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LØKKEN

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4.


Nach dem Mittagessen nahm die Keldysh Kurs auf den Hafen von Thorsminde. Es hatte einige Diskussion darüber gegeben, wo man mit den Arbeiten beginnen sollte. Während seine Kollegen mit den Untersuchungen des Meeresbodens an den Positionen der Windkraftanlagen starten wollten, sah Richards Planung vor, mit U-20 zu beginnen. Er setzte sich durch, denn die Standorte der Windräder nötigenfalls um ein paar Meter nach links oder rechts zu verschieben, wenn man auf »schlechten« Untergrund traf, war nicht das Problem. Doch die Lage des Umspannwerks, wo die Kabeltrasse an Land kommen sollte, war fix. Je schneller sie damit fertig waren, desto mehr Zeit hatte er für seine Familie.

Richard hatte beschlossen, mit seiner Familie mit dem Auto zum Ferienhaus zu fahren. Er hatte genug Zeit auf dem Schiff verbracht und würde die Crew auf einer Fahrzeugpräsentation, zu der Fisher am nächsten Tag in Aalborg eingeladen hatte, wiedersehen.

Nach dreieinhalb Stunden bog er in Richtung Küste ab und hatte eine Idee, von der er annahm, dass sie zumindest den Jungs Freude und den Frauen Vorfreude auf einen entspannten Badeurlaub machen würde.

»Was haltet ihr davon, wenn wir das letzte Stück am Strand entlangfahren?«

Niemand antwortete ihm. Kimberley und Angela waren eingeschlafen, Freddy in seine Autozeitschrift vertieft. Damit hatten sie ihr Stimmrecht eingebüßt.

»Mir tut der Hintern weh, wie weit ist das denn noch?«, nörgelte Jackson.

»Sind gleich da. Wir könnten den Dodge mal durch ein paar Pfützen und Furten treiben. Was hältst du davon?«

»Was sind Furten?«

»So nennt man Wege, die mitten durch einen Bach oder Fluss führen, ohne dass es eine Brücke zur Überquerung gibt«, mischte sich Freddy in das Gespräch ein. Darf man das denn, am Strand langfahren?«

»Au ja!«

Stadtkinder, dachte Richard. »Hast du jemals gesehen, dass dein Vater etwas Verbotenes getan hat?«

»Yep«, kam Freddys Antwort wie aus der Pistole geschossen.

»Jaha, man darf das. Der Weg am Strand ist sogar als Landstraße ausgewiesen. Keiner kommt in den Knast. Okay?«

Richard manövrierte den Wagen möglichst ruckelfrei auf den Strand, damit die Frauen nicht aufwachten und irgendwelche Einwände erhoben. Auf das ruhige Blubbern des V8 war Verlass. Die zwei schliefen tief und fest.

»Wow Papa, schau dir die Wellen an«, rief Jackson.

Die Abendsonne spiegelte sich funkelnd in der Brandung, es waren neunundzwanzig Grad Celsius bei einer sanften Brise aus West-Südwest und einer Wellenhöhe von ein Meter fünfzig – bestes Badewetter. Kurz vor der kleinen Brücke in Løkken drehte Richard den Wagen in den Wind, sprang hinaus und schälte sich die Kleidung vom Leib.

Als er dastand, wie Gott ihn schuf, und zum Spurt in das kühle Nass ansetzte, rief Freddy ihm gegen das Brausen der Brandung zu: »Was machst du da?«

»Ich will baden.«

Richard suchte den Strand mit den Augen ab. Im Osten nichts, im Westen nichts. Niemand war nackt. Auch nicht im Norden in den Dünen oder im Süden im Meer. Außer Kimberley, die sich peinlich berührt umgedreht hatte, und Angela, die den durchtrainierten Körper ihres Verlobten betrachtete, schauten ihn alle in Sichtweite befindlichen Menschen verständnislos an. Nicht, dass er je ein Freund der organisierten Freikörperkultur gewesen wäre, doch in Dänemark hatte sich nie jemand darum geschert, ob man nun im Adamskostüm oder in Badehose in die Nordsee sprang.

»Und was ist dabei?«

»Ich würde mich morgen nicht nackt auf Facebook wiederfinden wollen«, antworte Freddy.

Kimberley hatte inzwischen Badehose und Strandlaken aus dem Berg von Koffern und Taschen gefischt und warf sie Richard über den Wagen hinweg zu.

»Zieh das an Stiefvater, und du bleibst salonfähig.«

»Und das von einem Mädchen, das es für völlig normal hält, im Dunkeln mit einer Sonnenbrille herumzulaufen oder in Flipflops mit Glitzersteinchen in die Disco zu gehen. Trotzdem danke.«

Richard schwang sich ein Handtuch um die Hüfte, griff sich die Badehose und ging auf die Badehäuschen zu.

»Da stiert man nicht so drauf, Freddy!«

»Ich stiere da nicht drauf. Du bist gerade in was Schwarzes getreten. Sieht aus wie Hundescheiße.«

»Sch … Nein, das ist Öl.«

»Öl?«, fragte Freddy.

»Ja, Öl von gesunkenen Schiffen oder irgendwelchen Pennern, die es über Bord kippen.« Richard stieg in die Badehose.

»Fertig. Besser so, die Damen und Herren? Ab ins Wasser. Wer kommt mit?«

Freddy musterte die schwarzen Ölreste an Richards Fuß.

»Später vielleicht.«

»Ich brauche erst meinen Bikini, damit ich nicht wieder falsch gekleidet bin«, spöttelte Kimberley.

Angela hielt sich raus aus der Diskussion. Sie sammelte lieber Muscheln und anderes Strandgut. Jackson folgte ihr voller Tatendrang mit einer großen Ikeatüte, die er offensichtlich zu füllen gedachte.

Als Richard wieder aus den Fluten gestapft kam, schaute ihn Angela fragend an.

»Was?«

»Du siehst aus wie Jack Nicholson in Shining.«

Richard strich sich durch das zerzauste Haar und imitierte das irre Grinsen Nicholsons.

»Das wagst du nicht.«

Noch ehe Angela vor ihm fliehen konnte, zog er sie an sich, drückte seinen nassen durchkühlten Körper fest an sie und presste ihr die Lippen auf den Mund.

»Mmh. Lass uns hinter die Hütten gehen«, nuschelte Angela und entspannte sich.

»Papa, was sind das für Hütten?«

Als Richard nicht reagierte, zupfte ihn Jackson an seinem Handtuch.

Das Ferienhaus am Stadtrand von Løkken duckte sich in die Mulde eines Dünenkamms direkt am Meer. Es war geräumig und hell. Die Räume reichten bis unter die mit Holz verkleideten Dachschrägen. Aus den Astlöchern quoll immer noch Harz hervor und verbreitete einen angenehmen Duft.

Die rund um das Haus laufende Veranda bot einen herrlichen Blick auf die Fischerboote, den Strand und das Meer auf der einen Seite und auf die Lichter der Stadt auf der anderen. Komplett ausgestattet mit jedem erdenklichen Schnickschnack von Whirlpool über Satellitenfernsehen, Wireless-Lan und Sauna. Auf allen Gesichtern zeichnete sich zu Richards Beruhigung volle Zufriedenheit ab.

Die Schlacht um die Zimmer und Betten war schnell

geschlagen. Jackson inspizierte den Holzofen und bettelte darum, ein Feuer machen zu dürfen, Freddy richtete auf allen elektronischen Geräten die Internetverbindungen ein, Kimberley war längst im Pool verschwunden, und Angela, die es nach einer Stunde geschafft hatte, den Inhalt ihrer Koffer sauber im Schrank zu verstauen, war nun dabei, das Haus nach ihren Vorstellungen umzudekorieren. Für sie war ihr Job eine Berufung.

Als Innenarchitektin ständig auf der Suche nach Inspiration, hatte sich Angela in den Staaten einen guten Ruf in der Branche erarbeiten können. Sie hatte es geschafft, einen eigenen Einrichtungsstil zu entwickeln, der sich an der skandinavischen Lebensart orientierte, aber weit über das übliche Ikea-Katalogprogramm hinausging. Das führte aus Richards Sicht manchmal zu einer peniblen Positionierung von Dekorationsgegenständen, deren Wirkung, um wenige Millimeter nach links oder rechts verschoben, ein Mann nur schwerlich beurteilen und im schlimmsten Fall gar nicht bemerken konnte.

Er saß lieber mit einem Kaffeebecher in der Hand und einer Zigarette im Mundwinkel in einem Liegestuhl und hing seinen Gedanken nach. Er war der Erste, der mit Einräumen fertig gewesen war. Schranktür auf, Seesack rein, Tür zu.

Richard hörte das Klappern von hochhackigen Schuhen hinter sich auf den Holzbohlen. Angela kam in einem weißen Cocktailkleid herein und warf ihm die Einladung zu Fishers Party in den Schoß.

»Wow! Wo hast du das denn her?«

»New York. Lies mal vor, was auf der Karte steht, Darling.«

Er sah auf die Einladung: Dresscode: Casual Elegant. Er betrachtete sein Spiegelbild im Fenster. Seine Uhr hatte den Ärmel der Camel-Jacke ausgefranst, die Jeans war okay – Löcher waren ja jetzt groß in Mode, und die Boots sahen aus, wie Boots auszusehen hatten.

»Passt. Ich bin casual, und du bist elegant. Perfekt! Wie Bonny und Clyde. Und die Jungs?«

Auf das Stichwort hatten sie gewartet.

»Hey, hey, hey. Was sind denn das für schicke Kerle?«, sagte Richard und applaudierte. Angela hatte ganze Arbeit geleistet und die beiden herausgeputzt wie zwei echte Gentlemen.

Fehlte nur noch Kimberleys Auftritt. Und da war sie auch schon. Mit hochgestecktem Haar und dem hautengen schwarzen Minikleid sah sie atemberaubend aus. Richard nickte beeindruckt.

»Na, Daddy? Ich gehe davon aus, dass du noch einen Smoking und ein paar Lackschuhe in deinem Seesack vorrätig hast. Oder soll ich dir meine Flipflops leihen?«

Er schaute Angela fragend an.

»Auf dem Bett liegt ein Anzug. Zieh den an und kämm dir die Haare. Wir müssen los.«

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