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2. Vom Jäger und Ackerbauer zum Patriarchen

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Durch den Ackerbau der Frauen geht die Bedeutung der Jagd stark zurück. Damit verliert aber auch der Mann in seiner Stellung als Miternährer an Boden. Nun wendet er sich der Viehzucht zu. Er hat zufälligerweise, vielleicht beim Anpflocken eines Locktieres, entdeckt, daß er Tiere zähmen könnte. Dadurch stimmt das Arbeitsverhältnis zwischen Mann und Frau wieder, die Geschlechter sind einander wieder ebenbürtig. Aber die Strukturen in der Sippe verändern sich, noch fast unmerklich. Das Gefühl des Eins-Sein mit sich und der Natur hört mehr und mehr auf. Der Mensch wird zunehmend unabhängiger; er hat begonnen, sich die Natur teilweise Untertan zu machen.

Die Schwangerschaft der Frau ist nicht mehr ein Mysterium – der Mann weiß jetzt um seinen Anteil an der Zeugung. Ein völliger Umsturz in seinem Denken und in seinen Vorstellungen ist die Folge, vorläufig noch mit Verunsicherung vermischt.

Die Entwicklung der Viehzucht birgt eine Zeitbombe für die Sippe in sich: Boden für die Tierhaltung wird benötigt! Je erfolgreicher nämlich ein Züchter ist, um so stärker wird sein Wunsch nach mehr Boden, um seine Zucht vergrößern zu können.

Erstmals drängt sich der Gedanke auf an Eigennutzung, also an Privateigentum! Eine verlockende Perspektive ... die allmählich Fuß faßt: das Kollektiv verliert dadurch langsam an Attraktivität und somit an Bedeutung. Die inneren Strukturen der Sippe bröckeln. Das gemeinsame Interesse, die geteilte Verantwortung stehen nicht mehr unerschütterlich an erster Stelle – der männliche Drang nach Vermehrung des eigenen Besitzes beginnt im Laufe einiger Jahrhunderte wie eine Lawine bestehende moralische und kulturelle Werte des Matriarchates zu verdrängen.

Da der Mann um seine Zeugungskraft weiß, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann er das Erbrecht auch für seine Söhne verlangen wird. Nur so kann er ja sein erworbenes Eigentum sichern und bewahren: durch die erbrechtliche Weitergabe an seine Söhne. Aber dem stellt sich ein einfacher Tatbestand des Mutterrechtes in den Weg: die Frau ist in ihrer Partnerwahl genauso frei wie er – mehr noch, ihr gebührt sogar das Recht der ersten Wahl. Wie also kann er sicher sein, daß ihre Söhne auch wirklich von ihm gezeugt sind? Wer garantiert ihm, daß nicht der Sohn eines anderen ihn um seinen Besitz prellen, also ihn berauben wird?

Eine Unsicherheit des Mannes, die gleich die nächste auslöst: welche Möglichkeit hat er überhaupt, um Sicherheit haben zu können? Es dauert lange Zeit, mit allen Gegenströmungen und Widerständen, bis der Mann genau weiß, wie er seine Stellung und die seiner Söhne ein für allemal eindeutig sichern kann: durch vollständige Kontrolle über die Frau! Nur wenn er die Gewähr hat, daß er der einzige Mann einer Frau ist, werden die gemeinsamen Kinder mit größter Wahrscheinlichkeit auch von ihm stammen. Jetzt geht es nur noch darum, ein System einzuführen, das dieses Resultat gewährleistet.

Er schafft es: die Frau darf keinerlei Freiheiten mehr haben, die ihr eine Lücke lassen, durch die sie der männlichen Kontrolle entschlüpfen könnte. Sämtliche Rechte, die ihr noch Privilegien sichern, müssen ihr ebenfalls entzogen werden. Die Frau hat keinen eigenen Status mehr, sie gehört dem Mann. Von Rechts wegen ist sie ihm untergeordnet, er bestimmt über sie und ihre Kinder. In der religiösen Welt herrscht nun ein Sonnengott mit seinen Söhnen; die weiblichen Götter sind nur zugeordnet. Das Patriarchat ist da, die Herrschaft des Vaters (pater) hat begonnen!

Der Privatbesitz, der die Wurzel des Patriarchates in sich trug, führt bald zu Klassenunterschieden. Die sich schnell vergrößernde Kluft zwischen Reich und Arm bedingt Neid und Mißgunst. Rivalitäten lassen das entstehen, was bis zum heutigen Tag die Geißel der Menschheit ist: die Kriege. Das ›goldene‹, weil egalitäre Zeitalter des Mutterrechtes ist endgültig vorbei – das Vaterrecht hat die Strukturen des friedvollen Kollektives zerstört und abgelöst.

Zusammenfassend können wir sehen, daß die Machtstrukturen, die bezeichnend sind für das bis heute bestehende Vaterrecht, auf drei ineinander verketteten Elementen basieren:

 die wirtschaftlich-erbrechtlichen Überlegungen des Vaters bezüglich Besitzerhaltung und Vermögensmehrung;

 die biologisch gegebene und somit unabänderliche Unsicherheit des Mannes bezüglich der Echtheit seiner Vaterschaft;

 die mehr oder weniger bewußte Potenzangst des Mannes.

Männer weinen nicht

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