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KAPITEL 4 – Unbekannter

Ich schlich mich in die Küche, dort stibitzte ich aus unserem Vorratsraum einige Leckereien, die ich sorgfältig und weitgehend geräuschlos in meinem Rucksack verstaute. Mit dem Kopf im Türrahmen die Flure absuchend nach irgendwelchem Personal, stellte ich sicher, dass die Luft rein war. Durch den Hinterausgang gelangte ich ins Freie, dann ging ich geradewegs zum Zaun, der mich von meiner Freiheit trennte. Meiner richtigen Freiheit. «Geschafft!» Es war mir ein Leichtes, dachte ich und suchte meine Kopfhörer heraus. Die Versammlung war schneller vorbei, als ich dachte. Es waren viele Leute in unser Haus gekommen, was ich nicht besonders gewohnt war. Die klassische Musik war durch die Flure gehallt, was das ganze Haus in das tiefste 18. Jahrhundert versetzte. Die Menschen sind träge zwischen den Räumen umher geschritten und haben die vielen alten Artefakte an den Wänden bestaunt. Normalerweise befanden sich diese immer im Keller, an einem Ort, zu welchem ich keinen Zutritt hatte, damit ich nichts kaputt machen konnte. Es machte mich betrübt, dass Amanda so wenig Vertrauen in ihre Nichte hatte. Meine Gedanken wurden von einem mir bekannten Refrain unterbrochen. «Runnin» von Sofia Karlberg. Ich warf einen Blick auf das Display.

Julia! Vielleicht erwartete sie mich schon.

«Hallo, kann es da jemand kaum ohne mich aushalten?», scherzte ich. Die Musik im Hintergrund brachte mich zum Lächeln. Julia war einer der wohl grössten Fans der Band Kiss. Ihr Zimmer war mit Postern zu tapeziert.

«Hallo, Mäusebärchen», sagte sie gutgelaunt. «Na, Honiggesicht, wie läuft es so zu Hause bei Tantchen?»

Ich erhielt von ihr immer wieder neue Spitznamen, vielleicht weil sie sich nicht entscheiden konnte oder sie es immer wieder vergass. «Keine Ahnung, bin gerade nicht zu Hause.» Sie wusste nichts von meinem Besuch. Am anderen Ende konnte ich eine tiefe, laute Stimme hören. Das war bestimmt Julias Vater, der wieder mal seine Nerven verlor.

«Und wo steckst du dann?», fragte sie mich interessiert.

«Ich verschwinde gerade von zu Hause … » Ich kam ins Stocken, weil die Geräusche und das Geschrei noch lauter wurden. «Du, sag mal, was ist eigentlich bei dir los?» Ich kam zu einer Wegkreuzung, an der ich mich gern mal verirrte.

«Ach, Mutter hat gestern wieder mal die Sau mit ihren Freundinnen rausgelassen und kam heute Morgen betrunken wieder nach Hause. Jedenfalls hat Dad gerade ein Glas zerschlagen und Mama weint. Meine kleine Schwester versteckt sich unter meinem Bett und meine Tür steht offen … » Julias Tonfall wirkte unbekümmert, als sei sie die Streitereien gewohnt. «Geht’s noch? Mann, Leute! Klara hat Angst. Seid gefälligst etwas leiser!», schrie sie in den Flur zu ihren Eltern, dabei vergass sie wohl, dass ich immer noch an ihrem Ohr klebte, wodurch meine Ohren zu summen begannen.

«Tut mir leid. Jetzt weint meine Schwester … Wo waren wir? Ah ja, genau», fuhr sie fort, ohne dass ich was sagen konnte. «Wohin gehst du?» Die Vorstellung, wie Julias Eltern Geschirr durch die Wohnung warfen, die passte einfach nicht zu ihrem sonst so fabelhaften Auftreten. «Bist du noch da, Schnecke?» Diese Spitznamen müssen aufhören.

«Ähm … ja», stotterte ich und blieb stehen. «Ich dachte, ich könnte zu dir kommen», sagte ich kleinlaut. Wer weiss, wie sie reagieren würde. «Willst du mich verarschen?» Ihre Stimmlage verschob sich einige Oktaven höher.

«Das klingt nicht besonders erfreut. Ich könnte noch umdrehen. Ich meine, wenn du nicht willst, dass … » Sie unterbrach mich rasch. «Ich denke, eine Ablenkung tut mir gerade gut», meinte sie glücklich. «Dann kann ich vorbeikommen?», fragte ich. «Aber hallo! Ja klar!» Ihre lockere Art übertrug sich auf mich. «Ich muss aufhören, Dad ruft nach mir. Bis gleich.» «Ja, bis…» Ein dumpfes Geräusch unterbrach mich. Ich blickte zu den langen Schatten in den Büschen. «Lorena, Hallo?!» Julia schrie in mein Ohr. Vielleicht hatte ich mir das Geräusch nur eingebildet.

«Ja, ich bin hier. Tut mir leid, ich dachte nur … » *Knack*

Ein Ast zerbrach gleich hinter dem Busch, der mir gegenüberstand. Ich verkrampfte mich und spürte wie das Adrenalin durch meine Venen gepumpt wurde. «Lorena? Alles gut bei dir?» Julias Stimme liess mich zusammenzucken. «Jaja», sagte ich energisch mit einem Auge in den Wald hinein schielend. Ich bemerkte, dass meine Knie zu zittern begannen. Hatte ich Angst, konnte ich wegrennen. Bekam ich Panik, erstarrte ich zu einer Eisskulptur.

«Lorena … du machst mir Angst.» Ich hörte aus ihrer Stimme den Unterton, womit sie mir zu verstehen gab, dass sie in Alarmbereitschaft war. «Hey», sagte eine Stimme direkt neben mir. Ich erschrak mich so heftig, dass ich mich an meinem eigenen Schrei verschluckte. Den Weg nach draussen fand nur ein nicht besonders damenhaftes Röcheln.

«Was machst du da?», fragte mich der blondhaarige Junge mit seinen blauen, himmlischen Augen. Oh mein, Gott! So einen Typen habe ich noch nie gesehen. Wo hat er diese Augen her? Die will ich haben!

«Lorena? Ist wirklich alles gut bei dir?» Jetzt war Julia völlig am Ausrasten. «Sag mir doch was los ist! Soll ich die Polizei anrufen?!» Sie musste meinen unvollendeten Schrei mitbekommen haben, dieser war auch nicht zu überhören.

«Ähm … ja, alles bestens.» Ich räusperte mich. «I… ich muss auflegen, s… sorry. I… ich kann gerade nicht. Tschüss.» Dann legte ich auf. Ich konnte nur noch ein verstörtes was? wahrnehmen.

«Deine Freundin?» Der Junge schaute mich fragend an und hob dabei seine Augenbrauen. Dabei sah er auch noch so unverschämt gut aus.

«Nein … ähm … doch, ja.» Ich stellte mich völlig dumm an. Aber ich war es auch nicht gewohnt, Leuten zu begegnen.

«Sie klang sehr besorgt», sagte der Junge und seine Augen lachten mit seinem Mund mit. Ich fliesse dahin.

«Ich bin Jason», stellte der Junge sich schliesslich vor und reichte mir seine Hand. Ich machte zwei Schritte auf ihn zu und ergriff sie. «Ich bin Lorena», erwiderte ich darauf. Wir fingen beide an zu grinsen, dann liess ich Jasons Hand wieder los und trat einen Schritt zurück.

Er hatte einen festen Händedruck, das gefiel mir. Ein Zeichen für Selbstbewusstsein.

«Was macht ein junges, schönes Mädchen ganz allein hier im Wald?» Jasons Frage verwirrte mich. Warum nannte er mich schönes Mädchen? Ich kratzte mich am Hinterkopf und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Gerade war ich froh, dass die Blätter der Bäume so dicht wuchsen und somit den Wald verdunkelten. «Ich wollte zu meiner Freundin», beantwortete ich seine Frage. Er musterte mich kurz und eine angenehme Gänsehaut huschte über meinen Rücken.

«Was machst du überhaupt hier?» Ich versuchte das Zittern meiner Stimme zu unterdrücken.

«Ich gehe spazieren», sagte er amüsiert.

«Spazieren?», wiederholte ich bemüht, nicht heiser zu klingen. «Ja, oder macht man das heutzutage nicht mehr?» Er strahlte eine gewisse Ruhe aus, was mir in dem Moment guttat.

«Gehst du hier oft spazieren?» Ich wurde neugierig, was mich unvorsichtig werden liess. Lorena, du wagst dich in unbekanntes Terrain. Ich hatte nicht gross Erfahrungen in Gesprächen mit Fremden. «Ab und zu. Es ist eine gute Methode einen freien Kopf zu bekommen» Ich nickte schlicht. Er hatte dieses Feuer in den Augen, was mich zu verschlingen drohte. Kurz verlor ich mich in seinem Anblick, dann räusperte ich mich verlegen. «Woher kommst du, ich habe dich noch nie zuvor gesehen?» Diese Frage liess mich schneller atmen. Genau vor solchen Gesprächen hatte ich immer Angst gehabt. Wie sollte ich anderen erklären, dass ich Privatunterricht erhielt und nicht oft draussen war?! «Ich bin neu hierhergezogen», Wieso log ich? «Ach wirklich?» Weshalb war er so überrascht darüber? Wusste er vielleicht doch, wer ich war? War das ein Test?

Meine eigenen Gedanken liessen mich nervös werden. «Und wie gefällt es dir bis jetzt in unserem bescheidenen kleinen Städtchen?», fragte er, ohne weiter überrascht zu wirken. «Ich bin ein Grossstadtmensch. Hier hat es nicht viel, was mich interessiert.» Ich war so kühl. Innerlich schimpfte ich mit mir selbst. «Du täuschst dich, Lorena.» Als er meinen Namen aussprach, spürte ich einen kleinen Hüpfer meines Herzens. Noch nie zuvor hatte es jemand zustande gebracht, meinen Namen so zärtlich auszusprechen. «Es gibt so viele wunderschöne Orte in dieser Stadt. Ich hoffe, du wirst sie eines Tages entdecken und an mich denken.» Sofort errötete ich. Dann sah ich es zum ersten Mal. Es war nur eine Millisekunde, in der er sein Gesicht entspannte. Eine Bewegung reichte mir aus, um zu wissen, was für ein Mensch er war. «Du wohnst also auch in New Hampshire?» «Ja, ich wohne gleich einige Strassen weiter unten.» Er zeigte in die Richtung, aus der ich kam. «Nun gut, ich muss weiter.» Sofort war ich enttäuscht. «Ich bin noch mit meinen Eltern zum Essen verabredet.» Ich musterte seine Gesichtszüge. Kaum merklich fing seine rechte Augenbraue an zu zucken. Es war minimal, so dass man es ohne meine Gabe nicht wahrnehmen würde.

«Was ist heute für ein Datum?», fragte ich und wusste, dass der 26. war. Er sah auf seine grosse Armbanduhr, welche nicht von dieser Welt stammte. «Der 26. Juli», antwortete er etwas verwirrt und dieses Mal sah ich kein Zucken. Das bedeutete, dass er vorher gelogen hatte. Er war nicht mit seinen Eltern zum Essen verabredet. Doch was ging es mich an und wieso interessierte es mich, dass mich sein Lügen verletzten konnte?

«Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.» Er trat näher und nahm meine Hand. «Es war mir eine Freude dich kennen zu lernen, Lorena.» Er beugte sich vor und küsste ritterlich meinen Handrücken. Dies stiess einen elektrisierenden Schlag durch meinen Körper, der mir Dopamin durch die Venen schiessen liess. Er erhob sich wieder und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Dann ging er an mir vorbei in die Richtung, aus der ich gekommen war. Ich war so perplex, dass ich mich eine Weile nicht bewegen konnte.

Verträumt sah ich ihm nach.

Wie sexy war er von 1 – 10?

Definitiv 11!

Ghost of time - Zeitgeist

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