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Der Tee war in der Tasse kalt geworden. Er nahm die Tasse vom Küchentisch und schüttete die Flüssigkeit in die Spüle. Er war müde, ein Kaffee würde ihn aufmuntern. Er schaltete die Kaffeemaschine an. Die Vorhänge waren zugezogen, um ihn vor Blicken zu schützen. Das Grundstück war durch Bäume und Büsche zur Elbchaussee und zu den Nachbarn abgeschirmt. Da musste der Feind schon in einen Baum klettern und ein Fernglas auf ihn richten. Der Feind... er hatte, wie in all den Tagen zuvor, Radio Hamburg eingeschaltet. Um nicht überrascht zu werden, um sich noch vorbereiten zu können.

Die Kaffeemaschine blubberte, er schaltete sie aus und goss sich Kaffee ein. Setzte sich an den Küchentisch. Er hatte sich angewöhnt, in der Küche zu arbeiten. Der Tisch war groß genug, dass bequem ein Dutzend Leute daran speisen konnten. Jetzt stand auf ihm das Notebook, das Telefon und Stapel mit Papierkram.

Sein privates Büro lag im oberen Stockwerk zur Straßenseite hin. Sein Schreibtisch stand vor dem Fenster, eine günstige Position, um alles im Blick zu haben. Man überblickte den Weg zum Haus, das Tor und einen kleinen Ausschnitt der Straße dahinter. Er hatte sich dabei ertappt, dass er sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren konnte, weil sein Blick immer zum Fenster hinausging. Weil er nach verdächtigen Gestalten oder Anzeichen von Rauch forschte. Ihm war, als würde er da oben immer kleiner und ängstlicher. Als hätte der imaginäre Feind da draußen ihn

physisch zwar noch nicht angetastet, aber schon längst Macht über seine ängstliche Seele bekommen. Da wurde er so wütend, dass er seinen Kram nahm und in die Küche umzog.

„Ich arbeite jetzt hier unten, um in Luisas Nähe zu sein.“ hatte er Carla erklärt.

Sie stand an der Spüle, hatte Luisa unter den Arm geklemmt und wusch ihr die Hände unter dem Wasserhahn ab. Carla stellte keine Frage, nickte verstehend, als ahne sie den wahren Grund seines Umzugs.

„Lassen sie sich nur nicht stören, im Gegenteil, etwas Gesellschaft wird mir gut tun. Und ihnen beim Kochen zuzusehen, da kann ich bestimmt etwas lernen." sagte er. Als hätte er schon jemals in seinem Leben den Kochlöffel geschwungen.

Als seine Frau vor gut zwei Jahren gestorben war, hatte er Carla für die Betreuung des Kindes eingestellt. Seine Wahl war auf sie gefallen, weil sie jung war und er vermutete, dass sie der Kindheit mit all ihren Ansprüchen noch näher stand. Sie hatte noch Kinderaugen. Die anderen Bewerberinnen waren viel älter und wahrscheinlich erfahrener gewesen. Aber von Carla konnte er sich am ehesten vorstellen, dass sie dem Kind so etwas wie eine Freundin und gleichzeitig Mutterersatz sein würde. Wenn es denn überhaupt einen Ersatz geben konnte. Auf den ersten Blick war ihre Aufmachung etwas irritierend. In dem blonden, kurzgeschnittenen Haar leuchtete eine lange, orange Strähne. Wenn Carla lief, wippte die Strähne wie ein lustiger Wimpel. Auf dem linken Nasenflügel glitzerte ein wahrscheinlich nicht echter Stein. Er musste sich beherrschen, um nicht die zierliche Nase anzustarren. Als er merkte, dass sie mehr Fragen an ihn, als es umgekehrt angemessen gewesen wäre, stellte, war seine Entscheidung gefallen. Menschen, die sich gründlich informierten und eine Sache nicht unwissend angingen, waren ihm sympathisch. Die junge Frau hatte das Kind auf ihren Schoß genommen, wandte sich ihm immer wider zu und brachte es zum Lachen. Das schien ihm wichtig zu sein, denn ihm war das Lachen abhanden gekommen. Er hatte vom Tod seiner Frau erzählt und wie die kleine Luisa noch lange nach ihrer Mama gejammert hatte. Als er bemerkte, wie sich Carlas Augen mit Tränen füllten, war er so gerührt, dass er sich abwenden musste.

Er hatte die Wahl keinen Tag bereut und sie, nahm er an, ebenfalls nicht. Er bezahlte sie gut, sie hatte geregelte Arbeitszeiten, anscheinend noch Zeit für ihr Studium, am Wochenende frei und die Putzarbeiten erledigte eine Reinigungskraft.

Seitdem er zu Hause arbeitete, nahm er ihr das Kind oft ab, spielte mit ihm im Garten, badete es und übernahm die Zubettgehzeremonie.

Zu Hause arbeitete er seit drei, vier Monaten. Seitdem die Brände auch seinen Stadtteil, eine der besten Adressen Hamburgs, erreicht hatten. Seitdem vermummte Gestalten laut Parolen grölend nachts an seinem Haus vorbeigezogen waren und er von einer Explosion zu Tode erschreckt worden war. Er war zu jung, um Kriegserinnerungen zu haben. Und doch hatte er im ersten Moment „Krieg“ gedacht und an Flucht. Dass es sich nur um einen harmlosen Feuerwerkskörper handelte, wie sich später herausstellte, konnte ihn nicht beruhigen. Das nächste mal konnte es eine Brandbombe sein.

Im Garten stank es nach Silvester, Rauch waberte über Rasenflächen, hängte sich in die Büsche und auf der Mauer stand ein Teufel mit roten Hörnern und lachte. Er wusste hinterher nicht, ob er sich den Teufel nur eingebildet hatte. Aber das Lachen war drohend gewesen. Ich komme wieder und dann sollst du in Feuer und Schwefel schmoren. Und dein Kind mit dir. Oder hast du je an unsere Kinder gedacht? Und an Kinderarmut? Und an die Not der Eltern? Auch er las davon in den Zeitungen, natürlich. Verantwortlich war er für Luisa.

Als Straßenschlachten und Brandlegungen auch das Tageslicht nicht mehr scheuten, war er zu Hause geblieben. Wenn er doch einmal in die Firma musste, hatte er Carla und Luisa in der hauseigenen Cafeteria abgesetzt. Er war dann immer so voller Unruhe und Furcht, dass er sicher war, dass seine Mitarbeiter es rochen, so wie sie für jede Schwäche ihres Chefs sensibel waren. Er meinte dann, dass sich hinter ihrem Lächeln wenig Mitleid, aber schon die ersten Anzeichen von Genugtuung verbargen. Natürlich, früher oder später mussten auch sie sich anstecken lassen von diesem primitiven, unreflektierten Hass, der alles verbrennen wollte: das kapitalistische System und seine sogenannten Schergen. Sie würden vergessen, dass er alle altmodischen Klischees eines guten Chefs erfüllte, das Unternehmen durch Krisen gesteuert und in guten Zeiten Boni verteilt hatte. Auch eine

Betriebsrente für alle Mitarbeiter ging auf sein Guthabenkonto. Und er arbeitete doppelt so viel wie sie und war immer der letzte im Büro. Den Schritt an die Börse hatte er vermieden, weil sein Vater ihn davor gewarnt hatte: „Dann gibst du es früher oder später aus der Hand. Wir vom Stamme Lenz sind und bleiben Herren im eigenen Haus."

Er saß in der Küche am Laptop. Manchmal gelang es ihm noch, sich ganz in die Arbeit zu vertiefen. Hätte er ein Bewusstsein dafür gehabt, hätte er es als Gnade empfinden können, dass es noch Räume gab, Gedankenräume, in denen die Sorgen und die Angst keinen Platz hatten.

Der Knall kam aus Richtung des Wintergartens. Er war so gewaltig, dass die Scheiben bebten. Und dann hörte er Luisa kreischen. Er rannte hinaus, in der Gewissheit, dass etwas Grauenvolles passiert sein musste. Dass sein Kind zerfetzt in einer Blutlache liegen würde.

Die beiden standen unversehrt auf dem Rasen. „Luisa will Fußballspielen üben, und... tut mir leid, wenn es sie erschreckt hat, ich habe wohl einen guten Schuss, nur leider gegen die Scheibe.“ sagte Carla.

„Verdammt,“ schrie er, „Verdammt, ins Haus, sofort.“

Seine Worte trieben das Lachen aus Carlas gerötetem Gesicht. Luisa hüpfte ungeduldig um sie herum. Die beiden hatten eindeutig ihren Spaß gehabt. Carla entschuldigte sich, hob Luisa auf den Arm, wollte ins Haus, doch er entriss ihr das Kind und herrschte sie noch einmal an. „Machen sie uns einen Kaffee, und einen Kognak kann ich jetzt auch gebrauchen.“

In ihm zitterte etwas, als hätte es wirklich eine Explosion gegeben und

als hätten sich Glassplitter in sein Herz gebohrt.

Er setzte Luisa in ihren Kinderstuhl. Sie wehrte sich und schlug mit der kleinen Hand nach ihm „böser Papa“. Er hatte ihr das schöne Spiel verdorben. Carla drehte ihm beleidigt den Rücken zu und tat so, als hätte sie etwas wichtiges an der Spüle zu tun.

„Tut mir leid, dass ich sie angeschrien habe. Ich habe wirklich einen Schreck bekommen.“ Dass er gleich an einen Anschlag gedacht hatte, sagte er nicht.

Der Anruf kam, als er noch schwächelte. Der Schreck ihm noch in den Gliedern saß und ihm der Weg zum Telefon vor kam, als ginge er auf brüchigem Eis. Es war Mayer-Wendhof. Ein Freund oder so etwas ähnliches. Der Kontakt ging meistens von Mayer-Wendhof aus. Er war knapp zehn Jahre älter als Lenz und spielte den großen Bruder, war neugierig, besorgt, wohlwollend. Er lud Lenz zu Gartenpartys und Golf ein. Wenn er ihn anderen Leuten vorstellte, legt er seinen Arm um Lenz und sagte „ein alter Freund.“

Es war durchaus von Vorteil, jemanden zu kennen, der im Hamburger Senat saß und über Beziehungen verfügte. Lenz revanchierte sich in regelmäßigen Abständen mit Einladungen. Seitdem seine Frau gestorben war, nutzte er dies als Entschuldigung dafür, dass er den Kontakt schleifen ließ.

„Mein Sohn ist verletzt.“ sagte Mayer-Wendhof, nicht „hallo wie geht’s, wollte mich mal wieder melden“ oder sonst eine Floskel, nur : mein Sohn ist verletzt. Seine Stimme klang gepresst, leise, als müsse er flüstern, als könne irgendein Feind mithören. Sie litten schon alle unter Verfolgungswahn. Und wenn es um die Kinder ging, ein Ball kracht gegen eine Glasscheibe, ein Sohn stürzt mit dem Fahrrad, dann wurden sie geradezu hysterisch.

Mayer-Wendhofs Sohn war fünfzehn, das einzige Kind, der Thronerbe und Hoffnungsträger, der zwangsläufig die Erwartungen seines Vaters enttäuschen würde. Er war ein stiller, zarter Junge, zurückhaltend mit Äußerungen des Willens und der Kraft. Das wird schon, machte Mayer-Wendhof sich selbst Hoffnungen.

„Diese Schweine, sie haben ihm zu viert aufgelauert, am frühen Abend, haben ihn vom Fahrrad gestoßen und bedroht.“

„Ist es schlimm?“

„Der Unterarm ist gebrochen. Schlimmer ist seine Angst. Schulkameraden, die eine Rechnung mit dir offen haben, so was kommt vor, habe ich gesagt. Aber er kennt die Schweine nicht. Und was sie ihm ins Gesicht gespuckt haben, war eindeutig. Kapitalistenbrut und so... er konnte sich nicht an alles erinnern, ist natürlich traumatisiert. Ich sage dir, das werden noch Zeiten wie zur Französischen Revolution. Oder wie unter Hitler. Damals die Adligen, dann die Juden und heute jeder, der es mit anständiger Arbeit zu Wohlstand gebracht hat. Sie werden uns wieder ein Zeichen aufbrennen, nicht den Stern, diesmal wird es das Dollarzeichen sein.“

Lenz sprach sein Bedauern aus. Trösten oder beruhigen konnte er Mayer-Wendhof nicht. Die Bedrohung war real. „Und deine Frau?“ fragte er. Eine unsinnige Frage.

Sie war eine kluge, im Gespräch anregende Person, aber nervös und sprunghaft in ihrem Wesen. Sie war hübsch und aus der Familie die sympathischste, fand Lenz.

„Wir verschwinden hier. Sie hat jetzt eingewilligt. Es gibt da eine Organisation... deshalb rufe ich eigentlich an. Ich darf darüber nicht viel verlauten lassen. Sie bringen einen an einen sicheren Ort. Wo man neu anfangen kann. Gut, meinen Posten im Senat bin ich dann los, aber scheiß was drauf, entschuldige, aber wir haben genug Geld, könnten etwas neues aufbauen. Hast du was zu schreiben, ich gebe dir eine Telefonnummer, aber bitte sprech mit niemanden darüber, überlege es dir, auch dir wird bald der Boden unter den Füßen brennen. Dann ruf da an, alles wird organisiert. Und dann sehen wir uns vielleicht, hoffentlich wieder, im Paradies, haha, du bist ein Freund, deshalb habe ich gleich an dich gedacht, ich sag dir die Nummer, wir werden ja wohl noch nicht abgehört. Mein Gott, ich bin fertig. Hier die Nummer... du kannst meinen Namen als Referenz angeben, einfach sagen, du musst weg.“

Sechs Tage später, als ein Haus in der unmittelbaren Nachbarschaft brannte und man die Fenster schließen musste, damit einem der Rauch nicht die Lunge verätzte, rief Lenz an. Dann ging alles rasend schnell. Die ganze Aktion verlief irgendwie lautlos, man nahm ihm alle Entscheidungen aus der Hand. Er bekam die Anweisungen nur per Telefon, jede Menge Verhaltensregeln, wurde zur Verschwiegenheit verpflichtet und Fragen wurden nur knapp beantwortet. Mit der Post bekam er Umzugskartons und eine Liste mit Gegenständen zugeschickt, die er mitnehmen durfte. Er musste sich verpflichten, eine bestimmte Summe, eine sehr große Summe, auf ein sogenanntes Aufbaukonto zu überweisen.

Abends, wenn Carla nicht mehr im Haus war, packte er die Kartons und stapelte sie in seinem Schlafzimmer. Er war sich sicher, dass sie nie auch nur einen Blick in dieses Zimmer tat. Vorsichtshalber schloss er die Tür ab. Es fiel ihm schwer, eine Auswahl zu treffen. Kleidung packte er nur wenig ein, die konnte man überall kaufen. Lieber wollte er so viele kleine Gemälde und Bücher wie möglich retten. Manche waren schon seit Generationen im Familienbesitz, darunter befanden sich wertvolle Kostbarkeiten und an anderen hing sein Herz. Ein paar kleinere, alte Möbelstücke aus Familienbesitz galt es zu bewahren. Und natürlich Luisas Spielzeug, die Kuscheltiere, die immer aufgereiht am Kopfende ihres Bettes wachen mussten, damit das Kind wohlbehütet einschlafen konnte. Und Fotoalben. Er verlor sich im durchblättern der Alben, die seine Frau noch liebevoll angelegt hatte. Es tat weh. Der Verlust schien ihm doppelt und kaum zu ertragen. Meine Frau, mein Heim, verloren, dachte er, und ob ich jemals wieder zurückkehren kann, ist so ungewiss wie alles im Leben. Obwohl man ihm versichert hatte, dass, wenn die Lage wieder unter Kontrolle sei, das Haus bereit stehen würde. Mit vollem Kühlschrank, lachte der Mann am Telefon. Als würde er persönlich das Anwesen Tag und Nacht vor Brand und Plünderung schützen können.

Am Tag, bevor er fliehen sollte, er empfand es als Flucht, entschied er sich, Carla einzuweihen. Ihr zumindest die halbe Wahrheit zu erzählen. Er hatte bei dem Gedanken daran ein doppelt schlechtes Gewissen. Er hatte seinen „Rettern“ Verschwiegenheit zusagen müssen. Nicht einmal Freunden oder nahen Verwandten gegenüber, durfte er das Arrangement erwähnen. Als sei er jemand, der in einem Zeugenschutzprogramm unterkam. Oder als sei er an einer Verschwörung beteiligt. Wie letzteres kam ihm die Situation auch vor. Aber was sollte er anderes tun, als sein Misstrauen zu verdrängen und zu hoffen, dass er und erst recht Luisa bald in Sicherheit sein würden. Gottseidank gab es keine nahen Verwandten oder enge Freunde, die er vermissen würde.

Carla gegenüber hatte er erst recht einen Grund, sich unbehaglich zu fühlen. Sie würde von heute auf morgen ohne Job dastehen, außer, er konnte sie zum Mitkommen überreden. Das Kind sollte nicht in so kurzer Zeit noch einmal eine Bezugsperson verlieren. Und auch er hatte sich an Caro gewöhnt. Er hatte aber wenig Hoffnung, dass sie sich ohne konkrete Informationen auf solch eine Abenteuer einlassen würde.

Das Gespräch machte ihn schon im voraus nervös, dabei war es doch die geringste seiner Sorgen. Wie immer Carla sich entschied, letztenendes würde es kaum einen Einfluss haben, redete er sich ein.

Er bat sie ins Wohnzimmer. Sie setzte sich mit hochgezogenen Augenbrauen auf die Couchkante, das Kind auf dem Schoß. Ihr war unbehaglich zu mute, das konnte er ihr ansehen. Weil sein Ton zu geschäftig geklungen hatte? Er musste es lockerer angehen lassen.

„Ich brauche einen Drink. Sie auch?“ sagte er. Sie schüttelte den Kopf. Er zögerte, ging dann aber zur Hausbar und schenkte sich einen Cognac ein. „Manchmal sind wir nicht Herr unserer Pläne. Die Umstände entscheiden für uns.“ sagte er. Ein blöder Anfang.

Sie schwieg immer noch. Luisa schlüpfte ihr vom Schoß, steuerte das Klavier an und versuchte den Deckel zu öffnen. Das Klavier seiner Frau. Niemand spielte mehr darauf. Seine Frau hatte auch selten und nicht sehr gut gespielt.

„Um es geradeheraus zu sagen, wir werden eine Zeit lang wegziehen. Für länger. Für eine unbestimmte Zeit. Die Umstände.“

Carla zog die Luft scharf ein und kniff die Augen zusammen.

Er nahm einen großen Schluck Cognac, verschluckte sich und musste husten.

„Dann bin ich gekündigt?“

„Ich habe ihr Gehalt überwiesen, für die nächsten drei Monate, natürlich.“

„Wann?“

Jetzt brach ihm der Schweiß aus. Meingott, als würde er das erste mal in seinem Leben eine Kündigung aussprechen. „Es muss sehr schnell gehen. Morgen.“

Luisa hatte es geschafft, den Klavierdeckel einen Spalt breit hochzuschieben und die Finger dazwischen geklemmt. Ihr Geschrei zerschnitt das Schweigen, mit dem Carla auf die Nachricht reagierte. Bevor er die Situation erfasste, sprang sie auf, nahm das Kind auf den Arm, besah sich die Finger, pustete darauf, murmelte etwas und vergrub das Gesicht in Luisas Haaren.

„Sie könnten auch...obwohl ich das kaum erwarte. Wenn sie mitkommen? Es...es würde mich freuen. Für Luisa wäre es sehr schön. Sie tun dem Kind gut. Das habe ich wohl versäumt, ihnen schon früher zu sagen.“

„Oh Mann. Ich soll mit? Morgen? Wohin?“

„Auch das kann ich nicht sagen.“

„Sie müssen doch wissen, wohin die Reise geht? Wissen sie wie das klingt?“

Er schüttelte den Kopf.

„Sie haben Schiss, nicht war? Angst, das etwas passiert. Das Haus angezündet wird oder so.“ Sie lief mit dem leise weinenden Kind auf dem Arm hin und her, es sah aus, als wolle sie die Füße in den Boden rammen.

Plötzlich wollte er es nur noch beenden, sie los werden, für heute. In seinem Kopf vibrierte es, als würde gleich eine Seite reißen. Er stand auf, gab das Zeichen. „Es tut mir leid. Überlegen sie es sich.“ Er nahm ihr Luisa ab.

Caro ließ die Arme hängen. „Ich lege mich nicht gerne fest. Ich brauche Raum, will nicht festgenagelt werden.“ sagte sie.

„Den Eindruck hatte ich nicht. Sie waren immer da, immer zuverlässig.“

„Kinder soll man nicht enttäuschen.“

„Vielleicht stehen sie morgen früh mit einem Koffer in der Tür. Wenn nicht, tut es mir sehr leid.“

„Es geht nicht. Wir stehen auf verschiedenen Seiten.“ sagte Carla.

„Das verstehe ich nicht.“

„Dann erzähle ich ihnen mal was. Von der anderen Welt. Aus der ich komme, in die ich jeden Abend zurückgehe. Mein Freund ist Journalist. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt, davon hat er ganze vier Jahre einen Job gehabt und Geld verdient. Er war selig, gleich nach der Journalistenschule bekam er einen Job bei einer Tageszeitung. Er ist gut. Nach drei Jahren wurde das Blatt von einem Verlag geschluckt. Man behielt ihn, aber er war nicht mehr angestellt, sondern musste als freier Journalist weitermachen. Die gleiche Arbeit, etwas weniger Geld. Gut, das hat er weggesteckt. Er ist noch jung und frei hört sich gut an. Letztes Jahr dann wurde gekündigt, viele verloren ihre Arbeit und er bekommt keine Aufträge mehr. Warum? Man kam in den Chefetagen auf die Idee, dass es viel wirtschaftlicher sei, wenn nicht jedes Käseblatt seine Artikel von eigenen Journalisten schreiben lässt und legte Redaktionen zusammen. Warum diese Maßnahmen? Den Anlegern hatte man zweistellige Renditen garantiert.“

„Das tut mir leid für ihren Freund. Aber warum erzählen sie mir das jetzt?“

„Damit sie kapieren, warum ich ihr Angebot nicht annehmen kann.“

„Das verstehe ich. Sie haben einen Freund...das wusste ich nicht. Was macht er jetzt? Hat er einen neuen Job? Vielleicht kann ich helfen. Ein paar Anrufe...“ Er vergaß, dass er dafür kaum noch Zeit haben würde.

Sie lächelte, dabei kniff sie die Augen zusammen, aber ganz kurz sah er Wut blitzen .„Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Vielleicht zündet er ja Häuser an.“

Luisa quengelte. Carla setzte sie auf den Boden ab. Sie stand jetzt zwischen den Erwachsenen und rührte sich nicht. Spürte vielleicht die Spannung. Oder sie dachte sich ein neues Spiel aus, zu dem sie Carla gleich überreden würde.

„Vielleicht werde ich Luisa vermissen.“ sagte Carla.

„Und mich?“ fragte er.

Darauf gab sie keine Antwort.

Irrländer

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