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AALBORG

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5.


Vierzig Minuten später rollten sie mit dem Dodge die Zufahrt zum großzügigen Anwesen Fishers hinab, eine lange, mit Partyfackeln gesäumte Allee. Das ehemalige Gutshaus lag im Norden Aalborgs, in unmittelbarer Nähe zum Flugplatz, direkt am Limfjord. Das Gebäude war strahlend hell erleuchtet. Sie hielten vor der Freitreppe an.

»Und? Wer macht den Damen die Tür auf?«, fragte Angela schnippisch.

Richard, der sich sehr wohl angesprochen fühlte, antwortete.

»Darling, es gibt drei Gelegenheiten, bei denen ein Mann einer Frau die Tür des Wagens öffnet. Der Wagen ist neu, die Frau ist neu, oder der Kerl hat was ausgefressen.«

»Na bitte, da haben wir`s ja. Dann hopp hopp.«

»Ich mach das«, mischte sich Jackson ein und sprang aus dem Auto, um seinen Vater aus der prekären Situation zu retten.

Ein junger Mann nahm den Schlüssel des Wagens entgegen und parkte den Dodge. Nachdem sie ihre Einladung vorgezeigt hatten, wurde ihnen ein Willkommensdrink gereicht und der Weg in einen parkähnlichen Garten gewiesen. Dort saßen die übrigen Gäste vor einer eigens errichteten Bühne auf Klappstühlen. Richard fuhr mit dem Zeigefinger zwischen dem Kragen seines Hemdes und dem Hals entlang. Eine ziemlich illustre Gästeliste.

»Mr Fisher, wir sollten jetzt anfangen«, wandte sich Fishers persönliche Assistentin an ihn.

»Danke Freja.«

Er nahm das Mikrofon, stellte sein Champagnerglas ab und ließ das Kristall dreimal aufklingen, um sich bei den Gästen Aufmerksamkeit zu verschaffen.

»Meine Damen und Herren, ich denke, Sie sind alle sehr gespannt und haben weite Wege auf sich genommen, um heute diesen wunderbaren Moment mit mir zu teilen. Viele spannende Jahre liegen hinter mir und meinem Team, dem ich an dieser Stelle meinen ganz besonderen Dank aussprechen möchte.«

»Ihr alle, auch die, die heute nicht dabei sein können, ihr habt diese Welt besser und lebenswerter gemacht. Nicht nur die Menschen, sondern jede lebende Kreatur auf unserem wunderschönen Planeten sollte und wird euch dafür dankbar sein. Skøl!«

Fisher hob das Glas, prostete seinen Gästen zu und nahm selbst nur einen winzigen Schluck. Sein empfindlicher Magen spielte vor Aufregung schon seit Stunden verrückt. Er nickte Freja zu.

Musik setzte ein, Kamerablitze zuckten auf, und der Hinterhof des Anwesens wurde in ein tiefes blaues Licht getränkt. Wunderschöne, grazile Wesen in hautengen, futuristischen Raumanzügen öffneten langsam die Türen des Festsaals. Draußen auf dem Hof stand funkelnd eine alte Bekannte: Eleanor.

Ein Mann im Smoking schritt würdevoll von der Seite auf den Wagen zu und überzog ihn mit im Wind flatternden Seidenstoff.

Die ruhige Stimme, mit der er die Verwandlung dieses wundervollen Automobils von gestern in ein Vehikel der Zukunft ankündigte, ließ die spannungsgeladene Atmosphäre zu einer perfekten Inszenierung werden.

Dann stellte er sich mit dem Rücken zum Publikum und hob im Zeitlupentempo die Arme. Der Seidenüberwurf stieg auf wie eine Feder im Wind und wurde davongetragen. Mit der Musik schwoll das Blitzlichtgewitter an, und aus einer Woge von künstlichem Nebel tauchte ein in Ozeanblau schimmernder GT 500 E auf, soeben vom Band in den Staaten gelaufen.

Mit Ende des Crescendos warfen die Scheinwerfer ein strahlendes Licht auf die Anwesenden. Der Showeffekt hätte auf der internationalen Automobilausstellung in Genf nicht eindrucksvoller sein können.

Jackson, der sich kurzerhand auf einen Stuhl gestellt hatte, um besser sehen zu können, klammerte sich an die Schulter seines Vaters. »Wow, wie haben die das denn gemacht?«

»Zauberei, Brüderchen, pure Magie.«

»Echt, haben die?«

»Quatsch«, unterbrach ihn Freddy. »Der erste Wagen stand bereits unter einer Plexiglashaube. Dann haben sie den unter dem Vorhang weggezogen und den anderen druntergestellt. Deswegen lassen sie uns auch nicht näher ran.«

Fisher ging auf den Wagen zu und schüttelte dem Magier die Hand. Welches Wagnis war er eingegangen, als er seinen erstklassig bezahlten Job als Designer in der Autoindustrie aus Ärger über deren arrogante Ignoranz gegenüber Mensch und Natur aufgegeben hatte. Seine Managementkollegen wären alle intelligent genug und ihre Unternehmen technologisch in der Lage gewesen, lange vor der drohenden Klimaerwärmung umweltverträgliche Technologien und Autos zu bauen. Doch ihre Gier nach Marktmacht war stärker. Irgendwann widerte ihn das an.

Begonnen hatte er mit dem Bau von Windkraftanlagen als natürliche Ressourcen zur Energiegewinnung. Damit hatte er in den Achtzigerjahren, verspottet als spinnerter Bastler, ein Imperium aufgebaut, das heute weltweit mehr als zwanzigtausend Menschen Arbeit gab.

Auf den Spuren seiner Vorfahren, der Wikinger, und auf der Suche nach neuen Herausforderungen war er in die neue Welt aufgebrochen und hatte vor fünf Jahren die Fisher Automotive LTD in Kalifornien gegründet. Und das in einem Land, wo V8-Motoren wider jeglichem Umweltgewissen und Muscle Cars wie in einem letzten Aufbäumen einer todgeweihten Rasse sich wieder steigender Absatzzahlen erfreuten. Ausgerechnet dort fand er in einem schauspielernden Gouverneur, der selbst wie ein Muscle Car aussah, einen Mitstreiter und Förderer seiner Visionen.

Vielleicht ließ er deshalb den Kronprinzen nun entgegen aller guten Manieren zwischen den anderen stehen. Die meisten waren für ihn nicht mehr als »Schnittchenfresser«, die sich nicht die Bohne dafür interessierten, was er dachte und was ihn bewegte. Er hätte genauso gut eine neue Atombombe vorstellen können. Sie hätten trotzdem geklatscht. Aber was sollte es. Er brauchte diese Leute, damit sie für ihn Presse machten.

Richard und die Jungs hatten ebenfalls genug von der Bussi-Bussi-Gesellschaft und schlenderten in Richtung Wasser. Am Anleger lag eine ganze Reihe Boote. Es sah aus, als hätte das Hilton zur Wohltätigkeitsgala geladen. Ganz am Ende war ein mattschwarzes Offshore-Rennboot festgemacht.

»Wow«, sagte Freddy, »die Dinger erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als vierhundert Stundenkilometern. In dem hier sind zwei Triebwerke aus einem F16-Kampfjet verbaut.«

Als sie nur noch wenige Meter entfernt waren, sprangen zwei Männer in schwarzen Anzügen aus der Kanzel des Bootes und versperrten ihnen den Weg. In gebrochenem Englisch und mit starkem russischen Akzent sagte der Größere von beiden:

»Stop, this is private property and you are not allowed to enter.«

»Sagt wer?«, fragte Richard ein wenig gereizt ob des Tons, den der Mann anschlug. Die »Wandschränke« in schwarzem Zwirn machten allerdings nicht gerade den Eindruck, dass sie das Wer und Warum mit Richard diskutieren wollten.

Jackson schob sich vor seinen Vater, zückte die Einladung, die ihm Richard überlassen hatte, und entgegnete den Kerlen mit vor Stolz geschwollener Brust: »Wir haben eine VIP-Einladung.«

Die beiden verzogen keine Miene und blieben so stur stehen wie die Wachen vor dem Buckingham Palast.

Jackson sah mit fragendem Blick zu Richard hoch.

»Tritt ihm doch mal vors Schienbein, vielleicht zuckt er dann.«

Jackson holte aus.

»… nein!« Richard konnte soeben noch verhindern, dass der Kleine der Anweisung seines Vaters Folge leistete.

Freddy, wohl der Vernünftigste unter den Dreien, schlug vor, den Rückzug anzutreten.

So spazierten sie zurück an Land. Wie es der Zufall wollte, begegneten Sie Fisher.

»Mr Boyle, amüsieren Sie sich?«

Jackson holte bereits tief Luft, als Richard ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter legte.

»Ja, danke Mr Fisher. Wir haben uns gerade die Boote angesehen. Sehr interessant. Aber gestatten Sie mir die Frage, wo haben Sie denn die beiden russischen Bodyguards auf dem Rennboot aufgetrieben? Die machen auf mich eher den Eindruck, als könnten sie nicht bis drei zählen.«

Jackson zückte erneut seine Trumpfkarte. »Wir haben eine VIP-Einladung und trotzdem durften wir uns das Boot nicht ansehen«, beschwerte er sich lautstark.

Fisher lachte auf und tätschelte ihm den Kopf. »Die reden nicht mal mit mir. Die gehören zu einer Gruppe Finanziers aus New York. Aber so genau weiß ich das auch nicht. Ich kann gern einmal meine Assistentin fragen. Ich muss jetzt weiter. Waren Sie schon am Buffet? Der Kaviar ist vorzüglich. Wir sehen uns.«

Jackson hasste es, wenn man ihn betatschte, und Fisher hatte damit bei ihm nicht gerade Punkte gesammelt. Er warf einen Blick auf die Einladungskarte und pfefferte sie dann auf den Boden.

»Ich sehe, mein Sohn, du hast wenigstens etwas dazugelernt. Nicht alles, was glänzt, ist Gold.«

»Möchte irgendjemand von euch Kaviar?«

Die Jungs schauten ihren Vater ungläubig an und verzogen die Gesichter.

»Nicht? Gut, dann killen wir jetzt die Eisbombe!«

Am Buffet fanden sie ihre Frauen wieder. Angela unterhielt sich mit einer hübschen Brünetten Ende dreißig in einem schwarzen Cocktailkleid. Daneben konnte Richard Kimberley dabei beobachten, wie sie sich der Unterhaltung mit einem Mann Mitte vierzig zu entziehen versuchte. Allein das Einstecktuch, der dunkelblaue Zweireiher mit goldenen Knöpfen und die Slipper mit den Bommeln vorne drauf, wären schon Grund genug, ihn loswerden zu wollen.

Richard erkannte die beiden als Judith und Elias Mulligan. Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die Angaben in einem Dossier nicht nur zu lesen, sondern auch die Namen im Impressum zu googeln. So machte er sich nicht nur ein Bild darüber, womit, sondern auch mit wem er es zu tun hatte. Die zwei gehörten zum Vorstand der Bank, die Fishers Windpark finanzierte. Mulligan, Webster & Partner.

»… meine Bank investiert gut 1,5 Milliarden Dollar in das Projekt mit Mr Fisher und …« Ehe Mulligan den Satz zu Ende sprechen konnte, entdeckte Kimberley Richard, fiel ihm um den Hals und flüsterte ihm ins Ohr: »Rette mich, sei mein Held!«

»Kimberley, nicht so stürmisch, dein Stiefvater ist ein alter Mann.« Er blickte Elias dabei in die Augen. Der hatte den Wink verstanden und nippte an seinem Champagnerglas.

Richard wandte sich Angela zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

»Mrs Mulligan, darf ich vorstellen, das ist mein Verlobter, Mr Boyle.«

»Nennen Sie mich Richard.« Er reichte ihr die Hand.

»Angenehm, Judith. Das ist mein Bruder, Elias Mulligan.«

»Mr Boyle.«

»Mr Mulligan.«

Gerade wollte Richard seine Söhne vorstellen, als es aus Jackson herausplatzte: »Warum hast du Freunde bei der russischen Mafia? Die lassen uns dein Boot nicht angucken und reden so komisch. Mr Fishers Boot durften wir uns ansehen«, fragte er Elias.

Der senkte langsam den Blick und zog ein Gesicht, als würde ihm eine Kakerlake auf den Schuh pinkeln.

»Ich weiß nicht, was du meinst, Kleiner. Außerdem unterhalten sich hier die Erwachsenen.«

Arschloch, dachte Richard und wollte gerade für seinen Sohn in die Bresche springen, als sich Judith zu dem Jungen beugte.

»Woher weißt du, dass die beiden Männer von der Mafia sind?«

Jackson wirkte irritiert und suchte verlegen den Blick seines Vaters. Eine Antwort blieb er Judith schuldig.

Richard berichtete kurz von der Begegnung mit den beiden,

während Judith immer noch auf Augenhöhe mit Jackson verharrte.

»Was machen wir denn jetzt? Wollen wir die Polizei rufen und die beiden Männer verhören?«

»Aus ja, dann müssen sie was sagen«, stellte Jackson aufgeregt fest.

Sichtlich erfreut über die Aufmerksamkeit, die man ihm nun schenkte, setze er zu einem längeren Vortrag an.

»Wir haben …«, er fasste in die Tasche seines Sakkos »… wir hatten eine VIP-Einladung.«

»Wirklich? Zeig mir die mal bitte. Ich habe so etwas nicht.«

»Habe ich weggeworfen, man bekommt dafür nur so komische Sachen zu essen, und das Boot darf man trotzdem nicht angucken.«

Alle lachten, Judith erhob sich und wandte sich an Angela und Richard.

»Da haben Sie aber einen ganz pfiffigen Sohnemann, und ich nehme an, der gut aussehende junge Herr neben Ihnen gehört auch dazu, oder?«

Freddy reichte ihr die Hand.

»Frederick Boyle.«

»Judith Mulligan. Entschuldige, ich weiß, dass es jungen Männern in deinem Alter unangenehm ist, aber ich muss dir sagen, was für tolle Locken du hast und wie gut sie dir stehen.

Die hast du bestimmt von deiner Mutter geerbt.«

»Die ist nicht hier, die lebt in Deutschland, und wir sind zu Besuch bei meinem Vater«, mischte sich Jackson vorlaut ein.

»Fettnäpfchen?«, fragte Judith an Angela gewandt.

»Nein, nein, kein Problem. Die zwei Rabauken sind Richards Kinder aus erster Ehe.«

»Willkommen im Club«, antwortete Judith. Ich habe auch eine Tochter und einen Sohn in dem Alter und irgendwo auch einen Ehemann.«

»Oh, das Problem kenne ich.«

Nur das nicht. Das fehlte Richard noch, zwei Frauen, die sich unter dem Einfluss prickelnden Champagners darüber einig wurden, dass sie ihre Ehemänner nicht oft genug zu sehen bekämen. Es war Zeit zu gehen. Morgen sollte der erste Tauchgang mit der Beluga, dem Tauchboot der Keldysh, zu U-20 stattfinden. Sie wollten der Küstenströmung folgen, um auszuschließen, dass Teile des Wracks beziehungsweise der Munition in den letzten hundert Jahren durch die Strömung Richtung Norden versetzt wurden. Zwar würde er selbst nicht mit hinunter gehen, doch in seiner Verantwortung lag die Auswertung der Echtzeitdaten und Bilder, die das Boot an die Keldysh sendete. Da musste er hellwach sein.

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