Читать книгу Take Me Home - Carrie Elks - Страница 10

8. Kapitel

Оглавление

»Was meinst du mit, er will nicht alle Rohre ersetzen lassen?«, fragte Gray mit angespannter Stimme. »Es ist Irrsinn, nur ein Stück Rohr auszutauschen, obwohl das ganze Ding am Verrosten ist. Wie viele Lecks hattet ihr im letzten Jahr?«

»Ein paar.« Tante Gina atmete aus. »Aber du kennst ja deinen Vater. Er ist stur. Und ihm gefiel keines der Angebote, die er von den Klempnern bekommen hat.«

Sie saßen beim Frühstück und Gray nahm gerade einen Schluck heißen Kaffee aus einem alten, abgeschlagenen Becher. Es war seltsam, wie viele Dinge in diesem Haus einer Reparatur bedurften. Nicht bloß das Dach und die Rohre und die abblätternde Farbe draußen. Sondern auch die Küche und die Badezimmer waren immer noch dieselben wie zu jener Zeit, als er ausgezogen war. Seit Jahren hatte hier niemand mehr einen Handgriff getan.

»Wie viel kostet es denn?«, fragte Gray. »Ich überweise das Geld. Ihr hättet mir vorher davon erzählen sollen, ich hätte mich darum gekümmert. Ich organisiere uns auch gleich eine Bleibe für die Zeit, in der die Rohre ausgetauscht werden.« Dass ihn niemand um Hilfe gebeten hatte, machte ihn wütend.

»Das kann ich nicht annehmen«, meinte Tante Gina und presste die Lippen zusammen.

»Dad würde das nie zulassen«, erklärte Becca, während sie sich einen Becher Kaffee einschenkte. Sie hatten die Kaffeemaschine draußen am Wasserhahn auffüllen müssen. Ebenso die Töpfe auf dem Herd, in denen sie gerade Wasser kochten, um später die Teller vom Frühstück abzuwaschen.

Gray schüttelte zu all dem nur den Kopf. »Ich habe so viel Geld, dass ich nicht weiß, wohin damit«, protestierte er. »Lasst mich helfen.«

»Du kennst Dad. Er ist stolz.« Becca seufzte. »Er sagt die ganze Zeit, dass er alles reparieren wird, sobald es ihm wieder besser geht. Aber du hast ihn ja gesehen, es geht ihm nie besser.«

Ja, das war Gray aufgefallen. Wie hätte es nicht? Ebenso wie der Zustand dieses Hauses hatte ihm der Gesundheitszustand seines Vaters einen Schock versetzt. »Ich rede mit ihm«, versprach Gray und versuchte, entschlossen zu wirken.

»Und regst ihn damit auf, obwohl er krank ist?«, wollte Tante Gina wissen. »Warum willst du das tun?«

»Weil ihr so nicht leben müsst«, begründete Gray. »Wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wir leben im wohlhabendsten Land der Welt. Und ich habe mehr als genug Geld, ich kann es mir verdammt noch mal leisten.«

»Pass auf deine Ausdrucksweise auf.« Becca bedachte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue.

»Tut mir leid.« Er schüttelte den Kopf. »Aber das hier macht mich so verdammt wütend. Dads Stolz hält euch davon ab, wie zivilisierte Menschen zu leben.« Er stellte den Kaffee auf den Tisch. »Lasst mich einfach mit ihm reden, okay? Ich werde ihn nicht anschreien oder aufregen. Das verspreche ich.«

»Das hast du letztes Mal auch gesagt.«

Gray schickte ihr ein halbes Lächeln. »Na ja. Diesmal meine ich es ehrlich.«

»Lass ihn gehen«, brachte sich Tanner ein, ehe er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. »Vielleicht kann er den alten Mann ja zur Vernunft bringen. Gott weiß, ich habe es vergebens versucht.«

»Für euch spielt das alles keine Rolle.« Tante Gina furchte die Stirn. »Ihr müsst nicht die ganze Zeit mit ihm zusammenwohnen. Bald seid ihr weg und lasst Becca und mich mit all den zerbrochenen Teilen zurück. Ihr treibt ihn in den Wahnsinn, doch wir müssen alles wieder in Ordnung bringen.«

»Ihr beide müsst ebenfalls nicht hierbleiben«, sagte Gray. »Ich würde euch ein Haus kaufen, wo immer ihr wollt. Jederzeit.«

»Ich könnte ihn niemals allein lassen.« Tante Gina verschränkte die Arme vor der Brust. »Das weißt du.«

Ihre Loyalität erweichte Grays Herz. Und ja, er wusste, dass sie es ernst meinte. Tante Gina hatte schon immer als ihr Schutzengel fungiert und auf sie aufgepasst, wenn sie es am meisten gebraucht hatten.

Einen Tag, nachdem ihre Mutter – Tante Ginas Schwester – gestorben war, kam sie zu ihnen und war nie wieder gegangen. Sie hatte sich stets um sie gekümmert. Ihnen die Augen mit ihrem Taschentuch abgetupft, als sie beim Begräbnis ihrer Mutter weinten. Sie nachts in den Armen gehalten, wenn schlimme Träume sie heimsuchten. Mit ihnen geschimpft, wenn sie ihre Aufgaben nicht rechtzeitig abgegeben oder der Direktor angerufen hatte, um sie zu informieren, dass einer der vier Hartsonbrüder nicht in der Schule erschienen war.

Tante Gina hatte ihren Herzschmerz gelindert und ihre Siege gefeiert, und jeder einzelne von ihnen liebte sie dafür.

»Warum bist du immer noch hier?«, fragte Gray. »Die meisten von uns sind schon lange fort. Sogar Becca wird bald weiterziehen. Du hast dein Versprechen Mom gegenüber erfüllt.«

Aus dem Augenwinkel heraus konnte er sehen, wie sich Beccas Gesicht bei seinen Worten verzog. Sie war noch so klein gewesen, als ihre Mom gestorben war, dass sie sich nicht mal an sie erinnern konnte. Tante Gina war die einzige Mutter, die sie je gekannt hatte.

»Ich habe meiner Schwester versprochen, ich würde mich um euch kümmern«, erklärte Tante Gina ruhig. »Deinen Vater eingeschlossen. Und er braucht mich.« Sie stand auf und trug ihren Teller rüber zum Waschbecken. »So lange bleibe ich hier.«

»In dem Fall zahle ich für neue Rohre. Und ein neues Dach«, versicherte Gray ihr. »Danke fürs Frühstück. Ich werde jetzt mit Dad reden.«

Sie schüttelte den Kopf, während er aufstand und den Gang entlang zum Büro seines Vaters lief. Als er die Hand hob, um an die Tür zu klopfen, hörte er ihre Erwiderung. »Der eine so stur wie der andere. Das kann nur in Tränen enden.«

K

Als Gray zwanzig geworden war, eröffnete er seinem Vater, er würde das College schmeißen, um nach L.A. zu ziehen und dort ein Album aufzunehmen. Eines der größten Plattenlabels im Land hatte ihm einen Vertrag für zwei Alben angeboten. Volle fünf Minuten lang hatte sein Vater nichts erwidert. Hatte Gray einfach nur durch diese wässrig blauen Augen angestarrt, die Lippen zusammengepresst und ein Zucken im rechten Kiefer.

Mehr als ein Jahrzehnt war seither vergangen, doch sein Dad starrte Gray heute auf genau dieselbe Weise an. Als wäre er die Scheiße an der Sohle seines Schuhs und als wartete sein Vater nur auf die rechte Gelegenheit, ihn abzuschaben.

Aber damit gab es ein Problem. Gray hatte keine Angst mehr vor dem alten Mann. Und er musste an Tante Gina denken. Er würde sie und Becca nicht in diesem baufälligen Haus zurücklassen, während sie sich um seinen Dad kümmerten. Sie verdienten mehr als das.

Das taten sie alle.

»Nein.«

Die Antwort kam so schwach hervor, dass sich Gray nach vorne beugen musste. »Wie bitte?«

»Ich sagte nein. Wir brauchen deine Hilfe nicht. Haben wir nie.« Sein Vater hustete und brachte damit seinen ganzen Körper zum Beben. Jeden anderen hätte Gray gefragt, ob alles in Ordnung sei. Im Falle seines Dads wusste er es besser. Mitgefühl war in den Augen von Grayson Hartson Senior gleichbedeutend mit Schwäche. Jede andere Emotion ebenfalls.

»Das Haus bricht auseinander. Und so wie ich das sehe, ist kein Geld übrig, um es zu reparieren. Du brauchst meine Hilfe.«

»Ich brauche niemandes Hilfe.« Ein hartherziger Ausdruck stand in seinen Augen. »Du glaubst, ein großer Mann zu sein, so wie du mit deinem Geld herumwedelst? Glaubst, etwas Besseres zu sein als ich? Dein Geld ist schmutzig. Ich will nichts davon haben.«

Gray runzelte die Stirn. »Schmutzig? Wie das?«

»Du hast es dir nicht ordentlich verdient.«

»Ich habe jeden Cent davon verdient. Habe Songs geschrieben, sie aufgenommen und die ganze Welt bereist, um sie zu promoten.« Sein Vater stachelte ihn absichtlich an, das wusste Gray, und dennoch war es ihm unmöglich, es gut sein zu lassen. Der alte Mann kannte seine Schwachstellen und ritt auf ihnen herum, bis sie schmerzten.

»Du hast dich prostituiert. Denkst du, ich hätte die Fotos nicht gesehen? Du stellst dich zur Schau, bis dir diese Mädchen Geld zuwerfen.« Sein Dad verengte die Augen. »Und jetzt willst du, dass ich dieses Geld annehme? Nein danke. Des Teufels Dollar brauche ich nicht.«

Gray war nicht sicher, ob er lachen oder schreien sollte. Des Teufels Dollar? Das war ein verdammt guter Name für ein Album, aber eine echt beschissene Art, seinen Sohn zu beschreiben. »Also ist es dir lieber, wenn Tante Gina und Becca in diesen erbärmlichen Zuständen leben?« Gott, war sein Vater stur. Aber andererseits war er das selbst auch. Dieser Charakterzug floss durch das Blut aller Hartsons und war der Nährboden einiger spektakulärer Auseinandersetzungen gewesen.

Vielleicht sollte er früher als geplant in ein Flugzeug nach L.A. steigen. Dort könnte er auf seinem Balkon sitzend die Saiten seiner Gitarre anschlagen und neue Lieder schreiben, während er auf den Ozean hinausblickte.

»Mir geht es bald besser«, meinte sein Dad und spannte herausfordernd die Schultern an. »Ich werde reparieren, was zu reparieren ist. So wie ich es stets getan habe.«

Bei all der überzeugten Selbstüberschätzung hätte Gray ihm beinahe geglaubt. Doch man musste nur einen Blick auf den betagten Mann im Bett werfen. Sein Körper wirkte zerbrechlich, verbraucht, und sein Gesicht war zerfurcht vom Alter. Es war ausgeschlossen, dass er jemals wieder auf das Dach klettern oder Rohre ersetzen würde.

Gray schluckte das Mitgefühl hinunter, das in ihm aufzusteigen versuchte. Schob es mit einem Schulterzucken beiseite. »Ich mache es«, entschied er.

»Machst was?«

»Ich tausche die Rohre aus. Flicke das Dach.«

Sein Vater stieß ein hustendes Lachen aus. »Du machst das? Tatsächlich? Du hast in deinem Leben noch keinen Tag körperliche Arbeit verrichtet. Weißt du, wie man Rohre schneidet? Sie zusammenschweißt?« Ein weiteres Husten. »Das will ich sehen.«

»Ich sagte, ich mache es. Und das werde ich auch.« Mit angespanntem Kiefer nahm Gray einen tiefen Atemzug. Er war sich nicht sicher, wen seine Entschlossenheit mehr überraschte – seinen Vater oder ihn selbst. So oder so musste er die bitter schmeckende Frustration hinunterschlucken, die aufkam, wann immer er mit seinem Vater sprach.

»Nur zu. Ich könnte ein wenig Unterhaltung gebrauchen.«

Gray zuckte die Achseln und verließ das Büro seines Vaters. Die Wände drohten, ihn zu erdrücken. Er musste für eine Weile raus aus diesem Haus. Sonst fiel ihm noch die Decke auf den Kopf.

K

Maddie kam durch die Küchentür ins Diner und rief nach Murphy, damit er wusste, dass sie wieder hier war.

Er schaute hoch und zeigte auf die Tür, die ins Diner führte. »Wer is’n das, was glaubst?«, fragte er und deutete dabei auf jemanden, der an einem Tisch in der hinteren Ecke saß. »Er hat nach Cora Jean gefragt.« Murphy senkte die Stimme. »Doch nicht einer dieser Goldgräber? Der’s auf ihr Geld abgesehen hat?«

Maddie tat ihr Bestes, nicht zu lachen. Cora Jean hatte eine kleine Pension zusätzlich des Geldes, das sie im Diner verdiente. Sie war jetzt nicht direkt eine Sugar Mama.

Ein Blick nach hinten reichte aus und Maddie erkannte, wer der Mann mit den breiten Schultern und dem braunen Haar war, das sich in seinem Nacken kräuselte. Er hatte sich eine dunkelblaue Kappe tief ins Gesicht gezogen und das Kinn nach unten geneigt, als studiere er die Speisekarte vor sich sehr genau. Täuschen konnte er Maddie damit nicht, doch es erlaubte ihr, ihn einen Moment länger zu betrachten. Die Muskeln auf seinem Rücken, die Tattoos, die fast vollständig von den Ärmeln seines schwarzen T-Shirts bedeckt wurden. Sie fragte sich, wie es sich anfühlen würde, mit dem Finger über die Tinte zu streichen.

»Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden«, erklärte Maddie an Murphy gewandt, während sie ihre Tasche in ihren Spind stopfte und sich vom Kleiderhaken eine frische Schürze schnappte. »Ich schaue mal, ob er Kaffee zu seiner Cora Jean möchte.«

»Versuch, ihm Waffeln anzudrehen. Ich habe zu viel Mischung gemacht.«

»Wie viel ist zu viel?«, wollte Maddie wissen.

»Ungefähr fünf Liter.« Murphy zuckte die Schultern. »Heute war nicht viel los.«

Grinsend schob sie sich durch die metallenen Doppeltüren raus in den Hauptbereich des Diners. Murphy hatte recht, es war überhaupt nichts los. Typisch für einen Dienstag.

»Kaffee?«, bot sie ihrem Kunden an, während sie eine volle Kanne hinüber zum einzigen besetzten Tisch trug.

Gray blickte hoch. Langsam kräuselte ein Lächeln seine Lippen. »Cora Jean«, grüßte er. »Wie geht es dir?«

Ein Kribbeln huschte über ihre Haut. Selbst mit der Mütze war es unverschämt, wie gut er aussah. Sie wollte sich am liebsten einen verdammten Eimer Wasser über den Kopf kippen. Ja, er war attraktiv, aber sie hatte schon viele gutaussehende Kerle getroffen. Obwohl noch keiner ihren Körper derart in Aufruhr gebracht hatte. »Schwarz. Ohne Zucker, richtig?«

»Richtig.«

Sie schenkte ihm einen Becher voll und nickte dann zur Speisekarte vor ihm. »Kann ich dir etwas zu essen bringen?«

»Schenk dir auch eine Tasse ein und setz dich zu mir«, bat Gray, ihren Blick noch immer festhaltend. »Maddie.«

Sie hatte damit gerechnet. In dieser Stadt dauerte es nicht lange, alles über jeden herauszufinden, und Gray war nicht dumm. Dennoch fühlte sie, wir ihr Herz sank, als er ihren Namen aussprach. Nicht weil er aus seinem Mund nicht wunderschön klang. Das tat er. Sondern weil es bedeutete, dass Maddie sie selbst sein musste.

Die lahme, alte Maddie Clark. Dabei hatte es ihr gefallen, die unerschrockene Cora zu spielen, die Gray Hartson vom rechten Weg abbrachte.

»Ich muss arbeiten«, informierte sie Gray.

Er schaute sich im leeren Diner um. »Sieht nicht direkt nach Rushhour aus. Ich lade dich ein. Was immer du möchtest.«

»Ich habe gehört, die Waffeln sollen gut sein«, erwiderte sie und Belustigung zog dabei an ihren Mundwinkeln.

»Besser als die Eier?«

»Alles ist besser als die Eier.« Er fing ihren Blick ein, und sie erwischte sich dabei, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Gray hatte diesen unwiderstehlichen Charme an sich. Einen, der Kinder zum Grinsen brachte, junge Mädchen beinahe in Ohnmacht fallen ließ und ältere Frauen dazu verleitete, einen Arsch voll Geld für seine Musik auszugeben.

»Zweimal Waffeln, also.«

Sie gab die Bestellung an Murphy weiter und schnappte sich dann einen Becher Kaffee. »Du bist mutig, direkt am Fenster zu sitzen«, sagte sie. »Nach letztem Sonntag hätte ich gedacht, du würdest dich vielleicht eher verstecken wollen.«

»Ich schätze, die meisten dieser Mädchen sind gerade in der Schule. Und ich wollte dich sehen.«

Ihr stockte der Atem. »Wirklich?«

»Ja. Ich habe eine Frage an dich.«

»Kann sein, dass ich sie nicht beantworten will«, warnte sie ihn, den Kopf zur Seite gelegt. Er lächelte erneut. Ein Lächeln wie purer Sonnenschein, das Fältchen in seine Augenwinkel malte.

»Den Eindruck machst du mir auch, ja.« Das Kinn auf die Fingerknöchel stützend, beugte er sich nach vorne und zog die Brauen zusammen. »Aber ich finde, du schuldest mir die Wahrheit.«

»Wie kommst du darauf?«

Sie abschätzend musternd, lehnte er sich wieder zurück. »Weil wir am Sonntag gemeinsam ein Trauma erlebt haben. Sowas steht man nicht zusammen durch, ohne eine Verbindung aufzubauen.«

»Wir sind über ein paar Zäune geklettert.«

»Und wurden beinahe von einem wilden Hund zerfleischt.« Er hob eine Augenbraue und nahm einen Schluck Kaffee.

»Einem inkontinenten Hund, dem der Großteil seiner Zähne fehlt.«

»Siehst du.« Ein Hauch an Belustigung blitzte in seinen Augen auf. »Gruseliger Scheiß.«

Maddie lachte. Sie konnte nicht anders. Da war etwas an diesem Mann, das sie einfacher atmen ließ. Etwas, das eine Last von ihrer Schulter nahm und sie dazu brachte, sich leichter als Luft zu fühlen. »Okay, also teilen wir uns ein Trauma. Das bedeutet doch sicher, dass du lieb zu mir sein musst.«

»Ich werde ganz besonders lieb zu dir sein.« Seine Stimme war so voller Zucker. »Warum hast du mir nicht gesagt, wer du bist?«

»Weil du dann Fragen gestellt hättest, die ich nicht beantworten wollte.«

»Reizend.« Erneut grinste er. »Lass mich raten? Du dachtest, ich würde dich nach deiner Schwester fragen?«

Sie umklammerte den Becher fester. »Hättest du nicht?«

»Ich muss über Ash nichts herausfinden. Ich bin mir sicher, dass sie verheiratet ist und Kinder hat. Vermutlich lebt sie in einem riesigen Haus ein paar Meilen von hier und arbeitet ehrenamtlich an der Schule ihrer Kinder. Vielleicht hilft sie auch ein oder zwei gut gewählten Wohltätigkeitsorganisationen aus. Nichts Kontroverses. Und sie verbringt jeden Freitag im Schönheitssalon, um sich für eine Date Night mit ihrem Mann aufhübschen zu lassen.«

Maddie zog die Brauen zusammen. »Woher weißt du das? Hast du dich nach ihr erkundigt?«

»Nope.« Gray lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen zurück. Sie versuchte zu ignorieren, wie sich dabei seine Oberarme anspannten. »Das ist, was sie immer wollte. Und Ash kriegt, was sie will.«

Bis auf dich. Maddie blinzelte bei dem Gedanken. »Ich schätze, du wolltest das alles nicht.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht der Kleinstadttyp.«

Das war nicht zu bestreiten. Gray Hartson gehörte nicht hierher. Er war zu talentiert, zu gutaussehend, zu ... alles. In seiner Nähe wirkten jedes Ding und jede Person winzig.

»Warum bist du dann hier?«, wollte sie wissen.

»Als Dad krank wurde, hat Becca mich gebeten, nach Hause zu kommen. Also habe ich auf dem Weg nach L.A. einen Zwischenstopp eingelegt.«

»Gehst du bald wieder zurück?«

Seinen Blick auf den Becher gerichtet, strich er mit einem Finger über den Rand. »Nicht sofort. Ich bleibe noch eine Weile hier.«

»Wie lange?« Die Brust wurde ihr eng. Sie wusste jedoch nicht genau, warum. War es Angst, Aufregung, Nervosität? All diese Gefühle schienen durch sie hindurchzubrausen wie ein berauschender Cocktail.

Angst, weil sein Verbleiben in der Stadt Veränderung bedeutete. Es legte nahe, dass er und Ashleigh sich wiedersehen würden, und obwohl Ash verheiratet war, würde sie ihn wie eh und je in ihren Bann ziehen. Aufregung, weil Gray so nahe zu sein sich anfühlte, als würde sie kopfüber in einer Achterbahn hängen. Ihr Herz raste und ihr Blut jagte auf eine Weise durch ihre Adern, wie sie es noch nie erlebt hatte. Und Nervosität? Na ja, es gefiel ihr nicht, sich zu fühlen, als wäre alles außer Kontrolle. Das hatte sie schon einmal probiert und war verdammt tief gefallen.

»Für zwei Monate. Lange genug, um an ein paar neuen Songs zu arbeiten und dabei zu helfen, das alte Haus auf Vordermann zu bringen. Es braucht neue Rohre und ein neues Dach. Ich dachte, das kriege ich hin.«

»Wie hinkriegen?«, fragte Maddie. »Willst du etwa die Arbeiter überwachen?«

»Ich mache es selbst.«

Sie musste die Lippen zusammenpressen, um nicht loszulachen. »Du?« Sie versuchte, es sich vorzustellen. Grammypreisträger Gray Hartson auf dem alten, kaputten Dach seines Kindheitshauses, einen Werkzeuggürtel um die Hüften geschnallt ... Wenn sie das fotografierte, würde sie genug Geld machen, um für den Rest ihrer beider Leben für die Medikamente ihrer Mom aufkommen zu können. »Wieso?«

»Dad lässt sonst niemanden ran. Du kennst ihn ja.« Gray zuckte die Achseln.

»Hast du schon mal ein Haus renoviert?«

»So in etwa.« Seine Mundwinkel hoben sich. »Ich musste ein paar Sachen in meiner ersten Wohnung in L.A. richten. Außerdem habe ich ein paar Freunde, die mir aushelfen können. Kennst du die Johnson Brothers?«

»Die aus dem Fernsehen?«, fragte Maddie. »How to Flip Your House in Thirty Days?«

»Ja, genau die. Sie werden mir alles erklären, sollte ich auf Schwierigkeiten stoßen. Per Videochat, wenn nötig. Wie schwer kann sowas schon sein?«

»Waffeln sind fertig!«, polterte Murphy durch die offene Küchentür hindurch. »Ich klingle schon die ganze Zeit nach dir, Maddie.«

»Noch mal Glück gehabt.« Sie wackelte mit den Augenbrauen. »Bleib hier, während ich dir dein Frühstück bringe.«

Take Me Home

Подняться наверх