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Die hochmütige Albertine

Fräulein Albertine wohnte in einem prächtigen Schloss und bildete sich auf ihren vornehmen Stand sehr viel ein. Sie trug ihren Kopf kerzengerade auf den Schultern, die Nase ragte hoch hinauf in den Himmel und sie erniedrigte ihr Personal, wo sie nur konnte. Oft stellte sie im Befehlston unnütze Aufgaben, und wenn diese nicht erledigt wurden, bekam Fräulein Albertine mindestens zehn Tage schlechte Laune. Zudem war die Schlossherrin sehr geizig. Ihre Dienstmädchen sollten im Winter die Eisblumen am Fenster gießen, die Köchin aus Luft einen herzhaften Braten zubereiten oder der Kammerdiener jederzeit lautlos hinter ihr herschweben, damit kein Staub aufgewirbelt wurde, der ihr in die Nase steigen könnte. Albertine war sehr hochmütig.

Eines Tages kam Brinja, eine arme Maurerstochter zu ihr und wollte sich mit Gartenarbeiten verdingen. Das erhaltene Geld schickte sie alsbald ihrer Mutter, damit diese beim alten Kräuterweiblein heilende Mittel für ihren kranken Vater kaufen konnte.

Mit einer Brieftaube kam eine Bitte und der Dank von ihrem Vater.

Brinja las die Zeilen und sprach sogleich zu ihrer Herrin: „Mein Vater, der todkrank ist, lässt Sie bitten, zu ihm zu kommen, denn er hat Ihnen etwas Wichtiges zu sagen.“ Fräulein Albertine antwortete daraufhin hochnäsig: „Das mag wohl etwas Wichtiges sein, was so ein armer Mann mit mir zu reden hat! Geh mir aus den Augen und erledige deine Arbeit. Ich habe in deiner elendigen Hütte nichts zu suchen!“

Nach ein paar Tagen kam Brinja wieder mit der Bitte zu ihr und sprach mit fester Stimme: „Ehrwürdiges Fräulein Albertine, kommen Sie geschwind! Ihre selige Mutter hat während des Krieges eine Menge an Gold, Edelsteinen und auch Silbermünzen einmauern lassen. Den Schatz Ihrer Familie. Mein Vater hatte diese Aufgabe zu verrichten und er durfte niemandem den Ort verraten, nur Ihnen, wenn Sie einmal zwanzig Jahre wären. Jetzt ist aber mein Vater sehr krank und kann nicht mehr länger warten.“

Fräulein Albertine eilte nun so schnell sie konnte. Leider war sie nicht schnell genug und der gute alte Mann hatte schon diese Erde verlassen, als sie die Hütte erreichte. Das machte die Schlossherrin erst recht wütend. Wieder daheim schrie sie ihre Bediensteten an, sie sollten jede Mauer, auch wenn sie noch so klein war, herniederreißen und jeden einzelnen Stein zerschlagen. So sehr sie sich alle bemühten, sie fanden nicht den geringsten Schatz. Sie hinterließen nur ein Trümmerfeld.

Fräulein Albertine bereute es nun, den letzten Wunsch des alten Mannes nicht erfüllt zu haben, weil es ihr Stolz nicht zugelassen und sie sich so selbst um den Reichtum gebracht hatte. Die Reue kam aus dem Eigennutz heraus und war deshalb nicht viel wert.

Brinja unterdessen wendete sich zu dieser Zeit von der Schlossherrin ab und stieg auf die Überreste des alten Gemäuers. Als sie ihr Gesicht wieder der edlen, aber kaltherzigen Frau zuwendete, strahlte sie eine sichtbare Erhabenheit aus. Ihre Kleider waren aus kostbarem Stoff, ihr Schmuck von schlichter Schönheit. Brinja war Edelfrau geworden und die Hoheit des reinen Herzens. Sie sprach mit diesen Worten zu Fräulein Albertine: „Hochnäsige Albertine, dein stolzer Sinn und dein kaltes Herz haben alles zu einem Scherbenhaufen werden lassen. Baue mit deinen eigenen Händen dieses Schloss wieder auf, schöner und größer denn je. Du wirst wieder darin wohnen können, aber für jeden, der an deine Tür klopft und Hilfe benötigt, wirst du selbst ein warmes Essen und ein weiches Lager bereiten.“

So geschah es dann auch, und bis zum heutigen Tag werden in diesem Schloss Menschen liebevoll betreut und verpflegt.


Geschichten aus dem Schwemmsandland

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