Читать книгу Papa und die Motorradrocker - Carl Heyd - Страница 9
Vater ?
ОглавлениеIch befand mich einer Fußgängerzone, irgendwo in einer deutschen Großstadt. Die Geschäfte hatten geschlossen, aber es war noch taghell. Andere Fußgänger konnte ich nicht erblicken, dafür sah ich – etwa fünfzehn Meter von mir entfernt – ein Rudel Hunde, das sich an einigen umgestürzten Abfalleimern sammelte und über dort verstreut umherliegende Lebensmittelreste hermachte. Ich ging näher an die Meute heran. Die Hunde wurden auf mich aufmerksam und wandten sich von den Mülltonnen ab. Das Rudel war recht heterogen zusammengesetzt, ich erblickte Dackel, Golden Retriever, Collies und einige Mischlinge, die jedoch alle eine Gemeinsamkeit hatten: Sie kamen auf mich zu, knurrten bedrohlich und fletschten die Zähne. Mein rechtes Bein wurde warm. Das kam vom Urin, der meine Bluejeans mit einem großen dunklen Fleck einfärbte. So was wäre mir außerhalb eines Traumes natürlich nie passiert, doch Träume sind dann halt doch manchmal etwas unrealistisch …
Auch mein weiteres Verhalten wäre so im wahren Leben niemals aufgetreten: Ich blieb wie festgenagelt stehen und wartete auf die Hundemeute, die sich bereits bis auf wenige Meter genähert hatte. Warum rannte ich nicht weg? Mein passives Traumverhalten machte mich sauer. An der Spitze der Hundemeute befand sich ein kleiner Dackel, der schien der Chef im Ring zu sein. Seine Schnauze war blutverschmiert.
„Kannst du Pfeife es noch nicht mal mit ein paar wild gewordenen Straßenkötern aufnehmen?“, hörte ich hinter mir eine bekannte Stimme. Sie gehörte zu meinem Vater, aber ich traute mich nicht, mich umzudrehen.
„Das sind keine gewöhnlichen Straßenköter, sondern reißende Bestien“, verteidigte ich mich.
Meinen Vater schien dies Argument nur wenig zu beeindrucken: „Klar, du findest ja auch für alles eine Ausrede. Bei der Prüfung zum Freischwimmer hattest du zu viel Wasser geschluckt, beim Abi war es die verflixte Prüfungsangst, und die paar Schoßhündchen zeigen dir gleich, was eine Harke ist, weil es sich nicht um gewöhnliche Hunde, sondern um reißende Bestien handelt. Du bist ein Verlierer, stell dich doch einfach dieser unumstößlichen Tatsache!“
Dieser Arsch versaute mir den ganzen Albtraum! Im realen Leben hatte ich ihn seit der Beerdigung meiner Mutter nicht mehr gesehen (es gab auch keine Telefonate, Postkarten, E-Mails, SMS oder Telefaxe), aber anstatt mir die Möglichkeit zu geben, ihn komplett zu verdrängen, drang er in regelmäßigen Abständen in meine Traumwelt ein und demotivierte mich dort mit seinen zynischen Kommentaren. Vielleicht hätte ich ja ohne seine schlauen Sprüche noch irgendwie die Kurve bekommen, hätte eine Waffe aus der Tasche gezogen und die Hunde, einen nach dem anderen, mit Grandezza abgeknallt. Oder ich wäre mit fast übermenschlicher Geschwindigkeit davongelaufen, so schnell, das selbst die Hunde keine Chance gehabt hätten, an mir dranzubleiben. Doch auch in Träumen haben wir kein Hätte-wäre-Land, und so verwunderte mich das Finale nicht besonders: Einem der Hunde gelang es, mich zu Boden zu werfen, und nahezu zeitgleich stürzte sich die Meute auf mich. Überall wurden rasiermesserscharfe Zähne in meinen Körper gerammt, die Schmerzen waren unerträglich. Ich erwachte klitschnass – was allerdings auch von der immensen Hitze, die an diesem Juli-Tag herrschte, herrühren konnte.