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Peti's erste Kochversuche

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Diese Geschichte, die jetzt folgt, ist eine von vielen, die ich nie vergessen werde. Heilig Abend! Anfang der 70er. Nie werde ich vergessen, wie ich zu Weihnachten meinen ersten eigenen elektrischen Herd bekam. Ob das Ding aus China geliefert wurde, weiß ich nicht genau. Ob wir damals überhaupt schon gefährliche Sachen zum Spielen, aus China bekamen, entzieht sich meiner Kenntnis. Den ganzen Tag über waren alle Familienmitglieder irgendwie freudig angespannt. Aufregung beim Geschenkeverpacken und ich durfte mich nirgends dazu gesellen. In jedem Zimmer hatte man eifrig zu tun und ich wurde sofort raus gewunken, sobald ich eins der Zimmer betrat. Das war unendlich nervend. Die einzige Möglichkeit niemandem im Wege zu stehen, war, mich im Flur, vor der Haustüre aufzuhalten. Doch dort stand ich Papa im Weg, der machte schimpfend, den Weihnachtsbaum vor der Tür ein und musste immer wieder in den Keller zum Buhmann laufen, weil ihm Werkzeug fehlte. Blieb mir nur noch draußen der Kaninchenstall. Doch da würde ich erfrieren. Mutti entdeckte mich endlich unschlüssig im Flur herum stehen und fasste mich an die Hand. Ich folgte ihr in die Küche. Ich durfte die Plätzchen mit Schokolade bestreichen und folgte still und freudig ihren Anweisungen. Endlich hatte auch ich etwas zu tun. Eine Stunde später war mir schlecht. Mutti schaute mich grinsend an. Von oben bis unten voll mit Schokolade und 10 Tonnen Plätzchen im Bauch. Aber ich hatte das wohl ziemlich gut gemacht und Mutti half mir alle Teller, mit Plätzchen zu belegen. Dazu öffnete sie ein Netz mit goldenen Talern und verteilte diese ebenfalls auf die Teller. Einen Taler öffnete sie und hielt ihn mir hin. Aber außer einem lauten Bäuerchen, der nichts Gutes verhieß, kam keine Regung mehr von mir. Die Teller waren nun fertig belegt und Mutti trug sie in ihr heiliges Wohnzimmer. Ich wollte ja folgen, aber ich musste sitzen bleiben. Mutti kam wieder aus der Stube heraus und verschwand im Keller. Nach einiger Zeit hörte ich sie und dann rief sie:

»Peti? Geh mal ins Badezimmer und wasch dir das Gesicht. Komm erst raus, wenn ich Bescheid sage« Gesagt, getan, denn irgendetwas wollte sowieso aus mir heraus. 10 Tonnen Plätzchen landeten bröckchenweise in der Latrine. Mutti kam erschrocken ins Bad und schaute mich an. Dann zog sie mir kurzerhand meinen Strickpulli über den Kopf. Die Schuhe aus und die Latzhose landete im Wäschekorb. Herrschaftszeiten! Wir bekamen langsam ein großes zeitliches Problem. Gleich würde doch der Weihnachtsmann ins Haus kommen und ich musste noch in die Maske. Mein Haar saß noch nicht perfekt und mir war schlecht. Das war eine Tragödie! Gleich nach dem Abendessen würde es die geliebten Marzipan Kartoffeln geben und ich dürfte naschen, bis ich den nächsten Kotzpegel erreicht hätte. Den hatte ich doch schon jetzt erreicht. In mir kam irgendwie Panik auf. Aber Mutti blieb gelassen. Das rosa Fass wurde nicht herbeigeholt. Sie packte mich wie ihre Handtasche unter den Arm und trug mich eine Etage höher, wo wir noch ein Bad hatten. Ich wurde in die Badewanne gestellt und der Heizstrahler an der Decke glühte rot auf. Mutti brauste mich ab. Mutti schäumte mich ein. Ihre Hand im Waschlappen und dann damit in die Ohren. Mutti konnte perfekt ihren Zeigefinger verdünnen und drehte mein Hirn von links nach rechts. Dann das andere Ohr. Bei dieser Arbeit zog sie auch meine Nasenscheidewand gerade und ich erkannte plötzlich Farben. Dann riss Mutti den Stöpsel aus der Badewanne und das härteste Handtuch, aus unserem Haushalt, flog über mich drüber. Der Wäscheweich Teddy war gerade erst in der Entwicklung. Mutti rubbelte mich ab. Mutti rieb mir auch mein langes Haar trocken, mit dem jetzt biegsamen Handtuch. Ich hielt auch still, als sie mein Haar bürstete. Ich fand es schade, dass die Haar Kur noch nicht erfunden war. Sie zog in Rekordzeit die Knoten aus meiner Mähne und es splitterte bedrohlich in meinem kindlichen Gebiss. Ich bin dem Typen der Weichmacher für Haare erfunden hat, unendlich dankbar und denke, dass nur aufgrund der nicht erfundenen Spülung, damals viele Frauen kurze Haare trugen. Angeblich war das Chic, aber ich glaube, die hatten nur Schiss vor dem Kämmen. Ok, zurück zur Folterstunde. Nachdem ich fertig aus der Maske kam, wurde ich mit Strickpulli, Strumpfhose und Rock aufgehübscht. Innerhalb kurzer Zeit lief mir der Schweiß von der Stirn. Genau heute an Heiligabend brannten etwa 100 Kerzen im Haus und der Ölofen gab sein Bestes. Mutti sah mich kurz vor dem Siedepunkt und beschloss, da heute sonst keiner mehr ins Haus kommen würde, das ich ohne Strumpfhose durchs Haus laufen durfte. Ich war ja so erleichtert. Unter dem Arm von Mutti wurde ich wieder eins tiefer getragen, obwohl der liebe Gott mir ja zwei Füße geschenkt hatte. Nee, Mutti machte kein langes Geschiss und ab gings in die Küche zurück. Dort musste ich warten. Durch die Milchglastür konnte ich erkennen, wie jemand den Weihnachtsbaum anzündete und ich hörte, wie man eine Schallplatte mit Weihnachtsmusik auflegte. Jetzt wurde mir warm ums Herz. Eigentlich durfte dieses Mal nichts schief gehen. Dieser Heiligabend könnte ohne Pannen ablaufen. Dann ging die Tür auf und ich wurde hereingewunken. Als Nesthäkchen hat man den Vorzug der besonderen Behandlung. Alle hatten ein feierliches Gesicht aufgelegt und ich schwebte heran. Der Duft in der guten Stube war unbeschreiblich schön. Mir war zwar noch ein wenig übel, aber so langsam freute ich mich über die Pute im großen Backofen. Dann sprach jemand zu mir, als wäre ich ein Hund. Ich sollte fein zum Weihnachtsbaum gehen und nach Geschenken schnüffeln. Diese kindische Quack Sprache habe ich schon damals gehasst. Als wäre man blöd.

»Ja wo isset denn? Wo is denn datt Pedi? Ja, feines Pedi Schisserschen, such den Weihnachtsbaum«, sprach irgendein Mensch, den ich jetzt nicht nachträglich, Idioten nennen will, weil dann würde ich meine eigenen Gene beleidigen. Ich nahm die Bauzeichnung unseres Hauses in die Hand und folgte der Architektenbeschreibung. Auf der Karte sah ich, im Wohnzimmer war ich schon mal richtig. Ich zeigte auf den Baum. Alle nickten freundlich. Ah, ich hatte das leuchtende Wunder entdeckt. Ich hätte mich jetzt richtig dumm anstellen können und wäre am liebsten schnüffelnd um den Weihnachtsbaum gelaufen, sah ich doch plötzlich mein Geschenk. Ich zeigte darauf. Einer klatschte freudig erregt in die Hände. Dann fingen sie hinter mir an zu singen und Mutti bückte sich über mich und drehte mein Geschenk so, dass ich die Schleife entdeckte. Ich war ja ziemlich blöd, wie es den Anschein machte. Ich setzte mich auf den Boden und fing an, ganz langsam die Schleife zu öffnen. Anspannung hinter mir! Hätte ich mich jetzt rumgedreht und laut "Buh" gerufen, wären wohl alle vor Schreck zusammengezuckt. Nun ja, meine Freude stieg nun ebenfalls, als ich beim Auspacken den kleinen elektrischen Backofen entdeckte. Vier kleine Herdplatten oben auf und Drehschalter vorne dran. Eine Backofentür und wie schön, ich entdeckte sogar Backbleche und einen Rost darin. Nie werde ich vergessen, wie ich mit meiner kurzen Flauschhose und nackenden Füßen freudig vor diesem Herd sitze. Ich vergesse auch nie, wie die kleine Backofentür sich wie von Geisterhand öffnete und mit Schmackes auf meine nackenden Füße knallte.

»Autsch«, rief ich freudig. Ich sah zwar 10 bunte Sterne und hätte vor Schmerz brüllen können, aber das passte gerade nicht. Ich wollte gerade das kleine Backblech aus dem Backofen nehmen, als ich wieder freudig "Autsch" brüllte und dabei lächelte. Ich hatte mir nur in den Zeigefinger geschnitten. Mutti fiel hinter mir um, weil sie vor Schreck die Besinnung verlor. Nein, so war es nicht ganz, aber warum sollte ich Geschenke auspacken, ohne dass etwas dabei passierte? Gute deutsche Wertarbeit konnte man da nur sagen und besonders für kleine Kinder geeignet. Mutti zählte schnell alle offenen Wunden durch und holte still das Pflaster herbei. Peti war glücklich. Zum Glück benötigte ich keine Trage und mit tausend Wunden am Körperchen, wurde das Ding, samt mir in die Küche getragen. Mutti und die Geschwister halfen mir, die kleinen Töpfe auszupacken. Ich suchte derweil an einer Steckdose. Ich entdeckte eine. Ich zog eifrig an einem Stecker, in dem ein Kunstgebilde mit hundert anderen Steckern steckte. Mutti brüllte wieder leise auf, denn der Kühlschrank machte das knarrende Abschalt-Schnattergeräusch. Übrigens alle entsetzten Schreie hörten sich feierlich nach Weihnachten an!

»Och Peti, doch nicht den Kühlschrank aus machen!« Mutti zeigte mir eine passende Steckdose und endlich konnten wir alle erstaunt beobachten, wie die Platten warm wurden. Natürlich ging der Backofen nicht auf 250 Grad hoch, war ja klar. Viel zu gefährlich für Kinder. Aber die Platten, die strahlten schon gut was ab. Mutti versprach mir für den nächsten Weihnachtstag die gute Rinderbrühe, auf meinem Herd zu kochen. Ich war glücklich. Ob der Onkel Graf Grob auch schon von seinem Glück am ersten Weihnachtstag wusste? Ich konnte gar nicht oft genug in die Küche laufen an dem Abend und musste immer wieder feststellen, dass mein neuer Herd noch da war. Ich wollte Hähnchen rösten. Die leckersten Gerichte wollte ich zaubern. Ich beschloss, ab sofort Koch zu werden! Am nächsten Morgen, ziemlich früh, also ganz früh, so ca. gegen 6 Uhr morgens, suchte ich in der Küche eine weiße gestärkte Schürze von Mutti und wollte ein 5-Gänge-Menü kochen. Mein Geklapper löste leider eine Fluch Aktion im ganzen Haus aus und irgendwie riefen böse Zungen etwas im Treppenhaus. Ich hörte auch Klopfen in der Küchendecke und ein:

»Hoffentlich liegst du bald mit dem Arsch wieder in der Kiste!«, ertönte. Ich bekam Bedenken. Ich legte alles wieder sorgsam in die Schränke zurück und lies kurz mal die Eisenpfanne auf den Boden knallen. Ein Geschepper folgte, weil zwei Töpfe auch wieder aus dem Küchenschrank fielen. Das Schlagzeug, welches plötzlich auch in der Küche stand und bespielt wurde, erzeugte Hass auf mich. Ich entschloss mich aber schon mal dazu, meine neuen kleinen Töpfe zu spülen. Natürlich nicht in der Küche. So was machte man am ersten Weihnachtsmorgen ganz früh in der Badewanne. So mitten im Haus! Man befülle mit heißem Wasser die Wanne und hört mit Entsetzen einen lauten Knall, weil mal wieder die Sicherung im Stromkasten raus knallte. Peng!

»Hoffentlich ist datt Plag bald in der Kiste, sonst schallert es gewaltig im Gehörkanaaaal!«, ertönte eine weibliche Stimme irgendwo im Haus. Ok, gut, das bisschen heiß Wasser, musste reichen. Dann eben noch Kaltes dazu, ein bisschen Schauma und die tollen grünfarbenen Brausetabletten. Es schäumte ganz toll und ich hatte Lust mich zu den Töpfen zu gesellen. Endlich mal ein Bad für mich ganz alleine. Wäre ich doch nur nicht ausgerutscht. Auf dem Badewannenrand! Hätte ich mir doch nicht so fürchterlich den Kopf gestoßen. Hätte ich doch nicht vor Schmerz so jämmerlich angefangen zu brüllen.

»Buuuuuuuuuuuuäääää!« Alles, was zwei Beine hatte und der schwebende Buhmann, kam angerannt.

Eine ausholende Hand wurde von einer dagegen klatschenden aufgehalten und Peti flog im Gerangel samt Sternchenanzug aus Frottee in die fast kalte Badewanne. Ein lautes Gelache folgte von einer weiteren weiblichen Person. Eine laute, schimpfende Stimme machte mir Angst und eine männliche verfluchte gerade die Welt und ich mitten drin. Klatschnass zog man mich aus dem Blechgewirr und rubbelte mich ab. Jeder wollte mal rubbeln, vor allen Dingen mein Gesicht! Aber "heftig" rubbeln, weil da Zorn mit im Spiel war. Auweia, waren die alle bööööse auf mich. Ich wurde dann erst mal wieder ins Bett gepackt und mit Milch abgefüllt. Weil Peti auch noch hustete. Ich hatte mich mal wieder verschluckt. Konnte ja nichts schaden. Ich schlief verwirrt ein und musste sogar gen Mittag geweckt werden. Voller Freude lief ich nach unten in die Küche zu Mutti, die gerade unser Süppchen kochte. Die anderen Gesichter schaute ich nicht näher an, denn irgendwas war am Morgen vorgefallen und ich hatte komischerweise Gedächtnisschwund. Auf jeden Fall packte ich nun die von Mutti freundlicherweise gespülten Töpfe und stellte sie auf meine Herdplatten. Mutti füllte einen Topf von mir, mit ihrer Suppe auf und forderte mich auf, ständig zu rühren. Wie schön das war! Ich durfte kochen. Irgendwie allerdings setzten in meinen Topf Fettaugen an. Na klar doch, der Herd wurde ja nicht so heiß, wie Muttis großer. Meine Suppe wurde kalt. Ich schaute traurig zu Mutti hoch, aber die war so beschäftigt. Warum waren die Platten denn so kalt? War ja nur mäßig warm? Hm, dass ich einfach auf die Platten fasste, rührte keine Menschenseele in der Küche. Was war denn mit Muttis Herdplatten? Waren die auch nicht heiß? Musste sofort getestet werden. Mutti hatte gerade eine Soße gekocht und wollte diese in ein Sieb schütten. Ich ging also zu ihrem Herd, stellte mich auf die Zehenspitzen und fasste auf die Herdplatte. Ich war entzückt. Sie war heiß, kochend heiß.

»Buuuuuuuuuuuuuuuuuuuäääääääääääääääääääää!«, brüllte ich los und zog erschrocken meine Hand von der Platte. Mutti kreischte auch los und meine Geschwister ebenfalls und wenn der Buhmann und der Bestatter nicht auch noch gebrüllt hätten, dann bestimmt das ganze Dorf. Man packte mich umgehend in die Waagerechte und warf mich in die Duschtasse und hielt den Brausekopf auf mich drauf. Ich erstarrte nicht nur vor Kälte, ich gefror sofort zu Eis und meine rechte Hand schwoll dick an und platzte dann auf. Es war schlimmer als in einem Horrorfilm. Die Haustürklingel schallerte Minuten später erbärmlich laut, ein schimpfender Doc kam rein und versorgte meine Hand mit einem kühlenden Gel und ich quiekte ihm sirenenartig in seine Gehörgänge. Weihnachten war also gelaufen. Ich war eine Katastrophe auf zwei Beinen. Das war jetzt klar. Der Herd flog beim nächsten Sperrmüll als Erstes in die staatliche Presse und ich wollte auch nicht mehr kochen. Ich hatte die Nase voll. Ab jetzt wollte ich mich nur noch aufs Backen konzentrieren und das mit Aufsicht eines Verantwortlichen!

Schuld war nur die Mustertapete 2

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