Читать книгу Zum Glück gibt's Oma und Opa!: Wie Großeltern Familien stärken und fördern können - Brigitte Zwenger-Balink - Страница 7
Vorwort
ОглавлениеOma und Opa zu sein, ist ein wahres Glück, weil es uns unverdient widerfährt, wie ein Geschenk. Es ist die große Freiheit von den Pflichten der täglichen Erziehung. Ohne, dass ihnen dies klar ist, stellen Kinder jeden Tag ihre Mütter und Väter auf die Probe, um herauszufinden, ob sie gute Erzieher sind und alles richtig machen, gerade dann, wenn sie selbst etwas falsch machen. Großmütter und Großväter hingegen werden von ihren Enkeln nicht auf ihre Befähigung zum Erzieher geprüft, obwohl sie genau das trotzdem sind. Doch im Gegensatz zu den Eltern nehmen sie diese Rolle freiwillig und immer nur vorübergehend ein. Omas und Opas verzeihen ihren Enkelkindern gerne, wenn diese etwas falsch machen. Sie dürfen nämlich auch selbst etwas falsch machen. Kein Enkel nimmt ihnen das übel, weil sie plötzlich mit ihren Großeltern in einem Boot sitzen und eine verschworene Gemeinschaft bilden, vergleichbar mit Seeräubern.
Die große Freiheit, Großeltern zu sein, macht Freude, meistens auch den Enkeln. Der Opa darf ein »Quatsch-Opa« sein – so nennen mich meine eigenen Enkel. Er darf alle möglichen Tiere nachmachen, auch Motorräder, die in einen Hühnerhof fahren und dort ein vielstimmiges Konzert auslösen. Quakende Enten und gackernde Hühner, grunzende Schweine, blökende Schafe und muhende Kühe sind sehr beliebt. Der Bildungswert der Nachahmung ist nicht zu verachten, weil ja alles Lernen letztlich Nachahmung ist und deswegen früh und spielerisch geübt werden sollte. Der Opa mit seiner Bauernhof-Erfahrung kann erklären, dass Kühe nicht einfach einfältig immer nur einen einzigen Ton muhen, sondern eine Quint singen, also Intervalle, mit denen auch eine Oper von Richard Wagner beginnt. Opa und Oma dürfen Grimassen schneiden und alles tun, was die Eltern nicht ständig tun sollten, weil es ihre Autorität untergraben könnte.
Natürlich ist die große Freiheit der Großeltern nicht grenzenlos. Es gibt Bedingungen, die unbedingt eingehalten werden sollten. Eine der wichtigsten ist, dass Oma und Opa ihre eigenen Kinder, die nun selbst Eltern sind, nicht weiter erziehen sollten. Ratschläge sind zwar oft gut gemeint, meistens jedoch weder wirklich gut noch willkommen. Die Hilfe bei der Betreuung der (Enkel-)Kinder, die gewährt wird, sollte bedingungslos sein. Doch die Großeltern sollten sich nicht in das Geschäft der Erziehung einmischen, nicht nur deswegen, weil es Unfrieden stiftet, sondern auch, weil es sinnlos ist, den Enkeln schadet und die eigenen Kinder verstimmt. Der Takt der Großeltern, ihre privilegierte Lage nicht auszunutzen, setzt eine gewisse Selbsterziehung, Zurückhaltung und Bescheidenheit voraus. Wir sollten uns als Großeltern daran erinnern, dass wir als Eltern mit unserer eigenen Kunst, Kinder zu erziehen, nicht immer glänzten.
Prof. em. Dr. Wilhelm Vossenkuhl
Philosoph und Großvater von sechs Enkeln im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren