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Türkische Spezialitäten

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Die Dönerbude, in der ich höchstwahrscheinlich auf Ü treffen würde, befand sich in der Nähe des Hauptbahnhofs, einer Gegend, die von vielen Migranten bevölkert wurde. Zahllose Import-Export-Geschäfte, türkische Reisebüros und eben auch Dönerschuppen fanden sich dort. Ich betrat den Imbiss und sah in der hintersten Ecke auch bereits Ü an seinem Stammplatz neben dem Gauselmann-Spielautomaten, der nervige Pieplaute und komische Melodien von sich gab, sitzen.

Die Luft war fast unerträglich, und Mustafa, der aktuelle Dompteur am Dönerkegel, hatte sein Feinrippunterhemd bereits nahezu komplett durchgeschwitzt. Was für eine Affenhitze! Ich nickte Mustafa kurz zu und bewegte mich schnurstracks auf Ü zu.

„Na, du alter Kameltreiber. Wie ist die Lage?“

„Papa, mein deutscher, fast immer nach Alkohol und billigem Parfüm duftender Freund! Nimm Platz und lass dich von Mustafa bedienen“, begrüßte mich Ü freundlich. Er stand auf und gab mir seine zittrige Hand.

Ü war zwar erst Anfang fünfzig, litt aber bereits seit Jahren an Parkinson. Noch mehr litt er aber an seiner kleinen Statur: Er war nur etwa einssechzig groß und trug daher fast immer Plateauschuhe, die ihn schlappe zehn Zentimeter in die Höhe gehen ließen. Als Gangsterboss musste man schließlich auch auf sein Äußeres achten. Immerhin ging in unserer Stadt – Schätzungen zufolge – jeder vierte gerauchte Joint und jeder fünfte Fick mit einer Prostituierten auf sein Konto.

Ich bestellte bei Mustafa einen Döner ohne Zwiebeln, eine Portion Pommes weiß und ein Helles. Ich fühlte mich wohl, nahm einen kräftigen Schluck aus der Halbliterflasche Bier und streckte meine Beine bequem aus. Eine Weile saßen wir uns schweigend gegenüber und genossen unsere Getränke (Ü hatte sich einen heißen Apfeltee bringen lassen).

„Hast du auch schon das Skelett auf dem Motorrad gesehen?“, unterbrach er die Stille irgendwann. „Das ist hier heute schon drei bis vier Mal vorbeigefahren – mit einem Affenzahn, die scheiß Bullen kommen da gar nicht hinterher. Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, dann errichten sie Straßensperren.“

Üs wirklichen Namen kannte ich nicht, und ich hatte ihn auch nie danach gefragt. Für mich war er immer nur Ü. Den Spitznamen hatte man ihm angeblich deshalb verpasst, weil sowohl sein Vor- als auch sein Nachname nur so vor „Üs“ wimmelten, förmlich überquollen.

Ein junges Mädchen betrat den Laden, das nach einer Bratwurst in der Semmel verlangte, ansonsten war nicht gerade viel los. Bei der Hitze neigten die meisten dazu, ihre Essenszeiten nach hinten zu verschieben.

„Hast du eigentlich schon mal was von den Pasing-Devils gehört?“, erkundigte ich mich bei Ü. Der zog für einige Momente die Stirn kraus und schüttelte dann bedächtig den Kopf: „Nie gehört, ist das ein Eishockeyverein?“

„So ähnlich …“

Ich orderte noch ein weiteres Helles und näherte mich somit meiner abendlichen Mindestdosis, die bei drei halben Litern Gerstensaft lag. Von irgendwoher erklang wieder ein lautes Dröhnen, Brummen, Klappern, Rasseln oder was auch immer (regelmäßiger Alkoholkonsum wirkt sich negativ auf den Wortschatz aus), das mir bekannt vorkam. Ü und ich guckten uns mit großen Augen an. War das unheimliche Skelett etwa schon wieder unterwegs?

Es war – und hielt sogar in Höhe der Dönerbude an, ohne den überlauten Motor auszustellen. Die hautlose rechte Hand des Skeletts formte diesmal allerdings kein Victory-Zeichen, sondern streckte uns provokativ den emporgereckten Mittelfinger entgegen.

„Du blödes deutsches Rassistengerippe!“, hörte ich Mustafa fluchen. Das Skelett legte mit einem lauten Klacken des Getriebes den ersten Gang ein und machte sich mit kurzzeitig abhebendem Vorderrad wieder vom Acker. Gestreckter Mittelfinger? Das machte mich wütend.

„Das Skelett ist ein Arschloch!“, entfuhr es mir aus voller Kehle. Eine Halbe später hatte ich mich wieder beruhigt und war zumindest entspannt genug, um Moreno anzurufen. Das hatte ich ihm schließlich versprochen, und immerhin gab es ja auch schon etwas zu berichten. Ich zog seine Visitenkarte aus dem Portemonnaie und wählte die Mobilfunknummer, die er mit Kugelschreiber eingekreist hatte.

„Papa hier am Smartphone, ich habe eine gute Nachricht für Sie: Die Pasing-Devils gelten als harmlos, haben bürgerliche Jobs und sind daher überhaupt nicht mit den bekannteren Motorradclubs zu vergleichen.“

Am anderen Ende der Leitung hörte ich Moreno erleichtert durchschnaufen.

„Morgen werde ich bei denen aber auch noch persönlich im Clubhaus vorstellig werden und Ihnen im Anschluss davon berichten. Dann können wir gemeinsam beratschlagen, wie wir weiter vorgehen.“

Papa und die Motorradrocker

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