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An den Mann

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Nicht wahr, es ist spannend, Geschichte im eigenen Zusammenhang zu erforschen?! Haben Sie bereits bemerkt, daß die heutige Vorstellung über den Jäger und seine Gemeinschaft nur ein lächerliches Zerrbild der damaligen Zeit ist?

Sie wissen jetzt, daß es damals keine ›Häuptlinge‹ und keinerlei Art von Unterwerfung und Dominanz gab. Der coole, autoritäre Führungstyp wäre bestenfalls ausgelacht worden. Die Männer von damals wußten nur zu gut, wie sehr sie aufeinander angewiesen waren, auf den Einsatz und das Können jedes einzelnen. Natürlich gab es bei jeder Tätigkeit jemand, der mehr Erfahrung oder Geschicklichkeit besaß als die anderen und deshalb kurzfristig eine natürliche Führungsaufgabe übernahm – sei es jetzt Fährtenlesen, das Herstellen einer Waffe, eines Werkzeuges oder das Roden eines Gebietes.

Die Männer lebten in einer Gruppe, die Eigenschaften wie Kooperation, Anpassung, Entwicklung von technischen Fertigkeiten, Kommunikation, Rücksicht und Teilen unterstützte und förderte. Der Jäger, der an einem Tag Pech hatte, erhielt den gleich großen Anteil an der Beute wie jener, der sich gerade auszeichnete. Die Freude an der eigenen Geschicklichkeit, die Bewunderung der anderen nährte weder Selbstsucht noch elitäres Denken, sondern stärkte die Gruppenbeziehung. Ein in vielen Domänen hervorragender Jäger erhielt keinen höheren Status als die anderen, wohl aber Prestige, wenn er seine Fähigkeiten in den Dienst des Kollektives stellte. Mit anderen Worten: je größer seine Beute, um so mehr gab er ab, je erwiesener seine Geschicklichkeit, um so mehr Aufgaben erfüllte er.

Die Jäger und späteren Ackerbauern waren also keineswegs eine im kämpferischen Sinne aggressive Männergemeinschaft. Wir kennen auch keine Höhlenmalereien aus dieser Zeit, die Kampfszenen zwischen Menschen darstellen.

Können Sie gefühlsmäßig ertasten, was es bedeutete, Mann zu sein damals, zur Zeit des Mutterrechtes? Der matristische Mann durfte sich ausleben – gemäß seinen Fertigkeiten und seiner Natur. Und seine Natur war eben, daß er keinerlei biologische Verantwortung hatte! Er war an der Nest- und Brutpflege nur insofern beteiligt, als daß er im Rahmen des Kollektives für das Überleben der Sippe mitverantwortlich war. Damals käme der Ausspruch von William G. Somner aufs positivste zum Tragen: »No amount of reasoning, complaining or protesting can alter the fact that woman bears children and man does not.«

Zwischen Mann und Frau gab es keine Hierarchien, sie waren in ihrer naturgegebenen Arbeitsteilung einander völlig ebenbürtig. Die Verehrung, die der Mann der Frau aufgrund ihres Gebären-Könnens entgegenbrachte, war genauso natürlich wie ihre Bewunderung für seine handwerkliche Geschicklichkeit. Beide lebten ihre ur-eigenste Form der Kreativität, des Schöpfertums und paßten dabei völlig in ihre Umwelt und deren Strukturen hinein.

Sexualität und Geschlechtsverkehr hatten einen nebensächlichen und integrierten, von daher kleinen Stellenwert – es gab weder konstruierte Moral noch Verbote. Da der Zusammenhang zwischen dem männlichen Samenerguß und der weiblichen Schwangerschaft unklar war, fehlte der Vereinigung Mann – Frau zudem jegliches Druck- und Erwartungsmoment.

Als einziges Tabu galt der Beischlaf Mutter – Sohn, wobei dies bereits eine Folge der Sippenentwicklung war. Unsere Vorfahren erkannten im Laufe der Zeit, daß durch die Paarung Mutter – Sohn die Suche nach männlichen Beziehungen außerhalb der Sippe überflüssig wäre – die Sippe bliebe ein in sich abgeschlossenes System. Es braucht die ›eingeheirateten‹ Männer aus anderen Sippen als Zuträger für neues Gedankengut und frische Impulse. Eine sehr fortschrittliche, ökonomische Überlegung!

Der matristische Mann hatte also, ohne viel eigenes Dazutun, für die Sippe seiner Frau die natürliche Funktion eines ›innovativen Beraters‹. Es ist anzunehmen, daß je nach neuen Impulsen, die er brachte, sein Prestige und das der Sippe anstieg – was wiederum die Frau in der Richtigkeit ihrer Partnerwahl bestätigte.

Nicht war, das Ganze kommt Ihnen gar nicht so unbekannt vor? Sie erinnern sich gewiß an Märchen und Sagen, in denen Ihnen das matristische Erbe im Mann bereits begegnete. Jetzt erkennen Sie sogar das Muster:

Der jeweilige ›Held‹ verläßt seinen Geburtsort (Muttersippe) und geht in fremde Lande (andere Sippen), wo er zahlreiche Hindernisse überwinden muß (Beweise von Tugend und Geschicklichkeit), um dann die Prinzessin oder Königin (zukünftige Sippenmutter), die auf ihn aufmerksam wurde, heiraten zu können. Mit dieser Heirat erhält er auch eine Krone (Stellung) und bleibt im Land (führt der Sippe seiner Frau sein Prestige zu).

Ihr Vorfahre verkörperte ein Männerbild, das mit den heutigen Machovorstellungen ( ... und schleppte sie an den Haaren in die Höhle ...) nichts gemeinsam hat. Der Macho stellt seine Idee von einem Mann dar wie ein Schauspieler, der eine Rolle eher schlecht als recht interpretiert – der matristische Mann dagegen war schlichtweg, ohne jegliches dominante Gehabe, ein Mann im Einklang mit sich und der Natur. Also tatsächlich ein ›echter‹ Mann!

Sie sehen: das Matriarchat war mitnichten, wie so oft fälschlicherweise angenommen, die Zeit der ›Frauenherrschaft‹, sondern im wahrsten Sinn des Wortes die Zeit der natürlichen, natur-gegebenen Geschlechterrollen, wie eben die der Mutter(mater)schaft. Der Mensch hatte noch keine eigentliche Geschichte hinter sich, auf die er zurückschauen und sich eventuell daran orientieren mußte, die ihm Maßstäbe setzte oder eine Rolle aufzwang – noch war er eins mit seiner Biologie.

Gefällt Ihnen Ihr Vorfahre, so wie er tatsächlich war, nicht viel besser als das Phantasieprodukt, das Ihnen immer wieder vorgesetzt wird? Wir werden später darauf zurückkommen, warum überhaupt so ein prähistorisches Macho-Gebilde entstehen konnte.

Aber jetzt weiter in der Geschichte des Mannes!

Männer weinen nicht

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