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Die Kartoffeln

Es soll wohl tatsächlich so gewesen sein, dass die dümmsten Bauern die größten Kartoffeln ernteten. Die gewaltigsten Knollen unter ihnen waren von unvorstellbarer Größe. Lilafarben waren sie und schmeckten leicht nussig. Man erzählt, die größte Kartoffel hätte nicht einmal im riesigen Keller des Gutshofes Platz gehabt.

Es wird sicher nicht allein an der Kraft der Erde gelegen haben – so manch einer hatte bestimmt einen fleißigen Helfer an seiner Seite. Vielleicht gab es auch Kartoffel-Trolle mit knubbeliger Nase? Niemand weiß Genaues nicht! Was unwirklich erscheint, kann wahr sein, und was wahr ist, ist keine Lüge. Vielleicht redeten die kleinen Gesellen den Kartoffeln auf den umliegenden Feldern und Äckern zum Wachsen gut zu? Vielleicht aber auch verteilten sie Wachstumstabletten? Niemand weiß Genaues nicht!

Die Gehilfen wollten anscheinend keine Taler als Dank haben. Die Dorfbewohner und die Gutsherrin Marianne machten sich Gedanken, denn sie wollten viele Riesenknollen ernten, um nie wieder hungern zu müssen. Um die Kartoffel-Trolle bei guter Laune zu halten, eröffnete die Gutsherrin Marianne im Jahre 1847 einen Brennereibetrieb. Nicht nur den Trollen gefiel das sehr gut. Die Dorfbewohner kamen auf den Geschmack des klaren Erdapfelschnapses. Sie saßen nur noch in der Dorfschenke, prosteten sich zu, freuten sich des Lebens und alles ging drunter und drüber. Es herrschte keine Ordnung mehr im Dorfe, aber alle hatten gute Laune.

Wie sollte das Chaos nur enden? Niemand weiß Genaues nicht! Das Land lag brach, keiner hatte die Felder bestellt und der Kartoffelvorrat neigte sich dem Ende. Nur die riesigste Riesenkartoffel war noch vorhanden. Die Gutsherrin Marianne stellte unter großem Widerstreit den Brennereibetrieb ein. In der Nähe war eine größere Stadt und sie verkaufte die Riesenknolle stückweise an die Leipziger Bürger, für die lilafarbene Kartoffeln eine feine Delikatesse waren. So kam wieder Geld in die Ortskasse, die Dorfbewohner wurden nüchtern und das Chaos wurde beendet.

Eigentlich war es eine schöne Zeit. Ob sie mal wiederkommt? Um sie nicht zu vergessen, lassen sich die Dorfbewohner immer mal wieder einen Grund zum Feiern einfallen. Selbst die kleinste Knolle ist ein Fest wert.

Aber: Niemand weiß Genaues nicht!

Geschichten aus dem Schwemmsandland

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