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Frauen –
und der ›weibliche Krabbenkorb‹

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Eine Frau, die an die ›Front‹ will, weiß um den gefühlsmäßigen Streß, dem sie sich aussetzen wird, falls sie Mann und Kinder hat. Vor allem dann, wenn der Mann eben noch im alten Rollenverständnis tickt und sich mehr oder weniger weigert, einen Finger krumm zu machen im häuslichen Bereich.

Nicht nur leidet sie unter Schuldgefühlen, weil sie den Eindruck hat, es nicht allen – der Familie und dem Beruf – recht machen zu können, sprich überall mütterlich verfügbar und zuständig zu sein; gleichzeitig fehlt es ihr oft an Unterstützung und Ermutigung seitens der eigenen Geschlechtsgenossinnen. Da braucht es leider wenig, um Abwehr und Mißgunst hervorzulocken.

»Manchmal kommen mir Frauenkreise in ihrem Selbstverständnis wie ein großer Krabbenkorb vor! Kaum will eine Krabbe da raus, klammern sich die anderen an sie und holen sie wieder in den Korb, in weiblich-angepasste ›Normalität‹ zurück«, erinnert sich die Mutter zweier Kinder.

Sie lebte in einer Wohnsiedlung und teilte jahrelang das Los mit anderen jungen Müttern auf dem Spielplatz und im gemeinsamen Hütedienst. Dann entschloß sie sich in der eigenen Wohnung einen Schreibdienst aufzubauen. Nachdem sie ihren Mann dazu gebracht hatte, ihr einen Computer zu kaufen und sie einen Kurs besuchen zu lassen, ging es nur noch darum, die Zeit zu finden, um Aufträge zwischen den verschiedenen familiären Belastungen und Pflichten ausführen zu können.

Ihr Mann, voller Abwehr und Mißtrauen, konnte und wollte ihr nicht helfen, die eigene Mutter schüttelte nur den Kopf über die unnötigen Investitionen und prophezeite Unheil für die Kinder und eine gescheiterte Ehe. Und als sie sich hilfesuchend an die vielen Spielplatz- und Hütedienstfreundinnen wandte, hatten die plötzlich weder Verständnis noch Zeit, um ihr ab und zu die Kinder abzunehmen.

»Meine Freundinnen gaben mir unterschwellig den Eindruck, ich sei eine Verräterin in den eigenen Reihen. Nur weil ich ausgebrochen war aus dem Kinder-Küche-Einkaufsreigen.« Es schien ihr, als würden alle nur darauf warten, daß sie endlich zugab, zuviel gewollt zu haben und reumütig zu ihnen allen zurückkehrte, zurück in den alten, aber vertrauten Trott, den schon ihre Mutter ihr vorgelebt hatte.

Nun, sie kehrte nicht zurück – sie ließ sich nicht in den Krabbenkorb zurückziehen. Ihr Schreibdienst weitete sich nach großen anfänglichen Schwierigkeiten langsam aus, und selbst ihre Ehe hielt stand, trotz vielen Krisen. Die Schuldgefühle den Kindern gegenüber seien zwar noch immer da. Ständig hätte sie den Eindruck, sie würde ihre Kinder der Arbeit wegen vernachlässigen.

Die Gegenbeweise seien da, es nütze aber wenig, sie müsse damit leben. Und hin und wieder sei sie richtig stolz, weil ihre Tochter bereits ein anderes und selbständigeres Frauenbild vor Augen habe, als sie es bei ihrer Mutter erlebt hatte. »Sie wird es einmal viel leichter haben als ich. Für mich war der Preis hoch – ich weiß nicht, ob ich es auf die Art nochmals wagen würde. Aber ich habe auch Glück gehabt.«


Das war ihr Abschlußkommentar zu der Krabbenkorb-Geschichte und zu einigen Jahren an mehr oder weniger einsamen Kämpfen, Ängsten und Zweifeln, hin und her gerissen zwischen Mutterpflichten und beruflichen Anforderungen, beobachtet von einem lange Zeit nicht-kooperativen Ehemann. Glück gehabt …?

Warum verspüren wir Frauen die Gespaltenheit zwischen altem und neuem Rollenverständnis, zwischen Beruf und Mutterschaft derart ausgeprägt? Könnte es sein, weil wir beide Umfelder stärker mit Emotionen besetzen als Männer, Väter es tun?

Eine liebe Freundin von mir pflegt zu sagen, sie hätte es viel leichter im Leben, wenn sie selbst nicht eine so tolle und fürsorgliche Mutter gehabt hätte. Sie sei derart mit mütterlicher Liebe und Aufmerksamkeit eingedeckt worden, daß sie heute nur feststellen könne, wie mangelhaft ihre eigene Zuwendung zu ihren Kindern sei. Immer habe sie Schuldgefühle deswegen und warte förmlich darauf, daß ihre Kinder irgendwie mißraten – ihretwegen. Sie hätte derart hohe Maßstäbe für mütterliche Fürsorglichkeit auf den Weg mitbekommen, daß sie nur und ständig ihre eigene Unzulänglichkeit fühle. Ihre Mutter hätte zwar für nichts anderes als für die Familie Platz gehabt und es im Alter auch öfters beklagt …

»Aber weißt du«, fügt dann meine Freundin hinzu, »irgendwie scheint das nur mein Problem zu sein. Meine Kinder gedeihen prächtig trotz meiner beruflichen Anspannung. Und mein Mann macht auch einen ganz zufriedenen Eindruck. Etwas stimmt mit meinem Selbstbild nicht. Ich versuche eine Mutter zu sein, wie meine es war, lebe aber ein anderes Leben mit anderen Gegebenheiten – wie etwa, daß mein Mann genauso zuständig ist für die Familie wie ich. Zudem habe ich Spaß in meinem Beruf. Ich kann mich also nicht mehr an meinem Mutterbild orientieren – und das macht immer noch Mühe. Ich fühle mich wie gespalten – mit zwei total verschiedenen Ichs.«

Meine Freundin kaut mühsam an ihren überlieferten weiblichen Werten, die beinhalten, daß nur eine allzeit verfügbare Mutter eine gute Mutter sein kann. Und wenn eine Frau eine solche Mutter hatte und sie als positiv erlebte, dann wachsen die Selbstansprüche bezüglich eigener Fürsorglichkeit und Zuwendung ins Unermeßliche. Das schlechte Gewissen ist da, der Konflikt in der Gespaltenheit zwischen altem und neuem weiblichen Selbstverständnis programmiert.

Ist es verwunderlich, daß Frauen sich diesen programmierten Konflikt ersparen wollen? Zu dem ständigen Hin-und-her-gerissen-Sein zwischen Mutterpflichten und Berufsalltag? Und der Sorge, dem Kind tatsächlich das geben zu können, was sein »unverbrieftes Recht« ist? Und dem Gedanken, daß der Partner nicht kooperativ sein könnte und daß frau die ganze Verantwortung für die Nestpflege (doch) tragen müßte? Genauso wie sie es eben befürchtet hatte und vermeiden wollte?

Nun, wenn nach all diesen Überlegungen eine Frau auf Mutterschaft verzichtet, wird sie deswegen nicht ›weniger weiblich‹ sein. Dieser Entscheid weist auch nicht darauf hin, daß sie nicht zur Mutterschaft geeignet wäre – sondern daß sie sich einfach bewußt und verantwortungsvoll einer Konsequenz stellt. Der allzuleicht geäußerte Vorwurf seitens anderer Frauen, solch eine Frau sei eine Egoistin, sie denke nur an sich, ist schlichtweg falsch.

Wie sieht es aus, wenn eine alleinstehende Frau Karriere und Mutterschaft vereinen will? Und welches sind ihre Überlegungen?


Die gespaltene Frau

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