Читать книгу El Gustario de Mallorca und das tödliche Gemälde - Brigitte Lamberts - Страница 5
Prolog
ОглавлениеPalma. El Terreno. 21. Juli 1940. Mit zitternden Fingern führte er den Schlüssel in das Schloss. Den goldenen Türklopfer im Blick, schob er die schwere Holztür auf. Sofort umfing ihn die kühle Luft der herrschaftlichen Villa. Langsam fiel die Tür hinter ihm zu. Er lehnte sich mit dem Rücken dagegen und hielt für einen Augenblick inne. Die letzten Stunden war er kopflos durch El Terreno gelaufen. Das vertraute Stadtviertel auf der Anhöhe unterhalb des Castell de Bellver erschien ihm nach dem Besuch im Konsulat düster und trostlos. Wie hatte er diesen Teil Palmas einst geliebt: die Chalets auf den Felsen mit Blick auf das Meer, die schmalen Gassen mit ihren ausgetretenen Steintreppen und die von blühenden Bougainvilleasträuchern umrankten Mauern. Diese Schönheit und Idylle empfand er nicht mehr.
»Julius, bist du es?« Wieder dieser brennende Schmerz, als ob ihm jemand ein Messer in den Bauch gestoßen hätte. Wie sollte er ihr jetzt in die Augen sehen? Mühsam presste er hervor: »Ja, Elisabeth. Ich komme gleich.« Mit schweren Schritten durchquerte er die Empfangshalle. Kurz bevor er auf die Terrasse trat, holte er tief Luft.
»Hast du sie?« Als er den Kopf schüttelte, erhob sie sich aus dem Rattansessel und ging auf ihn zu. Sie nahm sein Gesicht sanft in ihre Hände und lächelte ihn traurig an, dabei schaute sie ihm in die Augen: Sie hatte verstanden, er brauchte nichts mehr zu sagen.
»Vielleicht morgen«, flüsterte sie und gab ihm einen Kuss. Hilflos hob er die Hände.
»Es hat nicht funktioniert. Er hat sein Wort nicht gehalten.«
»Aber er hat das Gemälde. Er hat es doch bekommen.«
»Ja, das Bild hat er.« Der ältere Mann fuhr sich über die Stirn. »Doch den Tauschwert ist er uns schuldig geblieben. Ich hätte es wissen müssen, mit denen gibt es keine Geschäfte.« Sie spürte seine Wut und Verbitterung.
»Du brauchst dir keinen Vorwurf zu machen. Du hast alles versucht.« Sie streichelte ihm zärtlich über den Kopf. Wortlos drehte er sich um und ging ins Haus. Wenige Minuten später kehrte er mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern zurück. Elisabeth erkannte das Etikett. »Die letzte gute Flasche?«
»Ja, die für einen besonderen Anlass.«
Julius schenkte ein, dann setzten sie sich in die Rattansessel. Sie genossen den Wein, blickten auf das Meer und fassten sich immer wieder an den Händen. Nach einer Weile zog er eine silberne Dose aus seiner Jackentasche, klappte den Deckel auf und legte sie auf den Beistelltisch. Zwei gläserne Kapseln lagen darin. Elisabeth küsste seine Hand und drückte sie fest. Dann blickten sie stumm auf das Meer, dessen Oberfläche mit einem roten Schimmer überzogen war.
Der morgendliche Dunst löste sich allmählich auf. Es versprach ein schöner Sommertag zu werden, als fünf Uniformierte mit schwarzem Dreispitz auf den Köpfen und mit Pistolen bewaffnet die Stufen der engen Gasse erklommen. Sie wussten, wen sie zu holen hatten. Heute war es eine Handvoll deutscher Juden. Einer der Männer ergriff den goldenen Türklopfer der herrschaftlichen Villa und hämmerte energisch. Nichts rührte sich. Dann schlug er mit der Faust gegen die alte Holztür und brüllte: »Sofort öffnen! Guardia Civil!« Kein Geräusch kam aus dem Inneren. Kurz entschlossen griff er zu seiner Pistole und feuerte mehrere Schüsse auf das Türschloss ab. Holz splitterte. Dann stemmten sich die Männer gegen die Tür, die sich ächzend öffnete. Mit gezogenen Pistolen stürmten sie hinein und durchkämmten die untere Etage. Nichts. Sie verharrten und lauschten. Unnatürlich still war es. »Los, nach oben!« Der Capitán zeigte mit der Pistole zur Treppe. Die Uniformierten rannten hinauf, Türen wurden aufgestoßen. Dann das letzte Zimmer. Der Anführer preschte vor. Das Bett war unberührt. Er riss die Schränke auf. Nichts deutete auf einen plötzlichen Aufbruch der Gesuchten hin. Schließlich fanden sie das Ehepaar auf der Terrasse. Es war nicht nötig, genauer hinzuschauen. Der Capitán zog eine Liste hervor und strich die beiden obersten Namen durch. »Das ist jetzt Aufgabe unserer deutschen Kollegen«, bemerkte er, ohne eine Miene zu verziehen.