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5. Kapitel

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»Ich hätte nie gedacht, den Tag noch zu erleben, an dem du freiwillig in die Kirche gehst«, stellte Tante Gina fest, während sie auf dem Weg die Treppen zur First Baptist Church hoch die Hand durch seine Armbeuge schob. Die Kirche stand direkt neben dem Stadtplatz.

Gray zuckte die Achseln. »Was gibt’s hier sonst an einem Sonntagmorgen zu tun?«

»Becca und Tanner haben etwas anderes gefunden, um sich zu beschäftigen.«

»Sie sind noch nicht mal wach.« Gray lächelte seine Tante an. »Ich spüre noch immer den Jetlag. Mein Körper weiß nicht, ob es noch gestern oder schon morgen ist.«

»Na ja, du bist jedenfalls ein guter Junge.« Sie zog ihre Hand aus seiner Armbeuge und tätschelte sein Gesicht. Bei der Berührung rümpfte sie die Nase. »Obwohl du dich hättest rasieren können.«

»Ich hoffe, Gott wird mir die paar Haare vergeben.«

Er drückte die Kirchentür auf und schluckte hart, als sich alle zu ihnen umdrehten. Die Bänke waren zum Bersten gefüllt mit Gläubigen und so, wie es aussah, auch mit einigen Ungläubigen. Ein paar der Letzteren tippten auf ihren Handys herum. In der Hoffnung, seine Anwesenheit würde sich nicht wie ein Lauffeuer verbreiten, schickte er ein Stoßgebet gen Himmel.

»Heute ist viel los«, murmelte Tante Gina, seinen Arm tätschelnd. »Auch viele jüngere Leute sind hier.« Beim Anblick der Handys schnalzte sie die Zunge. Als sie an einem Mädchen vorbeikamen, das Gray ungeniert filmte, warf Gina ihr einen finsteren Blick zu. »Kannst du das fassen?«, zischte sie. »Es ist ihnen noch nicht mal peinlich.«

»Schon okay. Ich bin’s gewohnt.«

»Tja, ich aber nicht.« Zwischen ihren Augen schien ein tiefes V eingemeißelt worden zu sein. »Das ist so unhöflich.«

Gray führte sie zu einer Bank, die ein paar Reihen vom Altar entfernt stand, und alle rutschten zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Hier erkannte er ein paar Gesichter wieder – Eltern seiner alten Freunde und Freunde seiner Eltern. Sie wirkten erschöpfter und ihr Haar war weißer als zum Zeitpunkt seines Fortgehens. Dennoch waren sie immer noch dieselben.

Jemand tippte ihm auf die Schulter und er drehte sich zu einem Handy um, das ihm von einer Teenagerin hingehalten wurde. »Kann ich ein Selfie mit dir machen?«

»Ähm. Klar. Sicher.«

Noch bevor er das letzte Wort herausgebracht hatte, platzierte sie ihre Schulter neben seiner und neigte das Handy so, dass ihre Gesichter darauf erschienen. »Hey«, fing sie an, während sie gefühlt hundert Fotos knipste. »Wirst du heute singen?«

»Natürlich wird er singen«, warf das Mädchen neben ihr ein. Nach der Farbe ihres Haares und der Ähnlichkeit ihrer Gesichtszüge nach zu urteilen, nahm er an, dass die beiden Schwestern waren. »Wir sind in einer Kirche. Da gibt es Kirchenlieder, du Dummerchen.«

»Ich meinte vorne. Ein Solo. Wäre das nicht unglaublich? Ich könnte es aufnehmen.« Die Augen des ersten Mädchens leuchteten. »Hast du einen Insta-Account? Dann verlinke ich dich im Foto. Oh, könntest du ein Kommentar darunterschreiben? Das würde Ella Jackson wahnsinnig machen. Sie behauptet, sie sei dein größter Fan, kennt aber nicht mal die Lyrics zu Along the River

Die Orgel ertönte mit voller Wucht und erstickte mit ihren tiefen Noten jedwede mögliche Antwort. Nicht, dass Gray eine parat gehabt hätte. Den Blick nach vorne wendend, entdeckte er Reverend Maitland, dessen lange, weiße Robe hinter ihm herwehte. Das Auftauchen des Geistlichen reichte nicht aus, um die Aufmerksamkeit von Gray wegzulenken. Er spürte noch immer dieses Brennen im Genick, das ihm deutlich machte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Vielleicht hätte er ein paar Bodyguards mit in die Stadt bringen sollen. Aber welches Arschloch traf in der örtlichen Kirche seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen? In dieser Situation konnte er nur verlieren. Entweder saß er hier und nahm es hin oder er rauschte divenhaft davon. Als Tante Gina zu ihm aufsah und ihre besorgte Miene vom schummrigen Licht erhellt wurde, war ihm klar, dass er so oder so festsaß. Er musste bloß die nächste Stunde überstehen. Das sollte machbar sein. Und danach würde er die Kirche für die nächsten tausend Jahre meiden.

K

Maddie versuchte, sich im noch menschenleeren Diner zu beschäftigen. Sie wischte bereits blitzblanke Tische ab und arrangierte die Speisekarten über dem Tresen neu. Diesen Teil des Sonntags hatte sie immer schon gehasst. Die Ruhe vor dem Sturm, kurz bevor der Gottesdienst zu Ende war und jeder ins Diner rannte, um den besten Platz zu ergattern.

Letzte Woche wäre es beinahe zu einer Schlägerei gekommen, als Mary-Ellen Jones und Lucy Davies versuchten, ihre ausladenden Hintern in die begehrte Nische an der Eingangstür zu schieben. Erst nach einer zehnminütigen Verhandlung und Maddies Versprechen, ihr gratis Backwaren zu servieren, begnügte sich Lucy mit einem Tisch weiter hinten im Diner.

Die Glocke über der Tür ertönte und Cora Jean kam herein. Ihr silbernes Haar war zu einem perfekten Knoten gebunden. Trotz ihres Alters war sie rüstig und liebte den sonntäglichen Hochbetrieb. Den meisten Teenagern von Hartson’s Creek konnte sie dabei noch eine gesunde Gottesfurcht lehren.

Coras Anblick erinnerte Maddie an ihr Gespräch mit Gray. Er hatte doch nicht wirklich vor, einen Kommentar auf Trip Advisor zu schreiben? Falls doch, müsste sie vermutlich Cora Jean erklären, wie es dazu gekommen war, doch darauf hatte sie ehrlich gesagt keine Lust. Noch schlimmer, wenn es über Social Media verbreitet würde. Oh Gott, nicht auszudenken.

Kopfschüttelnd ärgerte sich Maddie über ihre Dummheit. Anfangs war es ihr lustig erschienen, so zu tun, als wäre sie jemand anderes.

»Warum lungern die jungen Leute bei der Kirche herum?«, fragte Cora Jean, während sie ihre Jacke neben dem Tresen aufhängte. »Seit das letzte Harry Potter-Buch rausgekommen ist, habe ich nicht mehr so viele Kinder auf einem Haufen gesehen.«

»Das war vor zehn Jahren«, bemerkte Maddie amüsiert.

»Ja, na ja, die Kinder sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Zu beschäftigt damit, Videos auf ihren Handys zu gucken und ihre Bleats zu schreiben, um sich noch für Bücher zu interessieren.« Cora Jean legte sich ihre Schürze um den Hals, ohne den adretten Haarknoten zu berühren. »Ich vermisse die Zeit, als ihr alle bloß nach dem Fernsehen süchtig wart.«

»Bleats?«, wiederholte Maddie.

»Du weißt schon, das Twitterding. Bleats. Sag nicht, du wüsstest nicht, was das ist?«

»Man nennt das Tweets. Tweet heißt zwitschern. So wie Vögel. Deshalb nennt man die App auch Twitter.« Maddie musste sich ein Lachen verbeißen. »Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Jugend das noch benutzt. Es dreht sich jetzt alles um Snapchat und Instagram. Egal. Warum sind denn so viele in der Kirche? Ist heute eine Taufe?«

»Nicht, dass ich wüsste.« Cora Jean zuckte die Achseln. »Sie hocken alle auf der Treppe, als würden sie auf einen Bus warten. Die Handys kleben ihnen natürlich an den Pfoten.«

»Ich werde mal nachschauen.« Maddie starrte zur Tür heraus. Die First Baptist Church stand am anderen Ende des großen Grasplatzes und wurde teilweise vom Musikpavillon und den Eichen verdeckt, die sich an die Fassade schmiegten. Vergebens reckte Maddie den Hals. Sie konnte absolut nichts sehen.

»Ist es okay, wenn ich einen Moment abhaue?«, fragte sie Cora Jean, die mit einem Nicken zustimmte.

Draußen lief Maddie um den Platz herum und hielt auf der anderen Seite inne. Tatsächlich hatten sich mindestens dreißig Leute versammelt, die alle an den weiß getünchten Wänden des First Baptist Gebäudes hochlugten. Als sich die übergroßen Holztüren öffneten, fing die Menge an, regelrecht zu vibrieren. Diejenigen, die auf den Stufen saßen, sprangen auf und wogten wie einer Welle der offenen Tür entgegen. Bald aufholend bahnten sich auch die anderen mithilfe ihrer Ellenbogen einen Weg nach vorne und reckten die Handys in die Luft.

»Ist Gray Hartson da drinnen?«, schrie eines der Mädchen.

»Ja, wir wollen Gray!«

Der Lärm stieg rapide an. Wie angewurzelt stand Maddie da, ein wenig entsetzt, doch ebenso amüsiert.

War Gray wirklich in der Kirche? Was zum Teufel hatte er sich dabei gedacht? Hartson’s Creek mochte eine verschlafene Kleinstadt sein, aber sie lag nicht im Koma. Neuigkeiten verbreiteten sich hier ebenso schnell wie in L.A. und New York und welche Stadt ein Gray Hartson auch immer gewohnt war. Hier vermutlich sogar schneller. Gelangweilte Kleinstädter stürzten sich geradezu auf Tratsch.

Maddie entdeckte Reverend Maitland im Türbogen. Sogar von hier konnte sie die Verwirrung über das plötzliche Interesse der örtlichen Kids auf seinen Zügen erkennen. Er hielt die Hände hoch, und sie erwartete beinahe, dass sich die Menge teilen würde wie das Rote Meer. Stattdessen duckten sich zwei Mädchen an ihm vorbei und rannten ins Gebäude.

»Junge Damen!«, rief Reverend Maitland mit zusammengezogenen Brauen hinterher. »Die Messe ist vorüber.«

Maddie unterdrückte ein Lachen. Das war alles so absurd. Und so weit entfernt von der Normalität eines Sonntags in Hartson’s Creek.

Ein weiterer Teenager stieß gegen Reverend Maitland und das Lächeln fiel von Maddies Gesicht. Jemand würde sich noch verletzen. Der Reverend machte einen Schritt nach vorn, um das Gleichgewicht zu wahren, und der Platz, den er dabei freigab, wurde sofort von neuen Dränglern gefüllt.

Tief durchatmend ging Maddie auf die Kirche zu und zog die Brauen zusammen, als Reverend Maitland zwei weitere Stufen nach unten gezwungen wurde. »Hey!«, rief sie aus und versuchte, sich durch die Masse zu kämpfen. »Ihr müsst euch beruhigen. Hört auf zu schubsen.«

Es war, als hätte sie kein Wort gesagt. Alle schubsten sich weiterhin gegenseitig und drängten den Reverend dabei fort. Maddie musste die Leute mit den Ellenbogen aus dem Weg räumen, um zu ihm zu gelangen.

Sie fasste nach seinem Arm. »Sind Sie okay?«

»Ich bin okay«, bestätigte er ein wenig außer Atem. »Vielleicht mit ein paar blauen Flecken mehr. Aber da drinnen ist ein junger Mann, der viel schlechter dran ist als ich.«

»Ist Gray in der Kirche?«, fragte Maddie. Obwohl sie ihre Stimme gesenkt hielt, ließ die Erwähnung seines Namens die Menge erneut aufbrüllen.

»Ich fürchte, ja. Ich habe alle aufgefordert, sitzenzubleiben, während ich nachschaue, was hier draußen vor sich geht. Und jetzt komme ich nicht mehr rein.«

»Könnt ihr den Reverend bitte wieder in seine Kirche lassen?«, rief Maddie der Menge auf den Stufen zu. »Kommt schon, zeigt ein wenig Respekt.«

Doch Respekt schien eine Rarität in dieser Gegend. Ihrer Ellenbogentechnik gelang jedoch, was ihre Bitte nicht erreichen konnte, und irgendwie schaffte sie es mit Reverend Maitland zurück in die Kirche. »Sie sollten den Eingang verschließen«, riet sie ihm, als sie an den Türen ankamen. »Ich rufe die Polizei und sehe zu, dass diese Teenager nach Hause geschickt werden.«

»Der Einzige im Dienst ist Scott Davis. Den verschlingen diese Kinder zum Frühstück«, erklärte Reverend Maitland. »Wir müssen Gray Hartson hier rausbekommen. Das sollte ihnen den Wind aus den Segeln nehmen.«

»Wo ist er?«

»Zuletzt saß er noch in der dritten Reihe.« Reverend Maitland deutete in die Mitte der Kirche. Jetzt war dort niemand mehr. Die Schaulustigen lungerten alle herum und sprachen in schnellen Sätzen miteinander. Ihre Augen waren so groß, als wäre so ein Chaos noch nie in Hartson’s Creek vorgekommen.

»Ist der Hinterausgang offen?«

»Man muss nur gegen den Sicherheitsbügel drücken. Von dort kommt man allerdings nirgendwo hin, außer um die Kirche herum zum Eingang.«

Richtig. Die Hinterseite der First Baptist Church war von den Hinterhöfen der anschließenden Wohnstraße umringt. Und vor diesen Höfen lag der Bach. Ob man nun ging oder fuhr, der einzige Weg von hier fort führte über den Stadtplatz. »Ich überlege mir was«, murmelte Maddie. »Entweder das oder er wird den Löwen zum Fraß vorgeworfen.«

Take Me Home

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