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An den Mann

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Sie haben letzte Nacht im Bett versagt. Ihre Erektion war einfach weg. Es geschah nicht zum ersten Mal. Sie haben auch gefürchtet und gespürt, wie ›es‹ sich wieder anbahnte. Die Reaktion Ihrer Bettgefährtin hätte nicht besser sein können: sie murmelte einige verständnisvolle Worte über Streß, Müdigkeit und Überreizung, streichelte Sie versuchsweise erotisch, dann liebevoll, fand einen sanften Übergang für ein Glas Wein, eine Zigarette, ein nettes Geplauder ... Nachher, in einer für Sie entspannteren Atmosphäre, unternahmen Sie noch einen halbherzigen Versuch. Es ging! Aber im nachhinein mußten Sie sich eingestehen, daß es nicht so toll war. Immerhin, Ihre Partnerin war zufriedengestellt, Sie haben im richtigen Moment tief gestöhnt und ihr dann versichert, wie wundervoll sie war.

Sie gaben ihr auch die zusätzliche Befriedigung, anscheinend genau zu wissen, wie mit männlichen Potenzstörungen umzugehen sei. Nur bei Ihnen blieb ein schaler Nachgeschmack – Ihnen ist nicht ganz wohl, und Sie erinnern sich an all die Male zuvor, mit ihr, mit anderen Frauen ...

Natürlich haben Sie Erklärungen zur Hand: entweder waren Frauen zu aktiv oder zu phantasielos, zu fordernd oder mit zu wenig Temperament – manchmal dauerte es auch einfach zu lange oder es stimmte ästhetisch nicht. Bleibt die Frage: Warum gingen Sie dann mit der jeweiligen ins Bett? Was wollten Sie sich beweisen, bzw. ihr? Spätestens dann, als Sie die Frau in die Arme nahmen, haben Sie doch geahnt, wie es werden könnte; Sie haben die leisen Widerstände Ihres Körpers gespürt und trotzdem übergangen. Warum?

Oder: Sie waren mitten im Liebesspiel und plötzlich stimmte etwas nicht mehr. Sie haben versucht, Ihr Unbehagen zu verdrängen, Ihre Phantasie einzusetzen – nichts! Das Unbehagen blieb, Ihr Penis wurde schlaff, Sie mußten Ihre Partnerin und sich beschwichtigen ...

Möglicherweise haben Sie zusätzliche Erklärungen bereit, wie: in Ihrem Beruf fühlt man sich häufig erschöpft, körperlich und seelisch – Sie sind auch nicht mehr der Jüngste – Sie halten nichts vom Leistungsdenken im Bett – Ihr Orgasmus ist gar nicht so wichtig, Hauptsache ist, daß Sie miteinander zärtlich sind – Sie verschaffen der Frau auf ›andere Art‹ den Höhepunkt – Sie distanzieren sich völlig von ›klischeehaften Erwartungen‹ im Bett – usw., usf. ...

Bei all dem haben Sie aber immer noch nicht den Punkt berücksichtigt, warum Sie mittendrin nicht mehr konnten. Ihre Erklärungen oder Einsichten weisen eigentlich nur darauf hin, daß Sie gar nicht erst in die Situation des Versagens hätten kommen müssen, sondern lediglich Ihrem Gefühl ›Heute nicht!‹ trauen.

Sie haben sich aber in die Situation begeben – Sie haben sich und vielleicht auch die Frau entkleidet, Sie haben gestreichelt und sich streicheln lassen, Sie haben dabei die passenden Worte gemurmelt, Sie hatten vielleicht eine Erektion und sind in die Frau eingedrungen – um dann allmählich buchstäblich abzuschlaffen. Ihr übergangenes Gefühl hat Ihre Anatomie eingeholt, Sie waren der Realität Ihres Körpers ausgeliefert. Sie sind schwach geworden, Sie haben sich eine Schwachstelle gegeben, unter Umständen wird Ihnen sogar Schwäche vorgeworfen – dabei war aber schon die ganze Situation mit sämtlichen Erklärungsversuchen schwach! Und all das, als Sie sich stark zeigen wollten. Gibt Ihnen das nicht zu denken?

Logischerweise können Sie daraus schließen, daß irgendeine geheimnisvolle, ›unterirdische‹ Spannung zwischen der betreffenden Frau und Ihnen bestand, die Ihnen ein deutliches ›Stop!‹ signalisierte. Irgendein Muster in Ihnen wurde empfindlich gestört, Ihr Penis reagierte auf Ihnen noch unbekannte Botschaften, er ›schreckte‹ zurück.

Nun, Sie wissen (vermutlich und hoffentlich) viel über Frauen, aber – wie erwähnte Situation zeigt: zu wenig über sich selbst. Dabei sind Sie das Produkt von Generationen männlicher Geschichte und Entwicklung. Sie haben jahrtausendealtes Erbgut von männlichen Rollenbildern in sich, das Ihr Denken und Fühlen wesentlich mehr prägt, als Sie sich vorstellen können. Möchten Sie sich kennenlernen? Erfahren, warum Sie in gewissen Situationen völlig anders reagieren, als es eigentlich Ihren Erwartungen und Vorsätzen entspräche?

Ich schlage Ihnen vor, wir drehen das Rad der Zeit etwas zurück. Gehen wir doch in die Epoche der vielbewunderten Jäger, die dem heutigen Manne noch immer als Vorbild hingestellt werden – also etwa in das Jahr 9000 v. Chr.

Wir wissen ja aus Zeitschriften, Filmen und diversen Comic-Strips, wie viril und kraftvoll Ihre Vorfahren anscheinend waren, die schwache Frauen ernähren und vor den Gefahren der Natur und der Umwelt beschützen mußten. Das Bild des keulenschwingenden Supermannes, der nach siegreicher Bärentötung seine ihn bewundernde Frau an den Haaren in die Höhle schleppt, geistert immer wieder durch männliche Phantasien. Der potente Ur-Mann, der angeblich auch in Ihnen stecken und Maßstäbe vermitteln sollte, stand noch nie so hoch im Kurs wie jetzt, trotz oder wegen all den Gesprächen, Leitartikeln und Büchern über den ach – so sensiblen ›Neuen Mann‹.

Gehen wir auf die Zeitreise und schauen, wie es denn tatsächlich war.

Männer weinen nicht

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