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KAPITEL 3 – Mama

Ich blinzelte in die Sonne und schob meine Sonnenbrille auf die Nase. Der Gärtner hatte heute ausnahmsweise frei. Sonst war er jeden Wochentag – Sonntag ausgeschlossen – da und schnitt irgendwas an den über 50 Büschen im Garten herum. Ich lag auf einem Liegestuhl vor dem Pool. Mal keine grossen, neugierigen Augen, die mich von oben bis unten musterten.

Neben mir stand ein kleines Tischchen, darauf befanden sich ein selbstgemachter Limonaden-Zitronen-Drink mit der Spezialzutat Ingwer.

Ich blätterte auf eine neue Seite meines, von Julia ausgeliehen Buches Maya und Domenico, Entscheidung mit Folgen.

Julia meinte, es könnte mir nicht schaden, etwas zu lesen, deswegen hatte sie mir alle Bände dieser Buchreihe vorbeigebracht. Konzentriert saugte ich jedes der geschriebenen Worte in mich auf. Diese Liebesgeschichte war einfach herzzerreissend. Ich wünschte mir auch, jemanden so sehr zu lieben, dass es beinahe wehtat.

«Guten Tag, Miss Gray», sagte eine Stimme neben meinem Ohr. Ich erschrak so sehr, dass ich das Glas fallen liess, welches ich kurz in die Hand nahm, um daraus einige Schlucke zu trinken. Schockiert stellte ich fest, dass ich die Limonade über mein Dekolleté verschüttet hatte. Das Buch kriegte ebenfalls einige Spritzer ab.

«Oh, das tut mir leid!», sagte eine eingeschüchterte Stimme neben mir. Wütend legte ich das Buch zur Seite und stand auf. «Was wollen Sie von mir?» Verärgert versuchte ich die klebrige Flüssigkeit von mir runter zu wischen. Mein roter Bikini klebte wie eine zweite Haut an mir.

«Miss Amanda hat nach Ihnen gerufen.» Sie griff nach dem Drink. «Warten Sie, diesen Schluck verwehren Sie mir nicht auch noch!» Ich war bemüht ruhig zu bleiben, was mir tatsächlich auch gelang «Sagen Sie Amanda, ich komme gleich.» Ich wartete, bis sie weg war und schnaufte verächtlich.

Alle Angestellten sagten immer «Miss Amanda», wenn sie in meiner Gegenwart von meiner Tante sprachen.

Ich schnappte mir das Glas und trank auf ex alles aus.

Gehirnfrost.

Nach dem Schock machte ich mich dann auf den Weg zum Gartenschlauch. Er hing an der Hauswand gleich um die Ecke. Doch eigentlich hatten wir auch eine Gartendusche. Um die Begegnung mit meiner Tante noch etwas hinauszuzögern, kam mir der Gartenschlauch ziemlich gelegen.

Als ich das Wasser aufdrehte, rutschte er mir jedoch wegen des Druckes aus der Hand. Der Schlauch sprang wie ein Ball immer wieder vom Boden auf und spritzte mich von oben bis unten nass. Ich kreischte hysterisch.

«Was geht denn hier vor sich?», hörte ich Marie, die zuvor schon am Pool bei mir war.

Ich bekam den Schlauch plötzlich zu fassen und hatte den Verlauf des Wasserstrahls nun unter Kontrolle. Eine kleine Revache kann nicht schaden. Ich richtete den Schlauch blitzschnell auf Marie, die erst begriff, als sie vor Nässe zu tropfen begann. «Lorena! Lassen Sie das!» Ich lachte voller Schadenfreude.

«Lorena!», vernahm ich die strenge Stimme von Amanda. Sofort schraubte ich das Wasser zu und schob den Schlauch zur Seite. Sie stand in sicherem Abstand zu uns beiden. Ihr Blick verhiess nichts Gutes.

«Komm hier her!» Es herrschte plötzlich eisige Stille zwischen Marie und mir. «Marie, bitte gehen Sie sich umziehen. Und was dich angeht, Lorena, wir spritzen keine Angestellten nass. Auch wenn das für dich vielleicht witzig ist.» Sie kniff die Augen zusammen. Würde man ihr ansehen, wie wütend sie gerade auf mich war, wäre sie wahrscheinlich in Flammen aufgegangen.

«Wir sind doch eine grosse Familie, ich möchte nicht, dass du dich den anderen gegenüber so verhältst. Mache sie nicht für deine innere Wut verantwortlich. Sie haben genauso ein Recht hier zu wohnen, wie du, auch wenn sie nicht blutsverwandt mit uns sind.» Meine Tante hielt mir mal wieder einen ihrer Vorträge.

«Dann solltest du aufhören, sie zu bezahlen, du würdest dann sehen, was für eine Familie wir wären. Nämlich keine mehr. Die Realität sieht anders aus.» «Sei still!» Sofort hielt ich die Luft an. Ich hatte Tante Amanda noch nie so wütend gesehen. Wäre ich direkt vor ihr gestanden, hätte ich wahrscheinlich eine Ohrfeige bekommen. «Jetzt geh sofort hoch in dein Zimmer, aber dalli!» Sie zeigte zur Tür.

«Ich will mein Leben zurück! Ich will Mama zurück!» Mit Tränen in den Augen rannte ich hoch in mein Zimmer. Ich liess mich in mein Bett fallen, den Kopf im Kissen vergraben.

«Was hast du wieder angestellt, meine Süsse?!» Marko betrat das Zimmer, dicht gefolgt von Sonja. Die zwei waren unzertrennlich. Marko war homosexuell, er stand also auf Männer.

«Sie hat Marie mit dem Gartenschlauch nass gespritzt?», sagte Sonja mit knapper Stimme und lachte leise. Sonja bevorzugte Frauen, sie war lesbisch, doch ich hatte kein Problem damit.

«Deswegen musst du doch nicht weinen. Sei ein Mann.» Sonja klopfte mir kumpelhaft auf die Schulter. Marko schüttelte verständnislos den Kopf. «Sie ist ein zierliches Mädchen und kein harter Brocken.» Er strich mir sanft über das Haar. «Es ist nicht nur das», gestand ich schluchzend und setzte mich in meinem Bett auf. «Ich vermisse Mama.» Marko und Sonja warfen sich einen vielsagenden Blick zu. «Willst du reden?», fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Ich sprach nicht gerne darüber, was vor 12 Jahren passiert war.

«Na gut, das ist kein Problem.» «Amanda möchte, dass du dich zur heutigen Versammlung hübsch machst.» Sonja war nicht gut in Gefühlsdingen, deswegen wechselte sie das Thema, worüber ich ihr auch nicht böse war.

«Ich gehe duschen», kündete ich ihnen an und begab mich in mein Badezimmer. Unter der Dusche schloss ich die Augen. Wenn ich doch nur diesen Unfall hätte verhindern können. Den Tod meiner Mutter hatte ich nie richtig verarbeiten können. Ich hatte Nächte, in denen mich Albträume plagten. Ich legte eine Hand auf meinen Bauch, derselbe Punkt, welchen Mama immer dazu genutzt hatte, mich vor dem Schlafengehen zu beruhigen. Die ganze Trauer kam wieder in mir hoch. Es war alles so schnell passiert, dass ich mich nur noch bruchstückweise daran erinnern konnte. Es hätte damals genauso gut auch mich treffen können. Doch ich habe bloss eine kleine Narbe als Andenken zurückbehalten.

Mama war an diesem Abend etwas aufgeregt. Onkel Harrys Überraschungsgeburtstagsparty stand an und wir waren schon etwas spät dran. Die Sonne stand gerade über dem Horizont, sie leuchtete in einem satten Rot. Das hatte ich bis dahin noch nie gesehen.

Ich sass hinten im Auto und schaute verträumt aus dem Fenster. Doch auf der Autobahn, ungefähr auf halber Strecke, passierte es dann. Mama verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und wir wurden über den Asphalt geschleudert, alles verschwamm ineinander. Ich konnte noch hören, wie sie meinen Namen rief und die Hände vom Steuer riss, damit sie zu mir nach hinten greifen konnte. Bevor sie mir ihre Hand reichte, hatte sie das grosse eiserne Metall auch schon durchbohrt. Überall war plötzlich Blut. Selbst an mir. Ich schrie und weinte. Erst dann bemerkte ich, dass unser Auto auf dem Kopf stand.

Ich versuchte meine Schnalle zu lösen, doch sie klemmte fest. Voller Schock schaute ich Mama an, die mit Blut verschmiert war. Die Hälfe ihres Körpers war so gut wie weg. Einfach so weg. Mir lief es eiskalt über den Rücken und liess mich erstarren. Ich konnte nicht mehr sagen, wie lange ich sie angestarrt hatte, bis mich das Feuer neben mir aufschrecken liess. Das Auto verlor Benzin und weil der Motor noch erhitzt war, fing es an zu brennen.

Mein Herz hatte noch nie so schnell geschlagen und deshalb verlor ich den Kampf gegen die Unruhe. Ich schaute nochmals zu Mama, die ich als tot vermutet hatte. Doch dann vernahm ich wie durch ein Wunder einen Atemzug von ihr. Bei genauerem Hinschauen konnte ich erkennen, wie sich ihr Brustkorb hob und wieder sank. Ihre Schmerzen mussten unerträglich gewesen sein. Als Mama sich bewegte, kam Hoffnung in mir auf. Ich hörte Mutters Stöhnen. Sie drehte sich zu mir und ich sah, wie ihr Hals halb offen war und Unmengen von Blut herausfloss.

Sie konnte meine Sicherheitsschnalle lösen, weshalb ich zu ihr nach vorne klettern konnte. Ich weinte etwas weniger, weil ich ihre Wärme spüren konnte. Heute denke ich, dass es hauptsächlich die Wärme ihres Blutes gewesen war. Ich umarmte sie, ich hatte solche Angst. Mir wurde bewusst, dass sie es nicht schaffen würde. Ihre Gesichtsmuskeln waren bereits am Erschlaffen. Sie flüsterte mir leise zu, ich solle die Autotür öffnen. Ich tat, was sie verlangte und in diesem Moment stiess sie mich aus dem Auto. Die Flammen waren überall.

Ich sah sie durch die halb geöffnete Autotür an. Es war so, als hätte das Feuer eine kurze Pause eingelegt, um uns Zeit zu geben, uns zu verabschieden.

Mama hob ihre Hand und strich mir sanft und zitternd über das Gesicht. «Ich liebe dich!», sagte sie wispernd.

«Geh … Ich liebe dich so sehr …!» Ihre Stimme wurde heiser. Ihre Hand fiel zu Boden, ihr Körper war nur noch eine leere Hülle. Alles, was ich damals liebte, wurde mir genommen.

Ich stand auf, was ein Fehler war, denn in diesem Moment explodierte das Auto und ich wurde zurückgeschleudert. Ich kann mich noch erinnern, wie die Feuerwolke mein Gesicht streifte. Ich schlug hart mit dem Hinterkopf auf und da wurde alles schwarz.

Später im Krankenhaus, wollten mir die Ärzte nicht glauben, dass meine Mama sich noch bewegt hatte. Ihren Verletzungen zu folge, hätte sie direkt tot sein sollen. Sie vermuteten eine Wahnvorstellung unter Schock. Ich war noch klein gewesen, deshalb tarnten sie die kommenden Psychologen-Besuche als ein Treffen mit einer alten Kollegin meiner Tante.

Es sollte bloss vorübergehend sein, die Zeit bei Amanda, mittlerweile lebte ich bereits seit 12 Jahren bei meiner Tante.

Die ersten 10 Wochen sprach ich mit niemandem ein Wort und wenn ich in einen Spiegel sah, sah ich Schürfwunden an Armen und Beinen. An der Stirn hatte ich sogar eine kleine Narbe davongetragen. Na gut, von klein konnte nicht die Rede sein. Sie war fünf Zentimeter lang und ging von, ungefähr der linken Stirnhälfte zu meinem Ohr. Aber dank den Haaren kann ich sie heutzutage gut verstecken.

Draussen vor dem Badezimmer, hörte ich Marko und Sonja, die sich wild unterhielten. «Jetzt halt mal die Klappe!», sagte Marko und öffnete langsam die Tür. Bei meiner Dusche war bloss ein Glas und kein Duschvorhang. Sonja verdeckte Marko von hinten die Augen, der fing sich an zu wehren und schlug sanft auf die Hände von ihr. «Ach, hör auf! Ich glaube, ich muss eher dir die Augen zuhalten.» Marko wendete sich um und schlug Sonja seine Hände vor die Augen.

Ich verdeckte mir die wichtigsten Zonen meines nackten Körpers. Marko schickte Sonja aus dem Bad und kam seufzend zu mir. Er reichte mir eines der weissen Tücher und ich ergriff es dankend.

«Danke!» «Sonja weiss echt nicht, wann genug ist», schimpfte er und schüttelte dabei den Kopf. «Ich kann euch hören», informierte sie uns über die Hellhörigkeit der Wände. «Seid ihr fertig da drin?» Sonja scharte an der Holzschiebetür.

«Wollen wir mal eine kleine Prinzessin aus dir machen?» Marko ignorierte sie und nahm meine Haare in seine Hände. Er legte den Kopf schief und sagte: «Eindeutig eine Hochsteck Frisur. Das passt viel besser zu dir.» Er lächelte mir im Spiegel entgegen, ich lächelte zurück.

Die Zeit war nicht einfach ohne Mutter und ich vermisste sie unheimlich. Ich wünschte mir so sehr, dass sie irgendwann zurückkommen würde.

«Oh, du lieber Gott!», meinte Sonja als sie mich sah. Ich trug bereits das gelbe, auserwählte Kleid von Marko mit der weissen Schleife am Rücken. Von der Hüfte abwärts fiel es in kleine Wellen. Marko hatte einen fantastischen Geschmack. Meine Haare hatte er zu einer Hochsteckfrisur verzaubert. Mit den Blumen in den Haaren, sah ich aus, wie eine Blumenfee.

«Sehe ich so schlecht aus?», fragte ich verunsichert. «Nein, d… du siehst verwandelt aus.» Sonja streckte ihre Arme aus.

«Hey! Ich bin immer noch die Lorena, die ihr kennt, die ohne …» «Ohne Charme und Freude am Leben.» Ich ignorierte den Einwurf von Marko. «… die ohne jegliche Hilfe zurechtkommt und irgendwann ihren Traum leben wird», beendete ich meinen Satz.

Marko und Sonja fingen an spielerisch zu husten. «Ach ja?», meinten sie. «Macht euch nur lustig, Leute. Ihr werdet es noch sehen.» Ich lief hinüber zu meinem Ankleidezimmer.

Die vier Schuhreihen, die ich zu Verfügung hatte, waren voll mit bezaubernden Schuhen. Mit Stiefeln, Sandaletten, hochhackigen- und Turnschuhen. Der Traum jedes Mädchens.

Meine Augen suchten wie verrückt nach den gelben Sandaletten. «Das Einzige, was ich weiss, ist, dass ich es gerade war, der dir zu deiner Schönheit verholfen hat.» Er hob das Kinn an. «Darf ich fragen, was du da genau suchst?» Seine gerunzelte Stirn konnte nichts Gutes heissen. «Ich finde meine gelben Sandaletten nicht», meinte ich frustriert.

«Was?» Marko war schockiert und warf die Hände in die Luft. Seine gespielte Art schockiert zu sein, kannte ich bereits. «Das ist ja schrecklich. Die müssen wir schnell suchen, weil sie ja so gut zu deinem Kleid passen.» Ich spürte seine Ironie dahinter.

«Bist du nicht ganz bei Sinnen?», fragte er mich mit einem gespielten Herzinfarkt. Er zitierte mich zu den Hockern in der Mitte des Raumes. Ich war plötzlich erschöpft und liess mich auf einen der Hocker fallen. Ich seufzte und sah zu Marko hoch.

«Schätzchen, du musst lernen, die Mode zu verstehen. Du hast keinen Stil!», sagte er mir direkt ins Gesicht. Er muss es wissen. «Aber die Sandaletten sind gelb wie das Kleid.» «Blablabla, hörst du denn nicht was du da sagst?» Er drehte sich zu den Schuhen und sprach in Richtung Wand weiterhin auf mich ein. «Nur weil es die gleiche Farbe hat, bedeutet das nicht, dass es auch zusammenpasst, Süsse.» Er zog einen Stiefel hervor und drehte ihn in der Hand. «Der ist schwarz, der passt auch», sagte ich und kaum hatte ich es ausgesprochen, widersprach er mir sofort. «Nichts da! Das ist ein Stiefel, hast du dein Kleid angesehen?» Er stellte ihn zurück.

Ich seufzte tief und zog die Knie an mein Kinn. Das konnte ein langer Abend werden. «Die Form ist das Geheimnis», meinte Marko vertieft in einen der vielen Schuhe. «Nicht war Sonja?» «Ich verstehe nichts von dem ganzen Mädchenkram», meinte sie kurz überfordert und setzte sich dann neben mich. Marko ignorierte Sonjas Einwurf erneut und griff stattdessen nach ein Paar Schuhen und reichte sie mir. Sie waren weiss. «Weiss? Ich bin so ungeschickt, die werde ich sowieso dreckig machen.» Das weiss zu gelb passen könnte, daran hätte ich nicht gedacht.

«Schön sind sie, das muss man ihnen lassen.», sagte Sonja nun auch interessiert.

«Die Schuhe passen perfekt zu deiner weissen Schleife. Die beiden bilden einen guten Kontrast zu deinem Kleid.» Nur wenig überzeugt zog ich die Schuhe an und betrachtete mich anschliessend im grossen Spiegel im Ankleidezimmer. Marko stellte sich neben mich. «Du bist wunderschön.» Ich spielte nervös mit den Fingern. Er hatte Recht. Marko hielt meine Taille. «Du siehst deiner Mutter wirklich sehr ähnlich.» Bei seinen Worten fühlten sich meine Augen sofort mit Tränen.

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