Читать книгу Ein undurchsichtiger Gentleman. - Catherine St.John - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеWenige Tage später rollte der Wagen mit Lady Horbury, Annabelle und John durch die Londoner Straßen. Ihr Ziel war die Jermyn Street, wo John in Miller´s Hotel Zimmer hatte reservieren lassen.
„Ihr werdet natürlich zu jeder Zeit den Wagen haben können; ich werde mir für meine Zwecke hier ein Reitpferd mieten“, erklärte John, bevor er die Formalitäten im Hotel erledigte.
„Was wirst du denn hier unternehmen?“, fragte Annabelle ihren Bruder. Der sprach etwas vage von Geschäften und erwähnte Viscount Lynet.
Mit dem Kutscher, dem Kammerdiener Binns und der Zofe Mary benötigten sie immerhin einige Räume, was vom Hotelpersonal durchaus positiv aufgenommen wurde, ebenso wie die zahlreichen Gepäckstücke, die die Hausknechte ächzend auf die Zimmer beförderten: vornehme Gäste!
Während Binns und Mary sich um das Verstauen der Garderobe und der sonstigen Habseligkeiten kümmerten, berieten Lady Horbury, John und Annabelle die Pläne für diesen Nachmittag, denn so müde waren sie nach der nicht allzu langen Reise auch nicht, dass sie nicht noch etwas unternehmen wollten. Lady Horbury studierte die Liste der Geschäfte, in denen der nötige Haushaltsbedarf erworben werden sollte, Annabelle plädierte für den Besuch bei einer Modistin – Susan hatte ihr eine Madame de Rouaille empfohlen.
„Wie heißt die Dame?“, fragte John sofort. „Das kann man ja kaum aussprechen! Ich glaube nicht, dass das ihren Geschäftserfolg befördern wird.“
„Vielleicht hat sie das gar nicht mehr nötig?“
„Stell dir vor, du willst sie weiterempfehlen und stotterst bei diesem Namen – beim nächsten Mal sagst du dann lieber nichts mehr.“
Annabelle lächelte herablassend. „Ich spreche doch viel besser Französisch als du, also sehe ich da keine Probleme.“
„Kinder! Ich denke, wir kümmern uns heute um die Handtücher, die Lady Norton uns als sinnvoll benannt hat. Zwölf Dutzend, glaube ich – kräftiges Leinen. Und noch einmal sechs Dutzend für die Küche – etwas dünnere Qualität. Und alles muss ja noch mit deinem Monogramm versehen werden… nun, das kann vielleicht die gute Miss Spragge machen, die, die gleich bei der Kirche in diesem krummen Häuschen wohnt, nicht wahr?“
John blinzelte. „Miss Spragge? Dieses uralte verhutzelte Weiblein? Sieht die dafür denn noch gut genug?“
Seine Mutter bedachte dies kurz und nickte. „Vielleicht kann auch das Leinengeschäft dies gleich erledigen – du hast Recht!“ Dann fuhr sie mit ihren Erwägungen fort: „Ich überlege gerade, ob die Nortons auch gerne hätten, dass du Bettwäsche mit in die Ehe bringst… ich sollte Lady Norton vielleicht eine Nachricht schicken…“
Sie erhob sich und setzte sich an den Schreibtisch, wo eine vorausschauende Hotelleitung elegantes Briefpapier, Tinte, eine Auswahl Federn und alles andere Nötige bereitgestellt hatte.
Annabelle und John wechselten einen erheiterten Blick, dann flüchtete John aus dieser beklemmend hausfraulichen Atmosphäre.
Annabelle blieb auf dem Sofa sitzen und überlegte, dass Bettlaken, Handtücher und Tischdecken wirklich jede Romantik im Kein ersticken konnten. Und wenn jede Braut zwölf Dutzend Handtücher nach Norton House mitgebracht hatte, dann musste es dort ja Berge über Berge davon geben! Handtücher verbrauchten sich doch nicht?
Sie wagte es, diese Frage ihrer Mama vorzulegen, als diese mit ihrem Brief fertig war und mit Streusand und Siegellack hantierte.
Lady Horbury drehte sich nur kurz zu ihrer Tochter um: „Sie werden mit der Zeit dünn, wie du dir doch denken kannst. Pass auf, ich beauftrage einen Boten, diesen Brief nach Norton House zu bringen, und dann machen wir einen netten kleinen Spaziergang, mit Mary natürlich. Oxford Street, dort gibt es die meisten Leinenhändler. Nun setz bitte ein anderes Gesicht auf, Kind! Es geht um deine Ausstattung, nicht um mein spezielles Vergnügen!“
„Ja, Mama.“ Sie fand das in Aussicht gestellte Unternehmen aber trotzdem wenig aufregend.
Eine halbe Stunde später stand sie mit Mary in der Hotelhalle, während ihre Mutter einem der Hotelboten ihren Auftrag erteilte.
Gäste traten ein und eilten hinaus, Pagen liefen, um Gepäck zu tragen und Getränke zu servieren – und am Fenster zur Seitenstraße saßen einige Herren, die abwechselnd das Treiben auf der Straße beobachteten und dann wieder die Damen in der Halle beäugten – sogar mit Lorgnon!
Annabelle drehte ihnen entrüstet den Rücken zu und ihre Mutter zischte, als sie die Gentlemen – Gentlemen? – bemerkte: „Unerhört! Komm, mein Kind! Mary!“
Sie folgten Lady Norton, die aus jeder Pore Missbilligung verströmte, nach draußen auf die Jermyn Street. „Sind wir gut zu Fuß?“, fragte ihre Mutter draußen. „Wir könnten den Wagen nehmen oder die Regent Street nach Norden gehen und dabei nach schönen Geschäften Ausschau halten.“
Das gefiel Annabelle nun wieder besser: „Modistinnen?“
„Unter anderem“, hielt ihre Mutter sich etwas bedeckt. „Dann wollen wir doch mal sehen, was wir alles ausfindig machen können!“
Sie marschierte munter vorneweg, so zügig, dass Annabelle kaum mehr als einen Blick in die verlockenden Schaufenster am Wegesrand werfen konnte. Immerhin konnte sie sich einen Laden merken: Mademoiselle Rosalie´s Paradise, alles in rosa dekoriert und mit einigen wunderhübschen kleinen Täschchen und Schals geschmückt. Hier musste sie morgen unbedingt noch einmal hin! Notfalls nur mit Mary, falls ihre Mutter immer noch mit Handtüchern beschäftigt sein sollte…
Handtücher waren öde!
„Annabelle, trödle nicht so! Du bist doch kein kleines Kind mehr – und es geht um deinen künftigen Hausstand!“
„Das ist doch immer noch Lady Nortons Hausstand! Oder glaubst du, sie und Stephens Vater ziehen ins Dower House und überlassen uns das Herrenhaus?“
„Nein, natürlich nicht. Das wäre ja auch albern. Aber sie könnten es umgekehrt arrangieren, nicht wahr? Möchtest du dann nicht eigene Handtücher und Haushaltswäsche haben?“
Annabelle zuckte die Achseln. „Alte Handtücher würden mich nicht stören, solange ich hübsche Nachtwäsche habe. Und sauber wird ja in Norton House wohl alles sein!“
„Das, meine naive Tochter, wird davon abhängen, wie gut du dein Personal im Griff haben wirst. Ich fürchte, du hast in den nächsten Wochen noch einiges zu lernen!“
Das wurde mit einem unwilligen Laut quittiert: Musste sie jetzt etwa ihrer Mutter auf Schritt und Tritt durch alle Obliegenheiten des Haushalts folgen? Sie wusste doch schon, wie man einen Haushalt führte und die Dienstboten richtig behandelte!
Andere Passanten wurden schon aufmerksam auf die diskutierenden Damen. Nur Mary stand stumm dabei, aber einige junge Männer schenkten Annabelle anerkennende Blicke und zogen zum Teil sogar den Hut. Ein strenger Blick Lady Horburys brachte die meisten zur Raison, aber einer, ein wirklich recht gut aussehender junger Mann mit blonden Locken, grünen Augen und einer aufregend bunt gestreiften Weste, zwinkerte ihr doch tatsächlich unverschämt zu, bevor er seinen Biberhut noch einmal schwenkte.
Annabelle reckte die Nase etwas höher und folgte eilig ihrer Mutter, Mary im Gefolge, die sich noch einmal neugierig nach dem frechen Kavalier umsah.
Hatte sie ihm so gut gefallen? Annabelle eilte so in Gedanken versunken weiter, dass sie beinahe in ihre Mutter hineingeprallt wäre, die an der Ecke auf sie gewartet hatte.
„Also bitte, Annabelle! Nun nimm dich doch endlich einmal zusammen und zeig wenigstens ein notdürftiges Interesse an deinem künftigen Hausstand. Was bitte soll Stephen von dir denken? Du bist zwar noch recht jung, aber du kommst schließlich nicht gerade aus dem Schulzimmer. Benimm dich also deinem Alter angemessen!“
Annabelle ließ den Kopf sinken. „Ja, Mama.“ Sie schämte sich tatsächlich, denn sie liebte doch Stephen – und dennoch dachte sie über einen hübschen, aber unverschämten Fremden nach?
Aber wenn Mama aus dieser Verlobung auch etwas so Langweiliges wie den Erwerb von Handtüchern machte!
Sie folgte Lady Horbury entsprechend lustlos in einen Laden zu Beginn der Oxford Street, wo sie aber die Auswahl an den feinsten Leinentüchern schließlich doch fesselte – ein wenig zumindest. Als ihre Mutter zwölf Dutzend der besten Qualität orderte und zugleich darum bat, sie alle mit AH zu besticken, wurde es sogar ausgesprochen interessant, denn es gab eine große Auswahl an Stickvorlagen und Annabelle stürzte sich enthusiastisch in eine Diskussion über die eleganteste Monogrammgestaltung. Sie entschied sich schließlich für eine schlichte, aber schwungvolle Buchstabenform und wählte die gleiche Form auch für die sechs Dutzend Küchenhandtücher, die mit einem hübschen blauen Rand angeboten wurden. Allerdings gab es diesen Rand auch in Rot…
Annabelle versank in Gedanken und entschied sich dann doch für Blau: „Immerhin ist es Stephens Lieblingsfarbe!“
„Du meinst, falls er sich tatsächlich einmal in die Küche verirren sollte?“ Lady Horbury tauschte mit der Leinenhändlerin einen erheiterten Blick.
„Das kann man doch nie wissen“, verteidigte Annabelle sich sofort. „Ich liebe Blau übrigens auch – und du kannst nicht bestreiten, dass ich mich von Zeit zu Zeit in der Küche sehen lassen muss, oder?“
„So lange ihr keine zuverlässige Haushälterin habt und einen entsprechenden Butler, gewiss. Nun, immerhin verstehst du etwas von der feinen Küche, wenn auch noch nicht vom Leinenbedarf eines vornehmen Haushalts. Gut, Mrs. Barclay, dann nehmen wir die zwölf Dutzend Waschhandtücher und sechs Dutzend Küchentücher mit blauem Rand. Sie schicken alles, mit Monogrammen versehen, bitte nach Beech House in Kent. Ich schreibe Ihnen die genaue Adresse auf…“
Annabelle, schon wieder gelangweilt, sah sich im Laden um. Gab es hier nichts wirklich Interessantes? Schöne Nachtwäsche zum Beispiel? Aber aus kratzigem Leinen wollte sie auch keine Nachthemden mehr tragen – einer jungen Ehefrau sollte Seide zukommen, fand sie. Mama sah das leider bestimmt wieder anders…
Lady Horbury hatte ihre Verhandlungen beendet und sah sich nach ihrer Tochter um. „Wir kehren zum Hotel zurück – und morgen besuchen wir vielleicht den Pantheon Bazaar, dort finden wir bestimmt einige nette Kleinigkeiten für dich, mein Kind.“
Das munterte Annabelle wieder beträchtlich auf, aber sie hatte auch selbst einen Vorschlag zu machen, nämlich Mademoiselle Rosalie´s Paradise. „Daran kommen wir auf dem Rückweg doch ohnehin vorbei! Oh bitte, Mama! Das Schaufenster sah wirklich verlockend aus!“
„Nun, meinetwegen. Sollte es nicht zu unpassend sein, können wir ja wohl einen kurzen Blick riskieren.“
Annabelle war drauf und dran, ihrer Mutter mitten in der Oxford Street um den Hals zu fallen – Lady Horbury konnte sie gerade noch bremsen: „Kind, wie alt bist du eigentlich? Sieh dich um, wir erregen schon wieder die Aufmerksamkeit der Menschen! Nun benimm dich so gesittet, wie wir es dir beigebracht haben – oder wir werden an diesem Paradise einfach vorbeimarschieren!“
Annabelle sah sich, mäßig geknickt, um und blickte in aufmerksame Gesichter. Die meisten Leute wandten sich rasch ab, als sie sich ertappt sahen, aber da war schon wieder ein junger Gentleman, der seinen Hut zog: Gab es in London so viele von diesen gleich aussehenden Männern? Alle in blauem Gehrock und sandfarbenen Pantalons? Alle eher hellhaarig und recht hübsch? Nun, alle? Gerade einmal zwei – der dritte war ja daheim in Kent aufgetreten, am Ende der Eichenallee von Norton House.
Sie wandte sich wieder ihrer Mutter zu und gelobte Besserung, aber wenige Minuten später betrachtete ihre Mutter kopfschüttelnd das Schaufenster von Mademoiselle Rosalie´s Paradise. „Wie außerordentlich – äh – rosa“, äußerte sie dann schwächlich. „Willst du dich in diesem Laden wirklich umsehen?“
„Oh bitte, Mama!“
Drinnen musste sie aber zugeben, dass das Sortiment nicht so recht überzeugen konnte; die Schals waren direkt fadenscheinig, das Rosa zu grell, die Stickereien nachlässig gemacht – und das kleine Hutsortiment wenig kleidsam und dafür recht überladen. Unzufrieden reichte sie der Inhaberin, einer auch etwas zweifelhaft aufgemachten Frau in mittleren Jahren, den letzten Hut, den sie aufprobiert hatte, zurück und bedankte sich.
„Du hattest Recht, Mama“, gab sie draußen zu, halb aus ehrlicher Überzeugung, halb, um ihrer Mutter zu zeigen, dass sie geläutert war. Lady Horbury reagierte darauf auch mit dem verdienten Unglauben, schließlich kannte sie ihre Jüngste seit nunmehr gut zwanzig Jahren und wusste, wann sie taktierte. Ob sie damit bei ihrem Zukünftigen wohl Erfolg haben konnte? Oder hatte sie dort ein solches Verhalten nicht nötig?
In der Hotelhalle verkündete sie, sie sei erschöpft und werde sich bis zum Dinner zurückziehen; ihrer Tochter empfehle sie das gleiche.
„Und heute Abend beim Dinner wirst du dich tadellos benehmen!“
„Gewiss, Mama.“
„Du wirst nicht dauernd den Kopf drehen, um die übrigen Gäste zu inspizieren!“
„Gewiss nicht, Mama.“
„Du wirst nur mit Leuten sprechen, die sich mir oder deinem Bruder vorgestellt haben!“
„Gewiss, Mama.“
„Und deine Konversation wird nicht derartig monoton sein!“
„Gew- natürlich nicht, Mama.“
Annabelle erntete noch einen scharfen Blick, dann wurde sie in ihr Zimmer geschickt, wo sie aufs Bett sank und sich ärgerte. Nichts durfte man als Mädchen, außer sich nach strengen Regeln zu verhalten und so sterbenslangweilig zu sein. Ein Wunder, dass man so überhaupt einen Mann finden konnte!
Bestimmt hatte es Stephen vor allem gefallen, wenn sie nicht ganz so brav gewesen war! Sie erinnerte sich an seine Küsse und spürte, wie das wohlige Gefühl dabei ihre Wangen warm werden ließ.
Ach, jetzt das Hotel verlassen und sich ein wenig die Umgebung ansehen! Völlig unmöglich, natürlich – jenseits des gemeinsamen Wohnzimmers ruhte Mama in ihrem Schlafzimmer und wahrscheinlich räumte auch Mary irgendwo herum…
Wie waren wohl die anderen Gäste in diesem Hotel? Lohnte es sich, ein besonders schönes Kleid anzuziehen und die dunkelbraunen Löckchen nach der neuesten Mode zu frisieren? Würde Mama ihr Mary dafür überhaupt zur Verfügung stellen?
Welches Kleid? Mary hatte immerhin auch ihre Garderobe schon eingeräumt und Annabelle schwankte zwischen einer weißsilbernen Abendrobe und blassrosa besticktem Musselin. War das Weißsilberne nicht ein wenig übertrieben, eher in einen Ballsaal passend als in einen Speisesaal? Dann eben das rosa Gewand, es war schließlich auch sehr hübsch… oder das cremeweiße mit der grünen Stickerei? Ach, sie würde wohl noch mehrmals im Hotel essen, dann konnte sie doch alle ihre Kleider ausführen. Heute – rosa.
Wie lange würden sie denn wohl in London bleiben? Nachdem das Leinen bestellt war, gab es doch gar nichts Dringendes mehr zu tun? Wollte Mama ihr wirklich einen Bummel durch die Modegeschäfte erlauben oder sie möglichst schnell nach Kent zurück schaffen? Andererseits hatte sie ihr den Pantheon Bazaar doch beinahe sicher versprochen – und Mama nahm Versprechungen nie zurück!
Sie ließ sich zurückfallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Was könnte sie in diesem Bazaar denn erwerben? Ihr Nadelgeld hatte sie zwar mitgenommen, aber das waren gerade einmal sechs Guinees. Aber musste Mama nicht bezahlen, was für die Ausstattung nötig war?
Ach herrje – nötig? Darüber würde es noch endlose Diskussionen geben und wenn die anderen Kundinnen dort auf sie aufmerksam wurden, hieße es bestimmt wieder, sie habe sich nicht so benommen wie es einer Miss Horbury zukam.
Der Kronleuchter war eigentlich recht hübsch. Sie seufzte: Sogar wenn sie im Dower House einen eigenen Haushalt einrichten durften, gab es garantiert schon in jedem Raum eine traditionsreiche Beleuchtung – ohne Gas natürlich, auf dem Land? Hier in London gab es bestimmt schon Gaslicht!
Auf dem Kaminsims stand eine Uhr, deren Zeiger halb fünf anzeigten. Zuhause gäbe es jetzt Tee… sie spürte, wie ihr Magen knurrte (was man natürlich nicht laut sagen durfte, wenn man nicht als vulgär gelten wollte) – aber vor dem Dinner war wohl nichts Essbares zu erwarten…
Sie schloss die Augen und fühlte das Wegdämmern, ohne sich dagegen zu wehren: Was sollte sie hier denn auch anderes anfangen?
„Miss?“
Sie öffnete unlustig ein Auge und erkannte Mary.
„Miss, es ist Zeit, sich zum Dinner umzukleiden. Sie möchten das Rosafarbene tragen? Und einen Schal dazu?“
„Ja… ja. Herrje, hab ich einen Hunger. Oh, schon fast acht? Du lieber Himmel, wie spät isst man denn in der Stadt?“
„Es ist sehr vornehm, spät zu essen, Miss“, wusste Mary. „Die feinen Herrschaften gehen ja danach noch auf Bälle, die halbe Nacht lang, und stehen am nächsten Morgen erst kurz vor dem Lunch auf.“
„Furchtbar“, murmelte Annabelle und erhob sich, herzhaft gähnend.
„Miss!“
„Keine Angst, das mache ich doch nicht in der Öffentlichkeit. Also, rosa und Schal… haben wir den cremeweißen mit der Blumenstickerei mitgenommen?“
„Natürlich, Miss.“
Mary half ihr dabei, in das rosa Kleid zu schlüpfen, löste dann ihre zerzauste Frisur, bürstete die glänzenden dunklen Locken und steckte sie ordentlich wieder auf. Einige Löckchen wurden so arrangiert, dass sie Annabelles Gesicht hübsch umtanzten, dann legte Mary ihr vorsichtig den Schal um die Schultern und ging, sich um Lady Horbury zu kümmern.