesen, richtig groß. Es steht zum Verkauf. Aber wer will schon so viel Geld ausgeben, um direkt an einem Autobahnkreuz zu wohnen?«
»Da müssen die Besitzer bestimmt mit hohen Einbußen rechnen«, überlegt sie.
»Wenn sie es überhaupt verkauft bekommen. Und ich sage dir, die hat es eiskalt erwischt, die wussten, als sie damals bauten oder das Anwesen gekauft haben, nichts von den Plänen der Gemeinde.« Er zuckt mit den Schultern. »Auch das ist Mallorca.«
Sven muss immer wieder vom Gas gehen, denn die Schilder für die Geschwindigkeitsbegrenzung sind sehr kreativ aufgestellt, runter auf 30 Kilometer, dann wieder auf 80 hoch, um sogleich die Geschwindigkeit wieder auf 60 zu reduzieren.
»Hast du dich denn schon etwas in Palma umgesehen?«, nimmt er erneut das Gespräch auf.
»Ja, einiges habe ich schon gesehen, eine tolle Stadt. Aber natürlich nur das, was sich so eine unbedarfte Touristin wie ich halt ansieht. Und viel Zeit habe ich leider nicht.«
»Wieso?« Sven schaut Sara fragend an. »In zwei Wochen lässt sich die Insel doch schon ganz gut erkunden. Na ja«, er lacht, »wenn man nicht vorhat, die ganze Zeit am Strand zu liegen.« Sara berührt Sven an der Schulter und er dreht sich kurz zu ihr um.
»Ich bin nicht nur hier, um mir die Insel anzuschauen und mich zu erholen.«
»Oh, da habe ich wohl etwas falsch verstanden. Aber weshalb bist du dann auf Mallorca?« Sogleich hat er das Gefühl, etwas zu direkt gewesen zu sein. Doch Sara antwortet ohne zu zögern: »Ich bin auf den Spuren meiner Urgroßeltern.«
»Deiner Urgroßeltern?«, hakt Sven interessiert nach.
»Sie haben Ende der Dreißigerjahre auf Mallorca gelebt und sich dann hier gemeinsam das Leben genommen.«
Fast hätte Sven vor Entsetzen auf die Bremse getreten. »Mein Gott, weshalb denn das?«
»Sie waren Deutsche jüdischen Glaubens und sie hofften, hier auf Mallorca sicher zu sein.«
Sven holt tief Luft und bemerkt: »Ein verheerender Trugschluss, nehme ich an. Soviel ich weiß, haben Hitler und Franco anfänglich eng kooperiert, auch wenn sie sich nicht ausstehen konnten. Das wurde erst später anders, als die Alliierten immer mehr an Boden gewannen.«
Beide hängen für einen Moment ihren Gedanken nach, dann fährt Sara fort: »Meine Urgroßeltern sind 1933 nach Mallorca ausgewandert.«
»So früh schon?« Sven blickt erneut zu Sara hinüber.
»Mein Urgroßvater hatte wohl für die Amerikaner gearbeitet und die Rente war ihm nicht nur sicher, sie reichte auch für ein gutes Leben hier auf der Insel. Zudem hatte er geerbt, sodass sie sich zumindest finanziell keine großen Sorgen zu machen brauchten.«
»Und was geschah dann?«, will er wissen.
»Das Leben hier auf Mallorca verlor für die beiden seine Leichtigkeit, denn immer stärker wurden deutsche Juden, die sich in Sicherheit wähnten, unter Druck gesetzt. Auch von normalen deutschen Auswanderern mit brauner Gesinnung.«
»Und dann?«
»Meine Urgroßeltern konnten ihre beiden Töchter 1936 mit Visa für Frankreich vorerst in ein sicheres Land retten.«
»Was ist aus ihnen geworden?«
»Meine Großmutter hatte das große Glück, einen Schweizer kennenzulernen, meinen Großvater.« Sie lächelt. »Liebe auf den ersten Blick. Sie heirateten und somit war meine Großmutter gerettet.«
»Und deine Großtante?«
»Sie haben versucht, sie in die Schweiz zu holen, aber dann war sie plötzlich verschwunden.«
»Auschwitz?«, fragt Sven mit belegter Stimme.
»Ich weiß es nicht. Meine Großmutter sagte, sie war wie vom Erdboden verschluckt.«
»Sie haben aber Nachforschungen angestellt, Rotes Kreuz und so?«
»Ja, natürlich, aber nichts herausgefunden. Jahre später wurde sie für tot erklärt.«
»Leben deine Großeltern noch?«
»Nein, sie sind schon länger tot und meine Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.«
»Das tut mir sehr leid.« Sven schluckt. Er muss unbedingt mal wieder seine Eltern anrufen.
»Und nun willst du mehr herausfinden?«
»Ja, ich will wissen, wie meine Urgroßeltern ihre letzten Tage hier auf Mallorca verbracht haben und was damals geschehen ist.«
Ihm läuft es trotz der warmen Temperaturen kalt den Rücken herunter. Er ahnt, wie es damals auf Mallorca zugegangen sein muss.
»Wo willst du ansetzen?«
»Ich dachte an das Deutsche Konsulat.«
»Gute Idee. Ich hoffe nur, die geben dir Einsicht in ihre Unterlagen. Die werden sich damals auch nicht mit Ruhm bekleckert haben.« Ohne zu zögern schiebt er nach: »Ich würde dir sehr gerne helfen, wenn ich darf.«
»Klar, wenn du Zeit hast. Das wäre prima, denn ich kann kein Spanisch. Und wenn man mir im Konsulat nicht weiterhelfen kann oder will, bin ich aufgeschmissen.«
»Als Journalist sollte es mir doch möglich sein, einige Türen zu öffnen.« Sven kennt sich gut genug, um zu spüren, dass er sich nicht nur in Sara verliebt hat, sondern dass ihn diese Familiengeschichte schon jetzt in ihren Bann zieht.
Mittlerweile haben sie Campos erreicht, das Städtchen, das alle, die nach Süden oder Südosten fahren, passieren müssen. Doch die wenigsten nehmen sich die Zeit, den alten Ortskern zu erkunden, der ziemlich ursprünglich geblieben ist. Auch diesmal nimmt sich Sven vor, möglichst bald einmal anzuhalten. Aber nicht heute. Schon biegt er auf die Landstraße Richtung Colònia de Sant Jordi ab.
Nach wenigen Kilometern wird die geradlinige Straße schmaler und hügelig. Mal geht es runter, mal rauf, mal ist der Blick auf den Asphalt gerichtet, dann wieder wird in weiter Ferne der Horizont sichtbar.
Wie eine Schneise zerteilt die Straße die Olivenhaine, die zu beiden Seiten durch alte mallorquinische Steinmauern eingegrenzt sind.
Große alte Olivenbäume ragen mit ihren Ästen weit in die Straße hinein und spenden etwas Schatten.
Nachdem Svens alter Porsche den nächsten Hügel gemeistert hat, umgeben sie plötzlich flache Felder, die schon längst abgeerntet sind. Die Sonne knallt nun wieder auf sie nieder. »Das ist ja, als wenn wir von einer Klimazone in die nächste übergewechselt wären.« Sara wedelt sich mit der Hand Luft zu.
Sven lacht. »Faszinierend, nicht? Gerade war es noch angenehm warm, jetzt ist es wieder heiß. Aber das ist noch gar nichts. Wenn wir in den Norden fahren, sind die Unterschiede noch größer. Da hast du es an manchen Stellen fast subtropisch, wie im Regenwald.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen.« Sara schubst ihn leicht am Oberarm.
»Nein, keineswegs. Da ist es so satt grün und feucht, da wartest du auf die Moskitos.«
»Moskitos?« Sara fasst Sven am Ohr und zieht ihn zu sich.
»Nein, keine Moskitos.« Er lacht und befreit sich aus ihrem Griff. »Zumindest keine, wie sie in den Tropen einem den Garaus machen, aber schon unangenehme Stechmücken.«
Eine langgezogene Allee mit großen Palmen taucht linker Hand auf, die ins Nichts zu führen scheint, bis an ihrem Ende ein altes Haus sichtbar wird, das viel zu klein für diese pompöse Zufahrt erscheint. Jedes Mal, wenn er hier vorbeifährt, fällt ihm das auf. Doch nun beschleunigt er, denn von Weitem glänzen bereits einige Salzhügel in der Sonne. Gleich daneben sind künstlich angelegte kleine Meerwasserseen zu sehen, deren Blau in wunderschönem Kontrast zu dem Weiß des gewonnenen Salzes steht: den Salinen. Sara legt den Kopf in den Nacken, schließt die Augen und atmet einmal tief ein. Ein zartes Lächeln umspielt ihre Lippen, die Luft riecht leicht salzig.
»Gleich sind wir da«, verkündet Sven und muss noch zwei Kreisverkehre umrunden, dann biegt er auf die Zufahrt zu dem ehemaligen Fischerort ein. Sogleich wird die Hauptstraße von mehrgeschossigen Häusern umrahmt, Apartmenthäuser, die um diese Jahreszeit viele verschlossene Fensterläden zeigen, weil die Wohnungen meist nur in den Sommermonaten vermietet werden.
Sven nimmt die nächste Querstraße und parkt auf dem Platz kurz vor der Strandpromenade von Colònia de Sant Jordi.
Kaum sind sie ein paar Schritte gegangen, kommt ihnen ein älterer Mallorquiner mit einer großen Paellapfanne entgegen. Er hält sie an beiden Griffen fest und trägt sie vor seinem Bauch. Sven winkt ihm zu und der Mallorquiner kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Paella to go«, bemerkt Sven amüsiert, nachdem er Saras fragenden Blick gesehen hat.
»Was meinst du denn damit?«
Er zeigt zum Restauranteingang, der nur noch wenige Meter entfernt liegt.
»Das Restaurant Pep Serra ist für seine köstliche Paella bekannt, da holen sich die Einheimischen schon mal mittags eine für zu Hause«, antwortet er lachend, greift nach ihrer Hand und beschleunigt seinen Schritt. »Komm schnell, dort oben ist nur noch ein Tisch frei.«
Ehe Sara sich versieht, haben sie die wenigen Stufen auf die etwas höher gelegene kleine Terrasse hinter sich gelassen und einen Tisch für zwei Personen in Beschlag genommen.
Sie setzen sich und schauen auf die Bucht. Sven deutet nach rechts. »Dort ist der Hafen. Einige Fischerboote und kleinere Segelyachten liegen hier noch, aber ein richtiges Fischerdorf ist Colònia de Sant Jordi schon lange nicht mehr.«
»Sieht eher nach einem Touristenzentrum aus«, erwidert Sara enttäuscht.
»Ja, in der Hochsaison ist es hier recht turbulent. Viele Apartmenthäuser sind entstanden. Die größeren Hotels befinden sich allerdings am Ende des Ortes in Richtung des Naturstrandes Es Trenc. Doch schau, wie sich auch hier der Strand weit zieht und da hinten ist er noch lange nicht zu Ende. Da geht es weiter bis zu den nächsten Felsvorsprüngen und dann immer weiter. Ich glaube, so lässt sich die südlichste Spitze Mallorcas, das Cap de ses Salines, sogar zu Fuß umrunden.«
»Ausprobiert hast du es aber noch nicht?«
»Nee, aber kann ja noch werden.« Sven versucht davon abzulenken, dass er kein großer Strandspaziergänger ist. Es scheint ihm, Sara hat das sofort erkannt. Er reicht ihr die Speisekarte. Mit einem Lächeln beobachtet er, wie sie konzentriert das Angebot studiert. Dann klappt sie die Karte zu, stützt die Ellbogen auf den Tisch und legt ihr Kinn in die Hände. »Das überfordert mich jetzt aber wirklich.«
»Keine Panik, so schlimm ist es doch gar nicht«, muntert Sven sie auf. »Hier gibt es, bis auf wenige Ausnahmen, nur Fisch. Die Familie hat ein eignes Boot und viele der Meerestiere haben sie selbst in den frühen Morgenstunden gefangen.«
Der Ober fragt nach dem Getränkewunsch und beide entschließen sich zu einem Glas cerveza, einem kühlen, frisch gezapften spanischen Bier.
»Also, ich empfehle dir eine Seezunge oder wir nehmen zusammen eine Paella mit Meeresfrüchten.«
»Ja, aber keine mit Meerspinne, bitte.«
»Wo hast du die denn gesehen?«, fragt Sven und schlägt nochmals die Karte auf.
»Hier.« Sara zeigt mit dem Finger auf die Nummer 32.
Er lacht. »Das ist keine Spinne, das ist eine Krabbe, die sieht fast wie ein Krebs aus, nur ist der Körper kleiner und die Beine sind länger.«
»Eben, die Beine sind länger und bestimmt behaart.« Sara schüttelt sich.
»Wir nehmen Seezunge«, verkündet Sven dem Ober und Sara lächelt.
»Und was gibt es hier noch zu sehen außer dem ehemaligen Fischerdorf?« Sven findet ihr Lächeln äußerst verführerisch, doch er reißt sich zusammen.
»Siehst du die Insel dort? Das ist Cabrera. Zusammen mit der Illa de Conills und weiteren siebzehn kleinen Felseninseln und Riffs sind sie Nationalpark und Wasserschutzgebiet. Und hier von Colònia de Sant Jordi, dem ehemaligen kleinen Fischerdorf«, Sven lächelt amüsiert, »kann mit Booten übergesetzt werden.« Er erzählt noch etwas über die wechselhafte Geschichte der Insel. Piraten hätten sich auf Cabrera versteckt, um Mallorca zu überfallen, und beim spanischen Volksaufstand gegen Napoleon 1809 waren dort 9000 französische Soldaten gefangen gehalten worden, von denen lediglich 3600 überlebten. Bevor Sara noch etwas fragen kann, stellt der Ober die Teller vor ihnen ab. Die Seezunge ist so groß, dass sie über den Tellerrand hinausragt, goldbraun gebraten und garniert mit Zitronenschnitzen. Dazu gibt es in einer Schale gekochte Kartoffeln.
Sven angelt nach der Zitrone und beträufelt den Fisch. Sara tut es ihm gleich. Dann nimmt er das Besteck, schneidet den schmalen Grätenrand um den Fisch herum ab und legt ihn auf einen kleinen Teller. Sara schaut zu. Erst dann greift auch sie zu Messer und Gabel. Es entgeht ihm nicht, dass sie von ihm abguckt, wie sie den Fisch zu filetieren hat.