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Eine Chemie, die es nicht gibt
Оглавление- Was ist das überhaupt, eine chemische Reaktion? –
Wer meint, der Mond als der Himmel der Verliebten hätte als ein Stück Gestein, das er zweifellos ist, kein Recht, denkt falsch. Und wie steht es mit einem Gehirn, das sich diese Gedanken macht? Ist es nicht Teil derselben Natur? Besitzt er auch das? Gehört ihm nicht alles, das Gehirn und der Mond, so gehört ihm in Wahrheit nichts. Ernst nehmen kann man den nicht, der sagt, er wisse wirklich um dieses Gehirn Bescheid. Wer einem lieben Menschen zwar eine Rose schenkt, sich aber des Gedankens nicht erwehren kann, letztendlich verdanke sich diese einer chemischen Reaktion, denkt falsch. Wissen die meisten doch gar nicht, was eine chemische Reaktion ist. Diese bedarf eines Chemikers, komplizierter Anordnungen und Gerätschaften, meist giftiger, herauspräparierter Stoffe, eines Potentialgefälles, wo es, nachdem es ausgeglichen ist, dann heißt, Papp aus und Schluss. Das meiste, was die Natur macht, nehmen wir als Beispiel das Wachs der Bienen, vermag das Labor gar nicht herzustellen und wenn es ihm ähnlich ist, macht die Natur das anders. Mit dem, was einer Zelle zur Verfügung steht, den Nährlösungen, die überall kursieren, bei einer Pflanze, mit Licht, Luft, Erde und Wasser fängt kein Chemiker etwas an. Wie die Natur sich baut, lautlos, ohne Lärm, Gestank und Apparaturen irgendwelcher Art, bleibt das Geheimnis, das es immer war. Da hat die Wissenschaft schlechte Karten. Wie, und nicht weniger warum, Atome und Moleküle in einer Zelle interagieren, ist uns bis heute ungeachtet des Getöses, das man darum macht, ein Buch mit sieben Siegeln. Und wenn wir uns auf den Kopf stellen, es widerspricht allen chemisch-physikalischen Gesetzen, die wir kennen. Was sich hier an Stoff auf der einen Seite und Strukturen einer Zelle auf der anderen begegnet, ist ein Zusammentreffen der dritten Art, nichts zeigt da auch nur die geringste Lust auf eine chemische Art miteinander zu reagieren, das System ist chemisch gesehen inert, reaktionslos. Fleisch reagiert nicht mit Soße. Kein auch nur einigermaßen ernstzunehmender Mensch hätte je etwas anderes behauptet, und dennoch tritt dort in einer Zelle das Fleisch mit der Soße in Interaktion, keiner weiß wie.
Aus Verlegenheit nannte man das Biochemie. Doch mit Chemie hat das nichts zu tun und die Silbe Bio davorgehängt, macht diesen Umstand nicht besser. Wie der Fachmann weiß, ist Biochemie etwas ganz anderes. Es ist die Entdeckung, dass kleinste Mengen eines Stoffes ganze Kaskaden physiologischer Prozesse auslösen, was in eine ganz andere Richtung weist, als die einer chemischen Reaktion. Und noch eine Schippe darauf gepackt, nicht nur winzigste Mengen von Stoff, selbst Worte, böse oder gute, führen, wie man heute längst weiß, zu einer physiologischen Reaktion. Sind wir in Wut, produzieren Zellen der Nebenniere auf rätselhafte Weise Adrenalin und Cortisol in billionenfacher Anzahl, allein über den Geist in uns, der sich erregt. Nehmen wir die Beleidigung nicht ernst, tut sich nichts. Das Immaterielle, um das man sonst ein Theater macht als sei es das Ungewöhnlichste von der Welt und als hätte man nie etwas davon gehört, es wirkt.
Warum sollte es innerhalb einer Organisation wie der Zelle, in der sich Teilchen auf eine rätselhafte Weise bewegen und nichts aber auch gar nichts an eine chemische Reaktion denken lässt, wie sie mit Stoffen oder der Nahrung, die wir zu uns nehmen umgeht, anders sein? Auch sie sind eingewoben in ein Netz von Information. Die Nährlösungen die überall kursieren, treffen dort in der Zelle auf festgefügte Strukturen. Da stehen sie nun wie der Ochse vor dem Berg, chemisch wird daraus nichts. Zwar sind auch diese Strukturen, wie die des Endoplasmatische Retikulums, dynamisch und einer steten Reorganisation unterworfen, was jedoch an der Struktur selbst nichts ändert. Wie soll nun das Fleisch mit der Soße reagieren? Ähnliches gilt für die Zellmembran, die Ribosomen, den Zellkern, die Chromosomen, für Kernkörperchen, für die Mitochondrien, den Golgi Apparat oder die Zentriolen. Sie alle fangen mit der aufbereiteten Nahrung , mit der sie sich konfrontiert sehen auf eine chemische Weise nichts an. Ein Kessel schwappender Suppen und Soßen, die chemisch miteinander reagieren, ist die Zelle nun wahrhaftig nicht. Das biochemische Gerede scheint das alles nicht zu interessieren. Auch da liegen wir mit unserer Vorstellung, wenn ein Stoff in den Körper hineingelange, reagiere er da wie eine Chemikalie im Labor mit anderen Stoffen, falsch.
Giftige Stoffe, chemische Stoffe ganz allgemein, lässt die Zelle, wenn´s gut geht, gar nicht in sich hinein. Mit dieser Chemie ist es nicht weit her. Auch diese Stoffe wirken von außen, informell. Sie heften sich an die Zellwand an. Für die Zelle in ihrem Inneren bedeutet das Stress und Irritation. Gelangen sie in die Zelle hinein und lagern sich dort ab, ist das nicht gut. Die Einbrecher sind im Haus. Jetzt werden die Informationsabläufe innerhalb der Zelle massiv auf eine noch weit grundlegendere Art gestört, als nur beim Andocken.
Dass die Zelle die Stoffe der Nahrung in ihren Stoffwechsel mit einbezieht und den Körper daraus baut, ist eines der merkwürdigsten Phänomene die diese Welt zu bieten hat, aus Nahrung wird Zelle, es ist dies ein Thema, das die Biochemie gänzlich ignoriert. Man muss sich, was hier innerhalb einer Zelle geschieht, wenn die eine Welt der anderen begegnet, vorstellen wie bei Arbeitern in einer Fabrik. Von allen Seiten, von links, rechts, oben oder unten, fließt ihnen Material zu. Sie greifen es auf und gehen damit um, zielsicher und rasend schnell. Und jetzt, man kann es kaum glauben - wir verlassen hier den Boden einer Realität, in der ein Vergleich irgendwelcher Art noch Sinn machen würde - die so Handelnden, die fleischlichen Strukturen einer Zelle, handhaben das vorhandene Material in erster Linie nun eben nicht wie die Arbeiter in einer Fabrik in der Weise, dass sie etwas daraus machen (das auch), nein, sie bauen sich daraus selbst. Altes Material schilfern sie ab, neues bauen sie in sich ein. Dieses Aufeinandertreffen zerlegter Nahrungsbestandteile mit der biologischen Struktur, dem Fleisch, ein Vorgang den man, makroskopisch betrachtet, gemeinhin als Stoffwechsel bezeichnet und sich nichts dabei denkt, führt mikroskopisch unter die Lupe genommen vor eine Pforte, wo einem dieser Einbau von Material in die lebende Struktur in Anbetracht der direkten Konfrontation der daran Beteiligten unheimlich wird, und die faszinierende Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs offen zutage tritt. Das Ergebnis seiner Arbeit ist hier der Arbeiter selbst. Der Verschiebebahnhof des Lebendigen, etwas das man als solches nicht wahrhaben will, für das man unzählige Ausflüchte und Modelle erfunden hat, findet hier unmittelbar sein Ende.
Zellen erneuern sich, anderes entsteht da, wo vorher nichts war, auf rätselhafte Weise, wie durch Zauberhand, neu. Den Schluss, dass es sich mit dem, was hier auf der Ebene von Atomen und Molekülen über die Bühne geht, um eine chemische Interaktion von Teilchen handeln könnte, zieht da schon längst niemand mehr. Um bei dem Vergleich zu bleiben, haben wir es hier mit Arbeitern zu tun, mit Individuen, die mit dem vorhandenen Material machen was sie für richtig finden, mit Intelligenzen, die wissen was sie wollen, und Teilchen gezielt dahin platzieren wohin sie gehören. Das alles ist eingebunden in einen Prozess der Verwandlung, die Altes zu vernichten und Neues zu schaffen weiß und am Status quo einer Beharrung nicht klebt. Das und nichts anderes ist die Wirklichkeit der Zelle, eine Realität, die man nicht wahrhaben will und uns tunlichst verschweigt. Der Vergleich der Zelle und ihrer Strukturen, herunter gebrochen bis aufs Atom oder Molekül, als von irgendwelchen Händen in Gang gesetzt, ist nicht von eben diesen Strukturen, auf die sie sich beziehen, abgerückt, bildhaft, sondern im Gegenteil, er beschreibt, was hier vor sich geht, sehr genau. Ob man da fleißige Hände am Schaffen sieht, spielt keine Rolle, mit dem was hier auf der Ebene von Atomen und Molekülen geschieht verhält es sich genau so, als ob sie am Schaffen wären.
Dass es hier in diesem Universum Wesen gibt, die aus dem, was diese Erdkruste zu bieten hat, ein Auto zuwege bringen, ist erstaunlich genug. Wir würden es nie verstehen, leißen wir die Existenz und die Tätigkeit eines Geistes in uns nicht zu. Für den mechanischen Apparat und die Materie, aus der er besteht, sind wir der Gott. Stände auf dem Mars eine Rechenmaschine herum, müssten wir uns wundern, hier war ein solcher Menschengott unterwegs. Wie wollen wir eine Natur verstehen, die solch wundersame Wesen wie uns selbst herzustellen versteht, und das, noch zu allem Überfluss, ohne dass man einen am Schaffen sieht? Mit einer chemischen Reaktion, wie man es uns heute trickreich einzureden versucht, hat das nichts zu tun, schon deshalb, weil das Ganze eine Frage der Steuerung ist. Wenn Säuren die Nahrung im Verdauungstrakt zerlegen, mag das an Chemie erinnern, die Betonung liegt in der Physiologie jedoch auf dem Bauen, und das erfolgt niemals aufgrund einer chemischen Reaktion. Dieser Fluss tief in der Zelle drin, der uns am Leben erhält, er will nicht enden. Eine immerwährende chemische Reaktion gibt es nicht, auch das sollte uns stutzig machen. Das Prinzip der Zelle ist etwas anderes, es ist der Tausch, alt gegen neu, nicht die chemische Reaktion. (Vergleiche dazu Adolf Butenandt 1954). Und werden Stoffe, wie das Gift einer Schlange synthetisiert, dann nicht, weil da etwas chemisch miteinander reagiert, sondern weil die Zelle das mit dem zur Verfügung stehenden Material, wie ein Kind, das aus den Teilen eines Baukastens ein Flugzeug zusammenbaut, entgegen aller Gepflogenheiten des Labors, halt so und nicht anders macht. Damit sind wir schon so weit weg von der Chemie wie es weiter nicht geht. Nahezu alles scheint da möglich. Wie die Zelle das macht, auf das angebotene Material, die aufbereitete Nahrung, die bis in die letzte Kapillare hinein die Gänge füllt, zugreifen und daraus ein Bauwerk zu errichten, weiß niemand. Eine andere Zelle macht aus demselben Angebot etwas völlig anderes. Das beste Beispiel, dass es hier nicht um Chemie gehen kann, ist der Sauerstoff. Chemisch gesehen lässt dieser aggressive Kerl nichts aus, Eisen rostet, Holz dunkelt nach, Fett wird ranzig. Längst wäre alles in uns oxidiert, verhielte es sich mit dem Leben nicht anders. Die Zelle weiß diesen windigen Kerl zu handhaben, an ihm erwacht es auf unerklärbare Weise zu sich selbst. Das chemische Verlangen des Sauerstoffs zu bändigen, scheint ihr geradezu ein Vergnügen.
Man vermutet, dass innerhalb einer Zelle in nur einer einzigen Sekunde einhunderttausend Wandlungen erfolgen. Versorgen und entsorgen halten sich hier die Waage. Unchemischer kann ein Vorgang nicht sein. Ständig werden dabei Schäden repariert. Auch das ist ein unchemisches Verhalten wie es unchemischer nicht geht. So schätzt man die DNS wird innerhalb auch nur eines Tages zehntausendmal repariert. Organe wie die Bauchspeicheldrüse erneuern sich innerhalb weniger Tage ganz und das, weil hier Stoffe miteinander reagieren, mit Sicherheit nicht. Man sieht, mit einer chemischen Reaktion hat das alles nichts zu tun. Da hat die Rose, die sich einer chemischen Reaktion verdanken soll, Pech gehabt. Innerhalb des Lebendigen treffen wir auf der Ebene von Atomen und Molekülen auf eine Wirklichkeit, die wir nicht kennen.
Betrachten wir das Bild einer Ameise. Mundwerkzeuge, der eingeschnürte Leib, hunderte von Augen, dazu sechs bis ins kleinste Härchen ausgebildete Beinchen und über allem schwebend ein winziges Gehirn, welches das ganze, Chitin gepanzerte Fahrzeug in Bewegung setzt, dann die inneren Organe, alles betrachtet auf der Ebene kleinster Teilchen, am rechten Ort, zur rechten Zeit in Aktion gesetzt, die Form fein ausziseliert bis ins letzte Detail und eins dicht neben dem andern platziert, das müsste eine komische Chemie sein, die das zuwege bringt! Viel eher erinnert uns das an einen Bildhauer als an einen Chemiker. Doch wo auch immer Materie mit Materie interagiert, im Übrigen eine Interaktion, die uns, wie wir gesehen haben, innerhalb einer Zelle so fern ist wie der fernste Stern, muss es wohl die Chemie sein, die das macht, beharrt der Eigensinn. Da schwatzt es sich leicht über den Bildhauer weg. Wo stofflich Neues in Erscheinung tritt, da ist Chemie, das lässt sich leicht vermitteln, so haben wir es gelernt, wir glauben das. Denn der Haifisch, der hat Zähne und woher sollen die kommen, wenn nicht aus einem chemischen Prozess? Auch wenn dem alles widerspricht, halten wir daran fest. Es sei denn, wir legen einmal den Schalter um und geben zu, dass alles ganz anders ist. Von dem, was chemisch nicht funktioniert, nicht funktionieren kann, tut man so, als flutsche es wie in einer Flutschseifenoper einfach so dahin. Und um Missverständnissen vorzubeugen, das chemische Modell beginnt immer nur beim Atom oder Molekül, nicht bei der Zelle.
Wenn man steuerungstechnisch gesehen entgegen der Wirklichkeit einen Einfluss irgendwelcher Art von außerhalb nicht zulässt - was selbst ein Wort bewirken kann wurde bereits erwähnt, ganz zu schweigen davon, wie sich die Zelle selbst erbaut und Strukturen sich bilden - bleibt einem für die Chemie die man behauptet nichts anderes übrig als die Physik, eine Art elektromagnetischer Zwang, dem Atome und Moleküle im Inneren einer Zelle angeblich folgen. Was auch sonst? Man sagt da, die Atome und Moleküle machen die Form, die entsteht - und sie entsteht überall - aufgrund der ihnen innewohnenden Kräfte selbst. Hat man da richtig gehört, die Form?! Dabei ist die Chemie immer nur das Mäntelchen, gemeint war immer Physik. Was aus einer solchen Annahme, wenn man die Physik machen ließe, resultiert ist fatal, alles pappt zusammen oder vielmeehr, es bleibt reaktionslos nebeneinander liegen, nur Form, die entsteht dabei nicht. Wo alles sich anzieht, und was soll es sonst tun,oder im andern Fall sich gar nichts tut, ist das die logische Konsequenz. Dass hier, an einem solchen Konstrukt, etwas nicht stimmt, merkt auch der Laie. Die Physik, die Regie über eine geradezu unglaubliche innerzelluläre Beweglichkeit übernehmen zu lassen, wo sich Formen und Strukturen bilden und alles ständig im Umbau ist, wird nicht gelingen. Und man kommt nicht umhin, nur das, diese Formen schaffende Aktivität, ist wohl gemeint, wenn die Wissenschaft sagt, es handele sich bei dem, was innerhalb der Zelle, ganz allgemein in einem Körper geschieht, um Physik und Kräfte höherer Art hätten dort nichts zu suchen, denn eine andere Wirklichkeit als die der Form haben wir nicht. Bis hinunter zum letzten Molekül, das es ohne eine formbildende Kraft gar nicht gäbe, ist sie alles.
Nein, mit Physik hat die Form, wie sie entsteht, nichts zu tun. Innerhalb der Zelle verhalten sich Atome und Moleküle anders als in einer chemischen Reaktion, sie folgen wie im Ballett einer Choreografie, um am rechten Ort zur rechten Zeit das zu tun, was getan werden soll, zielsicher und rasend schnell. Zellphysiologie funktioniert anders, wie beim Squaredance oder beim Abklatschen beherrscht hier, wenn Alt gegen Neu sich tauscht, das Loslassen die Szene, etwas das es in der Chemie nicht gibt. Alles ist da bei diesem Spiel ständig in Bewegung, nichts steht hier auch nur einen Augenblick still. Bei einer chemischen Reaktion wäre das anders. Nachdem die vorhandenen Potentiale abgegolten sind herrscht Ruhe. Zu einer starren Figur, die an diesem ständigen Wandel nicht mehr beteiligt ist, gerinnt da, was die Zelle selbst anbelangt, nichts. Es ist dann auch nicht weiter verwunderlich, dass in solch einer, nach allen Seiten hin offenen Konstellation, wie bei einem Tanz oder im Ballett, Teile zueinanderfinden (und zumindest zeitweise aneinander haften bleiben, bevor sie durch andere oder gleiche ersetzt werden) die in einem Labor nicht die geringste Lust hierfür zeigen. Mit diesem Anhaften als Sinnbild einer chemischen Reaktion, wo Materie mit Materie interagiert und dabei Neues entsteht, hat man die Menschen getäuscht, Anhaften hier in der Biologie, Anhaften dort bei einem chemischen Prozess im Labor. Für Stoffe, die die Zelle herstellt, mag, dass hier etwas anhaftet, in einem gewissen Umfang gelten, für die Zelle selbst gilt es nicht. Das Wachs der Bienen ist als Abscheidung der Wachsdrüse für außerhalb gedacht, und so ein ziemlich stabiler Stoff, die Zellen einer Wachsdrüse selbst sind etwas völlig anderes, da ist alles ständig in Bewegung. Wer, wie die Wissenschaft, die Natur zu seinem Besitz erklärt, lässt sich auf die Wirklichkeit, wie sie tatsächlich ist, nicht ein. Flugs macht er, was hier in der Biologie auf der Ebene des Allerkleinsten geschieht, zu einer chemischen Reaktion. In der Folge war nun, wenn das Embryo im Bauch der Mutter heranwuchs, eine chemische Reaktion, es geschah, weil die Physik es so erzwang. Wie weit muss es mit Menschen gekommen sein, dass sie solch einen Unsinn glauben. Chemische Reaktion auf der einen Seite, höhere, formgebende Kräfte auf der anderen, da hat, einen klaren Verstand vorausgesetzt, die chemische Reaktion keine Chance. Da kann einer mit Enzymen im Gepäck, welche die Materie öffnen und selbst das Unmögliche möglich machen sollen, Reklame laufen so viel er will, das Problem der Steuerung, das Problem einer bauenden Natur bleibt ihm erhalten.
Mit dem Abwurf der Bomben über Hiroshima und Nagasaki ging das Zeitalter physischer Zerstörung, in geradezu teuflischer Weise ineinander verflochten, in ein anderes, gefährlicheres über, in das der Bedrohung der Kraft, die das Leben gibt, selbst. Die Zeit der großen Kriege zwischen entwickelten Nationen ist vorbei. Wo noch vor kurzem, wie bei einer Wirtshausrangelei, simple Reflexe mit Orden und Ehrenzeichen behangener, testosterongeschwängerter Potentaten genügten, Millionen, die auch nicht anders gestrickt waren als sie selbst, im Feuer industrieller Kriege zu verheizen, kommt uns das heute vor als läge es tausend Jahre zurück. Das musste die Menschheit lernen. Was nun im dritten Krieg, dem gegen die Natur auf sie zukommt, ist, obwohl und gerade weil es da friedlich zugeht, mehr. Alle wollen da nur das Beste. Da reicht es mit der Moral nicht mehr hin. Da brauchen wir den Verstand. Hier müssen wir lernen anders zu denken. Ist doch, wenn in diesem Krieg gegen Gott und gegen die Kraft die er gibt, etwas schief geht, der Fall hier tiefer als je zuvor. Hinterher, wenn das eigene, mühsam zusammengesparte Haus und oft auch der Arbeitsplatz verloren ist, der Frühling vor der Tür zu einem „rühr mich nicht an“ geworden ist, Wälder nicht mehr betreten werden können, Menschen an Krebs erkranken, die Nahrung in ein Massenspektrometer muss und Schüler mit dem Dosimeter um den Hals im Unterricht sitzen. heißt es dann, es war ja nur Strom (vgl. dazu „Das Gebet“, Doku, Luxemburg 2015). Und das nur, weil man nicht begreifen will, dass eine Kraft, die das Leben gibt, die die Wissenschaft abgeschafft hat, nun halt doch existiert. Heißt es doch in einem Lehrbuch der Realschule, nachdem es gelungen sei den Harnstoff im Labor künstlich herzustellen, hätte sich die Sache mit der Lebenskraft erledigt. Für Schüler die das lesen, ist es dann das Selbstverständlichste von der Welt, dass sie die Lebenskraft für Kinderkram halten, für Mittelalter, dem Verstand zuwider und alles für längst erledigt. Was man verschweigt, ist dass die Zelle das mit dem Harnstoff, dem Vitamin C und mit was auch immer, ganz anders macht als das Labor, und dort die meist ekelerregenden und giftigen Ausgangsstoffe ganz andere sind, Dinge die eine Lebenskraft geradezu bestätigen. Aus dem, was der Zelle zur Verfügung steht, bekommt kein Chemiker etwas hin.
Jahrmillionen hatte das Leben seine eigene Stoffsynthese. Was dem Dinosaurier die Krallen an die Füße oder die Hornplatten auf den Leib zauberte und sein Ei rund machte, weiß bis heute kein Mensch. Ohne dass da einer hineinpfuschte und dieses so geheimnisvolle Spiel störte, ging die Natur ihren Gang. Nun mit dem Aufkommen des so ganz anderen, der Chemie, die eines Chemikers und komplizierter Apparaturen bedarf, sah sich das Leben mit etwas konfrontiert das ihm fremd war und seine natürlichen Abläufe störte. Seitdem leben wir gefährlich. Die Schalen der Eier wurden dünn, missgebildete Kinder kamen auf die Welt, wegen nur einer einzigen Tablette. Häuser, deren Holz man gegen gefährliche Mikroorganismen schützen wollte, wurden Sondermüll und Menschen, die darin wohnten krank. Dem letzten Grün den Garaus zu machen, ist heute keine Kunst. So trägt ein jedes der heute üblichen Produkte sein Scherflein dazu bei, die natürlichen Abläufe in einem Organismus zu schädigen, und am Ende ist das Erstaunen groß. Wo man, was der Lebenskraft nützt, nicht von dem was ihr schadet zu unterscheiden vermag, wo es andere, formgebende Kräfte nicht geben darf, und einem die Chemie, die alles sein soll, tagtäglich eingeredet wird, ist das kein Wunder. Obwohl eigentlich jedes Kind weiß, dass Chemie schädlich ist, halten doch viele das Leben für einen chemischen Prozess und bringen so, was nicht zusammengehört, zusammen. In vielen Fällen wird der Zusammenhang zwischen Schäden und der Chemie, die sie verursacht, schlicht geleugnet. Angesichts dieser Verhältnisse, gerade hier an dieser Stelle, wo wir, was dem Leben förderlich ist, nicht von dem, was es bedroht auseinanderhalten können, erscheint der Appell Einsteins „wir müssten lernen anders zu denken, wenn wir überleben wollen“ dringlicher denn je.