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An den Mann

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Sie können sicher nachvollziehen, welchen Anfangsschwierigkeiten das Patriarchat ausgesetzt war. Die neue Machtstellung des Mannes, die er sich durch die Entwicklung der Viehzucht verschafft hatte, stand in keinem Verhältnis zu der dominanten Stellung der Frau, natürlich gewachsen im Laufe der Jahrtausende. Somit brauchte es mehrere Jahrhunderte, bis das Patriarchat sich durchgesetzt hatte und die Frau völlig entmachtet war. Ein Prozeß, der sich vorerst katastrophal niederschlug auf die wirtschaftliche Situation und somit auf das Wohl des einzelnen. Doch hier in die Details zu gehen, würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Bleiben wir bei Ihrer Geschichte, bei der Entwicklung des Mannes.

Das Vaterrecht, das dem Mann eigentlich nur die Erbfolge sichern sollte, bedeutete mit all seinen Konsequenzen einen unglaublichen Riß im Verhältnis der Geschlechter. Bis anhin galten die ›Naturgesetze‹, basierend auf gegenseitiger Achtung und Ebenbürtigkeit. Jetzt herrscht der Mann, der Vater, auf Kosten der Rechte der Frau.

Sie sehen, das Patriarchat war eigentlich ein Einschnitt in die menschliche Natur. Es hat sich, im Gegensatz zum Matriarchat, nicht herausentwickelt aus biologischen Gegebenheiten. Die naturgegebenen Geschlechterrollen durften nicht mehr sein. Der Mann führte zur Sicherung seines Besitzes Gesetze ein, die zur Unterdrückung und Mißachtung der elementarsten Menschenrechte führten. Daß er der Frau die Bestimmung über sich und ihre Kinder verweigerte und entzog, war die eine Seite. Was aber tat er sich an?

1. Von seiner ganzen Biologie her hatte der Mann keinerlei Anlagen für Verantwortlichkeit im Nestbau und in der Brutpflege.

 Mit seinem Anspruch, aus materiellen Gründen das rechtmäßige Oberhaupt seiner Familie zu sein, lud sich der Mann gleichzeitig auch die gefühlsmäßige Verantwortung dafür auf. Plötzlich wurde er mit der Nestpflege konfrontiert.

2. Von seinen Anlagen und seiner Geschichte her positionierte sich der Mann durch sein Können und sein damit verbundenes Prestige.

 Nun aber sollte er als verantwortliches Familienoberhaupt auch in gefühlsmäßiger Hinsicht Werte und Richtlinien vermitteln können. Sein Prestige wurde in der Familie weniger gefragt als seine Gegenwart und zuverlässige Verfügbarkeit.

3. Von seinem Ur-Wesen her verstand sich der Mann als friedfertiges, nützliches Mitglied einer gleichberechtigten Gemeinschaft.

 Um seinem privaten Erwerb nachgehen zu können, mußte er sich aus der Gemeinschaft herauslösen, negative Rivalitäten in Kauf nehmen, sich Mißgunst und Streit aussetzen. Aus dem Herdentier wurde ein Einzelgänger.

4. Sexualität war für den matristischen Mann eine Selbstverständlichkeit gewesen wie Essen und Trinken.

 Nun mußte er sich mit neuen Themen wie Zeugungsfähigkeit (wehe, er hatte keinen Sohn!) und Potenz (wehe, seine Frau wurde nie oder nur einmal schwanger!) auseinandersetzen. Die patriarchale Angst vor sexuellen Schwächen oder gar Versagen hielt ihren Einzug!

Nicht wahr, es ist auffallend, wie schon die Anfänge des Patriarchates im Zeichen einer unglaublichen Überforderung des Mannes standen?! Da gab es doch nur die Möglichkeit, diese Gefühle kurzerhand zu verdrängen und abzuspalten! Ein Leitmotiv der patriarchalen Gesellschaft könnte durchaus folgendermaßen lauten: »Ein Mann – ein Wort ( ... und weg mit störenden Gefühlen).« Denn: je weniger Gefühl ein Mann zuläßt und entwickelt, um so weniger realisiert er seine Überforderung durch die patriarchale Rolle, und um so stabiler und leistungsfähiger bleibt er!

Sie sehen, wohl mußte der Mann die Frau entmachten, um seine eigene Stellung zu sichern, aber – mit dem, was er sich selbst antat, indem er sich aus seinen biologischen Gesetzen löste, schwächte er sein gesamtes männliches Ur-Gefühl bis in die heutige Zeit! Um sich eine Machtposition zu sichern, die nur auf materiellen Überlegungen basierte, stülpte sich der Mann freiwillig einen Verhaltenspanzer über, der seinen Anlagen völlig widersprach. Er vergewaltigte damit nicht nur seine natürliche Männlichkeit, sondern auch die damit verbundenen Gefühle.

So entstand der ›gespaltene‹ Mann, dessen Schwierigkeiten Sie selbst nur zu gut kennen: was der Mann spürt und fühlt, hat mit dem, was er dann tatsächlich tut, wenig bis nichts gemeinsam. Das Patriarchat hat ihm mit Erfolg beigebracht, nicht auf seine Gefühle zu hören, sondern sich an männlichen Rollenvorstellungen zu orientieren, die hauptsächlich aus äußeren Zwängen und Leistungsansprüchen bestehen.

Das patriarchale Regiebuch gab – und gibt ihnen noch immer! – in etwa folgende Anweisungen:

 Männer sind ehrgeizig – wenn sie trotzdem nicht erfolgreich sind, liegt es an den Umständen;

 Männer zeigen keine Schwäche – sie werden bloß häufiger krank als Frauen;

 Männer sind sportlich – sonst finden sie Ausflüchte wie Alter, keine Zeit, Unfälle ... ;

 Männer sind arbeitsam und beweisen Ausdauer – ein müßiger Mann ist ein Widerspruch in sich, Ferien sind mit schlechtem Gewissen oder Langeweile verbunden;

 Männer sind nicht unbedingt häuslich – sie ziehen ihren Freundeskreis vor;

 Männer finden Kinder erst von einem gewissen Alter an interessant – deswegen kümmern sie sich auch nicht groß um sie;

 Männer sind sexuell aktiver als Frauen – deswegen neigen sie eher zur Untreue (die angeblich völlig bedeutungslos ist ...);

 Männer zeigen ihre Gefühle nicht, und schon gar nicht in der Öffentlichkeit – sie weinen nicht und Zärtlichkeiten sind sowieso lächerlich;

 Männer sind einfacher und direkter als Frauen – und wenn es trotzdem Kommunikationsschwierigkeiten gibt, liegt es sicher an der Frau;

 Männer sind aggressiv – schließlich haben sie einen Penis zum Penetrieren;

 Männer müssen nicht unbedingt gepflegt sein – waschen genügt und Schweißgeruch wirkt viril;

 Männer lieben Herausforderungen – Streßerscheinungen wie Herzbeschwerden und Magen-Darm-Störungen gehören halt häufig dazu;

 Männer sind potente Liebhaber und werden nie müde – sonst liegt es an den Umständen oder an der Frau;

 Männer befehlen in der Familie – sie sind schließlich die Ernährer und haben von daher auch mehr Rechte;

 Männer sind autoritär und cool – sie beherrschen jede Krisensituation souverän;

 ... Uff!!!

Nicht wahr, man kann sich gut vorstellen, daß am Schluß der ›Anweisungen für die Rolle des Mannes‹ der Zusatz stehen müßte: ... und wenn du dich nicht so verhältst, bist du eben kein Mann!

(Der matristische Mann würde leise lächelnd den Kopf schütteln ...)

Die gegenüberliegende Skizze zeigt Ihnen, wie die Entwicklung des Mannes sich in seiner bewußten und unbewußten Persönlichkeitsstruktur ausdrückt.

Der Mann ist von diesem patristischen Verhaltenspanzer nur so lange gestützt, als keine Frau und kein Umstand bis zu seinem matristischen Ur-Wesen, das ihm ja fremd, weil unbewußt, ist durchstößt. Sollte das geschehen, dann gerät unter Umständen das ganze erlernte Rollenverhalten ins Wanken – er spürt erstmals den Ur-Mann in sich – und knallt erschrocken diese seelische Falltüre zu! Er spürt genau, da könnten, wie Schachtelteufel, Schwierigkeiten herausbrechen und seine anerzogenen, gewohnten Verhaltensmuster gefährden; er ahnt diese Möglichkeit und will sich lieber nicht auf Gefühle einlassen, die so altes Neuland wie seine eigentliche Männlichkeit herauslocken und vielleicht zuviel in seinem Leben in Frage stellen ...


Jetzt wäre für Sie eigentlich der Moment da, dieses Buch aus der Hand zu legen – eben um keine Schwierigkeiten zu provozieren, keine schlafenden Hunde zu wecken ...

Sollten Sie, trotz dem Risiko seelischer Falltüren, weiterlesen, so beachten Sie das folgende Kapitelverzeichnis. Das Buch ist von hier an so aufgebaut, daß Sie sich die Kapitel aussuchen können, die Sie von der Thematik her am meisten interessieren. Am Schluß jedes Kapitels finden Sie jeweils noch genauere Ausführungen ›An den Mann‹.

Nun – wir werden den vom Patriarchat geprägten Mann in all seinen wichtigen Lebensbereichen gründlich betrachten, damit Sie etwaige Parallelen zu sich erkennen können.

Das Ziel dieses Buches ist erreicht, wenn Sie dann aufgrund Ihres Wissens Ihre Einstellung zu sich und zu Ihrer männlichen Rolle kritisch überprüfen können. Logischerweise werden Sie dann auch Ihre Reaktionsweisen Frauen gegenüber ernster nehmen und besser verstehen lernen.

Ich bezeichne von jetzt an das Ur-Wesen im Mann, also das Ur-Männliche, als seinen matristischen Teil. Ein matristischer Mann wäre somit einer von seiner Männlichkeit innerlich überzeugter und sicherer Mann – im Gegensatz zum patristischen Mann, der sich an äußeren Verhaltens-Maßstäben orientieren muß, da er gefühlsmäßig in seiner Männlichkeit verunsichert ist.

Sollten Sie manchmal Mühe haben mit den geschichtlichen und seelischen Schichtungen im Mann, so blättern Sie einfach zu der Skizze ›Strukturierung der männlichen Psyche‹ zurück. Die Begriffe werden sich Ihnen bald einprägen.

Beginnen wir gleich mit dem großen Anliegen jedes Mannes:

1. mit seiner Sexualität.

Dann wenden wir uns folgenden Bereichen zu:

2. Der Mann als Sohn und Vater

3. Der Mann zwischen Mutter und Frau

4. Der Mann und seine Arbeit.

Männer weinen nicht

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