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7. Kapitel

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»Nie im Leben bist du durch fremde Gärten gerannt und über Zäune geklettert«, meinte Tanner kopfschüttelnd, nachdem Gray von seiner Flucht aus der Kirche berichtet hatte.

Gray war seit zwei Stunden zu Hause und Tante Gina hatte ihnen Lunch vorgesetzt. Er und Tanner waren dabei, die Küche sauberzumachen, während sie und Becca seinem Dad Gesellschaft leisteten. »Das erfindest du doch alles.«

»Tu ich nicht. Frag Cora Jean im Diner. Sie ist diejenige, die mir geholfen hat.«

»Cora Jean?« Tanner hob eine dunkle Augenbraue. »Du willst mir weismachen, Cora Jean wäre über eine zwei Meter hohe Wand gesprungen?« Er grinste. »Jetzt weiß ich, dass du lügst.«

»Warum sollte ich lügen?«, wollte Gray verwirrt wissen.

»Weil Cora Jean vierundsiebzig ist. Du erinnerst dich sicher noch an sie. Sie hat uns immer kleine Rabauken geschimpft, wenn wir als Kinder einen Saustall angerichtet haben.« Tanner zog die Stirn kraus. »Komm schon, du musst dich erinnern.«

Gray versuchte, sein Gehirn in Fahrt zu bringen. »Warte ... Meinst du etwa die Streitaxt?«

»Jepp.« Tanner nickte. »Winzige, alte Frau. Trägt ihr weißes Haar zu einem Knoten gebunden.« Er holte Luft. »Und scheinbar talentiert darin, sich über Mauern zu schwingen.«

Gray strich sich mit dem Daumen über die Unterlippe. »Sie war nicht alt«, erklärte er Tanner, dem ein selbstgefälliges Grinsen auf dem Gesicht stand. »Sie kann nicht älter als fünfundzwanzig gewesen sein.« Und ja, sie war jung und hübsch und brachte ihn auf eine Art zum Lachen, die er schon lange nicht mehr verspürt hatte. Er wollte sie so lange küssen, bis es ihnen beiden den Atem geraubt hätte.

»Sie meinte, ihr Name sei Cora Jean?«

»Jepp. Sie arbeitet im Diner.«

»Was soll ich dazu sagen?« Tanner zuckte die Achseln. »Die einzige Person unter fünfzig, die im Diner arbeitet, ist Maddie. Ich bin mir ziemlich sicher, du würdest sie erkennen, immerhin warst du drei Jahre lang mit ihrer Schwester zusammen.«

Grays Mund wurde staubtrocken. »Maddie Clark? Ashs Schwester?«

Tanner lachte. »Die habe ich gemeint.«

Maddie Clark war damals vierzehn Jahre alt gewesen und hatte eine Zahnspange getragen. Um seine Gedanken zu ordnen, schüttelte Gray den Kopf.

»Was ist mit Maddie Clark?«, wollte Becca wissen, als sie mit einem leeren Teller in die Küche kam.

»Gray verwechselt Cora Jean Masters mit Maddie Clark.« Tanners Augen funkelten amüsiert. »Ist ja auch schwer, die beiden auseinanderzuhalten.«

»All der Ruhm scheint ihm zu Gemüte gestiegen zu sein.« Becca verdrehte die Augen. »Tante Gina hat mir erzählt, dass dir Maddie heute den Arsch gerettet hat. Diese Teenager-Gören wollten dich wohl zum Frühstück verspeisen.«

Gray war immer noch dabei, mit diesen neuen Informationen klarzukommen. »Maddie Clark«, wiederholte er. »Ich wusste nicht, dass sie immer noch in der Stadt lebt.«

Becca griff sich ein frisches Küchentuch aus der Lade und half Tanner beim Abtrocknen des Geschirrs, das Gray zum Abtropfen auf die Ablage gestellt hatte. »Sie war eine Weile weg. Ist auf die Ansell gegangen, um Musik zu studieren«, erzählte ihm seine Schwester. »Aber irgendetwas ist passiert und sie ist wieder nach Hause gekommen.«

»Etwas ist passiert?«, wiederholte Gray. Neugier stieg in ihm auf. »Was denn?« Nur die besten wurden in der Ansell aufgenommen. Das Performing Arts College in New York hatte eines der renommiertesten Studienangebote im Land. Niemand würde sich diese Chance einfach so entgehen lassen.

»Ich nehme an, sie ist zurückgekehrt, um sich um ihre Mom zu kümmern.« Becca zuckte mit den Schultern. »Es ist eine Schande. Ich dachte bereits, wir hätten es mit noch einem Star zu tun.« Seine Schwester grinste ihn an. »Hätte deinen großen Kopf vielleicht ein bisschen schrumpfen lassen.«

»Maddie ist aufgetreten?«

»Sie hat Klavier gespielt. Tut sie immer noch.«

»Davon wusste ich. Ich kann mich erinnern, dass sie mit ihrer Mom geübt hat, als ich mit Ash zusammen war.« Sich an diese Zeiten zurückerinnernd, runzelte er die Stirn. Ash in ihrem Cheerleaderoutfit, Gray immer mit ein oder zwei blauen Flecken vom Football gespickt. Die kleine Maddie, wie sie am Klavier saß, ihre Mom über sie gebeugt, mit einem Finger auf die Notenblätter vor sich deutend. Er konnte beinahe das Aroma von geröstetem Kaffee riechen, das damals aus der Küche strömte.

»Jetzt arbeitet sie im Diner?«

»Und unterrichtet Klavier.« Becca zuckte erneut mit den Schultern. »Macht sie seit Jahren.«

Er wollte mehr wissen, aber Becca würde bestimmt bald wissen wollen, warum er neugierig war. Er wollte mehr wissen, doch eine weitere Frage von ihm und Becca finge vielleicht an, selbst welche zu stellen. Und es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt für ein Kreuzverhör.

Vor zwei Stunden hatte er beinahe die kleine Schwester seiner Exfreundin geküsst. Welchen Shitstorm hätte das wohl losgetreten?

Gray wusch den letzten Teller ab und stellte ihn auf den Ständer. Stirnrunzelnd ließ er das Wasser ab, das ewig brauchte, bis es in der Leitung verschwand. »Funktioniert in diesem Haus eigentlich irgendetwas so, wie es soll?«, fragte er.

»Nope.« Becca grinste. Das war vermutlich die Wahrheit. Nach dem Morgen, den er hinter sich hatte, würde er am liebsten den Kopf gegen eine Mauer schlagen.

»Ich gehe in mein Zimmer und spiele ein bisschen Gitarre«, informierte er seine Geschwister, als das Geschirr weggeräumt war. »Wir sehen uns später.« Seine Seele brauchte ein wenig Herumgeklimper. Irgendetwas, um seine Gedanken von diesem Haus und dieser Stadt und ihren verdammten Einwohnern abzulenken, die ihn allesamt in den Wahnsinn trieben.

Besonders diese eine Bewohnerin, die ihn zum Lachen brachte, und dazu, sie küssen zu wollen, und die ihm wegen ihres Namens ins Gesicht gelogen hatte.

Ja, ganz besonders Maddie Clark.

K

»Kommt rein«, rief Maddie ihrer Nichte und ihrem Neffen zu, nachdem sie die Tür mit einem breiten Grinsen für die beiden aufgerissen hatte. Grace stürzte sich Maddie sofort entgegen. Sie schaffte es gerade so, die Kleine aufzufangen, ohne außer Atem zu kommen. Carter hielt sich mit einem schüchternen Lächeln zurück, während er am Kragen seines Hemds zog. »Hey, Kumpel«, grüßte Maddie ihn und zerzauste sein hellbraunes Haar. »Siehst schmucke aus.«

»Was ist schmucke?«, fragte er.

»Es bedeutet schick. Aber auf eine altmodische Art. So wie sich die Männer früher angezogen haben, als sie noch wussten, wie man eine Lady umwirbt.«

»Was ist umwirbt?«, wollte Grace wissen, während sie aus Maddies Armen kletterte. »Hat das was mit Wirbelstürmen zu tun?«

»Verwirrst du schon wieder meine Kinder?«, erkundigte sich Ashleigh, als sie die Stufen zu Maddie hochkam.

»Mom, was ist umwirbt?«, fragte Grace bei ihrer Mutter nach und kratzte sich über den blonden Schopf.

Ashleigh wirkte sichtlich verwirrt.

»Ich habe ihnen etwas übers Umwerben erzählt«, erklärte Maddie. »Wie es in alten Zeiten war.«

»Umwerben ist, wenn sich ein Mann entschließt, eine Frau glücklich zu machen«, definierte Ashleigh, während sie in Maddies Richtung die Augen verdrehte. »Aber das ist kein Wort, das ihr beide in nächster Zeit brauchen werdet. Geht jetzt rein und seht nach eurer Grandma. Ich will kurz mit Tante Maddie reden.«

Maddie wich zur Seite, damit sich Grace und Carter an ihr vorbeischieben konnten. Ihre Schuhe polterten auf dem Holzboden, während die beiden in die Küche rannten. Sie konnte den tiefen Klang der Stimme ihrer Mutter hören, als diese ihre Enkel begrüßte. Darauf folgte die höhere Tonlage der antwortenden Kinder.

»Ist alles okay?«, fragte Maddie ihre Schwester.

Wie immer sah Ashleigh wunderschön aus. Ihr blassblondes Haar war zu einem Chignon in ihrem Nacken gebunden und die einfachen Linien ihres marineblauen Kleids schmeichelten ihrer schlanken Figur. Neben ihr fühlte sich Maddie in ihrem Tanktop und ihren Jeans wie eine Magd, aber das war nichts Neues.

Sie hatte schon immer in Ashleighs Schatten gestanden und das mit der Zeit akzeptiert. Inzwischen konnte sie sogar darüber lachen. Auch wenn sich Maddie manchmal wünschte, dass die Leute sie beide nicht immer miteinander verglichen.

Ashleigh drückte vorsichtig hinten auf ihre Frisur. »Gibt es etwas Neues in der Stadt?«, erkundigte sie sich mit aufgesetzter Unschuldsmiene. »Irgendetwas, das ich wissen sollte?«

Maddie zuckte die Achseln. »Was zum Beispiel?«

»Ich habe gehört, dass Gray heute in der Kirche war und einen Aufstand ausgelöst hat. Ich habe mich gefragt, ob du vom Diner aus etwas davon beobachten konntest.«

Einen Moment lang erstarrte Maddie. Wusste Ashleigh von ihrer gemeinsamen Flucht? Oder noch schlimmer, von dem Beinahekuss? »Was hätte ich sehen sollen?«, wollte sie wissen und hielt ihre Stimme dabei so gelassen, wie es ging.

»Ich weiß nicht. Ich dachte einfach, ich frage mal.« Ashleigh wirkte nachdenklich. »Meinst du, ich sollte ihn besuchen?«

Maddie blinzelte. »Warum würdest du das tun wollen?« Ihr Magen fühlte sich komisch an. Als befände sich darin eine Flüssigkeit, die sich stetig erhitzte.

Ashleigh hob eine Schulter. »Er war früher mal die Liebe meines Lebens. Wir sind drei Jahre zusammen gewesen. Es kommt mir seltsam vor, einander nicht zumindest hallo zu sagen.« Sie senkte die Stimme. »Außer, du denkst, es könnte einen falschen Eindruck hinterlassen?«

Maddie ballte die Finger zu Fäusten. »Würde es Michael nicht aufregen?«, gab sie zu bedenken.

Einerseits wirkte Ashleighs Ehemann nicht wie der eifersüchtige Typ, andererseits hatte Maddie keinen Schimmer, welcher Typ er wirklich war. Wann immer sie ihn traf, verhielt er sich so still, als wollte er bei keiner der Veranstaltungen anwesend sein, die sie besuchten. Er war zehn Jahre älter als Ashleigh – was ihn sechzehn Jahre älter machte als Maddie – und ihr fiel keine einzige Sache ein, die sie abgesehen von Ashleigh und den Kindern gemein hatten.

»Warum sollte es ihn aufregen?« Ashleigh lachte. »Es ist ja nicht so, als hinge ich Gray nach all den Jahren immer noch nach. Schließlich bin ich verheiratet. Und ich hoffe, dass er auch über mich hinweg ist. Immerhin sind seither mehr als zehn Jahre vergangen.«

»Ich weiß nicht«, antwortete Maddie. Irgendwie kam sie sich wie im falschen Film vor. »Die ganze Sache fühlt sich einfach merkwürdig an, weißt du?«

»Warum fühlt sie sich merkwürdig an? Du kanntest ihn kaum. Du warst noch ein Kind, als er die Stadt verlassen hat.« Ashleigh schüttelte ihren hübschen Kopf. »Ehrlich, Maddie, du musst dich nicht um mich sorgen. Ich will nur das Richtige tun. Ich will nicht, dass alle über mich reden, weil sie denken, ich würde mich ihm gegenüber unhöflich verhalten. Aber ich will auch nicht, dass sie sagen, ich hätte ihn unbedingt sehen wollen.« Sie seufzte.

Der äußere Schein war Ashleigh schon immer wichtig gewesen. Sogar als Kind. Sie war das hübscheste Mädchen in der Schule, Cheerleaderkapitänin und natürlich war ihr Freund der Junge gewesen, dem all die anderen Mädchen hinterherschmachteten.

Manchmal fühlte es sich an, als würde es Ashleigh so viel leichter im Leben haben als Maddie. Meistens fand sie das amüsant, gelegentlich tat es weh. Als würde jemand in einer alten Wunde herumstochern. Der Gedanke daran, dass ihre Schwester Gray Hartson besuchen könnte, fühlte sich ähnlich an.

»Ich muss los«, meinte Ashleigh und beugte sich vor, um Maddie zu umarmen. »Danke, dass du auf die Äffchen aufpasst. Wir sollten um acht zurück sein. Könntest du sie dazu bringen, ihre Pyjamas anzuziehen? Das würde es uns so viel einfacher machen, sie ins Bett zu bekommen.«

»Klar. Ich lasse sie duschen und mache sie bettfertig.« Maddie küsste Ashleigh auf die Wange. »Viel Spaß.«

»Danke dir. Wir sehen uns später.« Ashleigh lehnte sich durch die Eingangstür ins Haus. »Grace, Carter, ich gehe. Seid lieb zu eurer Tante und Grandma«, rief sie hinein.

»Tschüss, Mom!«, brüllten Grace und Carter zurück, die wohl keine Lust dazu hatten, aus der Küche zu rennen.

Als Ashleigh die Eingangstreppe hinablief, klapperten ihre Absätze auf dem Stein. Maddies Blick hing an dem Knoten in Ashleighs Nacken, und sie tastete nach dem geflochtenen Zopf. Sie zuckte beinahe zusammen, als sie spürte, wie viele Haare ihm bereits entkommen waren. Schnell zog sie die Hand weg und seufzte.

Es machte keinen Sinn, zu versuchen, mit ihrer schönen Schwester zu wetteifern. Diese Lehre hatte sie schon vor Langem gezogen.

K

Nach dem Abendessen mit seiner Familie und weiteren Seitenhieben von Tanner wegen des Zaunkletterns machte sich Gray zurück auf den Weg in sein Zimmer. Er hatte Jetlag als Grund vorgeschoben, aber in Wahrheit wollte er bloß allein sein.

Er kam immer noch nicht über die Tatsache hinweg, dass ihm Maddie Clark bei der Flucht aus der Kirche geholfen hatte. Wann zum Teufel war sie erwachsen geworden? Und, was noch wichtiger war, warum hatte sie wegen ihrer Identität gelogen?

Sie wusste, wer er war. So viel hatte sie zugegeben, als sie über diese verdammte Mauer klettern wollte.

Er versuchte, sich mit Gitarrespielen abzulenken. Ein ganzes Album wartete darauf, geschrieben zu werden; in vier Monaten sollten die Songs studioreif sein. Dennoch schienen seine Finger nicht zu funktionieren. Es war, als hätte er vergessen, wie man Musik schrieb; eine Note neben die andere legte, bis sie eine Melodie formten. Stattdessen klang jedes Streichen über die Saiten falsch.

So falsch.

Er stellte die Gitarre beiseite und ging duschen. Danach legte er sich aufs Bett und tat sein Bestes, sich an die Gründe für seine Rückkehr zu erinnern. Warum?

Weil du es deiner Schwester versprochen hast. Und dein Vater krank ist.

Oh ja, und natürlich war da noch die Tatsache, dass er sich seit einer Ewigkeit nicht mehr in Hartson’s Creek hatte blicken lassen. Schlussendlich schien ihm eine Mütze voll Schlaf sinnvoller, als sich das alles zu sehr durch den Kopf gehen zu lassen. Doch wie alles andere in seinem Leben verhielt sich auch die Nachtruhe ihm gegenüber stur.

Wenige Stunden später spürte Gray den ersten Tropfen. In seinem Schlummer registrierte er ihn kaum. Der zweite verwandelte sich in seinem Traum in Regen. Beim dritten riss er die Augen auf.

Kein Tropfen, sondern eine Flut ergoss sich von der Decke und durchnässte alles in ihrer Umgebung – Gray und sein Bett eingeschlossen.

Wasser aus seinem Mund spuckend, setzte er sich auf und blinzelte die Feuchtigkeit aus seinen Augen. Was zum Teufel ...? Mit zusammengezogenen Brauen starrte er in die Kuhle seines Kissens – wo eben noch sein Kopf gelegen hatte, sammelte sich Wasser zu einem See. Er folgte dem Nass mit seinem Blick hoch zur Quelle. Ein Loch klaffte in der Decke und offenbarte halb verrottete Balken und ein rostiges Rohr.

Ein rostiges Rohr mit einem Leck darin.

Gray sprang aus dem Bett und suchte nach einem Eimer, einer Schüssel, irgendetwas, das er unter der Sintflut platzieren konnte. »Tanner!«, rief er. »Da ist ein Riss in der Leitung. Hilf mir mal!«

»Hm?«, fragte Tanner, der nur mit einer Pyjamahose bekleidet ins Schlafzimmer kam. Das war immer noch besser als Gray, der bloß Boxershorts trug und auf der Suche nach einer gottverdammten Schüssel durchs Zimmer jagte.

»Wo ist es?« Becca war mit einem Eimer aufgetaucht. Gott sei Dank.

Er und Tanner schleiften das Bett durch den Raum und stellten den Eimer unter den Wasserschwall.

»Wo ist der Absperrhahn?«, erkundigte sich Gray. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.

»Unter der Spüle in der Küche.«

Er rannte die Treppe nach unten. Becca und Tanner dicht auf seinen Fersen. Als sie an Tante Ginas Tür vorbeikamen, steckte sie den Kopf durch einen Spalt in den Flur. »Was ist los?«

»Noch ein Leck. Diesmal in Grays Zimmer«, erklärte Becca.

Noch eines? Diesmal?

Vor der Spüle kniend, riss Gray die bemalten Holzschränke auf. Er holte die Reiniger heraus, die sich dahinter stapelten, und beugte sich nach vorne, um den Hahn abzudrehen. Sein Arm schmerzte, als er mit diesem halb verdreht an dem rostigen Metallstück rüttelte, bis das Ding endlich nachgab. Seufzend ließ sich Gray nach hinten auf den Boden fallen.

»Wann hast du dir dieses Tattoo stechen lassen?«, fragte Becca, die die Tinte auf Grays Körper musterte.

Er blickte an seiner Brust nach unten, wo die schwarzen Tribals ihren Anfang nahmen und von dort bis zu seinen Oberarmen reichten. »Vor einer Weile.« Es zu designen hatte über ein Jahr gedauert. Er hatte es bis ins kleinste Detail mit seinem Tätowierer geplant, der ihm während der Tour sogar nachgeflogen war. Vom ersten Nadelstich an hatte es sich richtig angefühlt. Als würde er sich zum Schutz eine Rüstung umlegen.

»Es ist hübsch«, befand Becca, die den Linien des Designs mit ihrem Blick folgte. »Aber lass es bloß Dad nicht sehen. Ihm war schon dein zweites Albumcover nicht recht.«

»Ich musste mir auch die Augen mit Bleichmittel auswaschen«, antwortete Tanner grinsend. »All diese Billboards in New York und von jedem einzelnen starrt mich mein Bruder mit nacktem Oberkörper an. Ich hatte Albträume davon.«

»Bereust du sie?«, fragte Becca, Tanner ignorierend.

»Nope. Auf meiner Liste von Dingen, die ich bereue, rangieren meine Tattoos ganz unten.« Gray zuckte die Achseln. »Kennt ihr die Nummer eines Notfallklempners? Wir müssen diese Rohre ersetzen lassen.«

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